Die Unternehmenssteuerreform III führt zu grossflächigen Steuersenkungen für die reichsten der Reichen. Das Thema ist komplex, aber bei genauer Betrachtung erfährt man viel über die Interessen der GrossunternehmerInnen, über die Finanzierung des Staates und die unschöne Rolle einiger sozialdemokratischer PolitikerInnen.

Die Unternehmenssteuerreform III (USR 3) hat zum Ziel, die „Wettbewerbsfähigkeit” der Schweiz als internationales Steuerparadies für GrosskapitalistInnen noch zu verbessern. Dies bestätigt die Vernehmlassung des Bundesrates, welche mit folgender Aussage beginnt: „Mit der Unternehmenssteuerreform III (USR III) soll die Attraktivität des Unternehmensstandorts Schweiz im internationalen Umfeld gestärkt werden.“

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts zieht die Schweiz mit einer bewussten Fiskalstrategie ausländische Unternehmen an. Unschlagbar tiefe Steuern für gewisse Bereiche ergänzen sich dabei mit juristischer Sicherheit und politischer Stabilität. Diese “Standortvorteile” sind wichtige Bestandteile des Schweizer Imperialismus. Den anderen Staaten entgehen so Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Doch die „ausländischen“ KapitalistInnen haben nichts dagegen einzuwenden. Sie horten selber ihr Kapital auf Schweizer Banken oder verlegen ihren Firmensitz hierhin.

Innerhalb der Schweiz wird dieses Prinzip ad absurdum weitergeführt. Dank des „interkantonalen Steuerwettbewerbs“ versuchen sich Kantone gegenseitig mit möglichst tiefen Steuern die Einnahmen der KapitalistInnen und ihren Unternehmen abspenstig zu machen. Durch die entstehende steuerliche Abwärtsspirale stehlen sich die Kantone gegenseitig Einnahmen und unterstellen dadurch alle Kantonsfinanzen dem ständigen Spardruck. Bei der USR 3 stehen genau diese Konzepte im Mittelpunkt: Internationales Steuerdumping und kantonaler Steuerwettbewerb.

Woher der Zugzwang?
Es stellt sich zuerst die Frage, wieso die Steuerreform genau jetzt auf der Tagesordnung steht. Aufgrund internationalen Drucks hat sich die Schweiz gegenüber EU und OECD verpflichtet, die „Sonderbesteuerung“ von „Statusgesellschaften“ abzuschaffen. Kurz: Bis heute genossen gewisse ausländischen Firmen (vor allem die Holdings), welche ihren Sitz in der Schweiz haben, aber nur im Ausland tätig sind, sehr vorteilhafte „Steuerprivilegien“. Ihr Gewinn wurde im Durchschnitt mit nur gerade 2.5% besteuert (’08-’10). Diese Art der Besteuerung wird nun behoben.

Doch tatsächlich nimmt die Schweizer Bourgeoisie diese Abschaffung der Steuerprivilegien als Vorwand – oder Erpressungsgrund –, um einerseits neue unverschämte Steuerprivilegien einzuführen und andererseits, dank des Steuerwettbewerbs, grossflächig die Gewinnsteuern zu senken. Es wird allgemein anerkannt, dass dies zur grössten Unternehmenssteuersenkung seit den 40er-Jahren führen wird.

Wer profitiert?
Das Ende der Sonderbesteuerung betrifft etwa 24’000 Firmen, welche, „obwohl sie nur etwa sieben Prozent der Unternehmen ausmachen, […] fast die Hälfte der Gewinnsteuereinnahmen des Bundes [finanzieren]“ (Economiesuisse). Es handelt sich also um eine kleine Minderheit extrem profitabler Unternehmen. Sie verlieren nun ihre Steuerprivilegien, da die Gewinnsteuer neu für alle Unternehmen vereinheitlicht wird. Die ex-Sonderbesteuerten und alle anderen Unternehmen sollen zukünftig den gleichen (gesenkten) Steuersatz bezahlen.

Wer bezahlt aber überhaupt solche Gewinnsteuern? Es sind einzig die ganz grossen und erfolgreichen Unternehmen. Im Kanton Waadt, welcher sehr viele sonderbesteuerte Statusgesellschaften beheimatet, bezahlen gerade mal 30% aller im Handelsregister eingetragenen Firmen Gewinnsteuern. Die meisten sind KMU und machen keinen oder nur sehr wenig Gewinn. Die 530 Unternehmen, welche mehr als eine Million Gewinn machen (das sind nur 2.4% aller Firmen), bezahlen 89% aller Gewinnsteuern. Die 34 gewinnstärksten Unternehmen noch 84.3%! Auch die normale Gewinnsteuer betrifft also nur sehr wenige, sehr profitable Unternehmen. Diese werden am meisten von der allgemeinen Gewinnsteuersenkung profitieren. Doch es kommt noch dicker.

Durch das Wegfallen der Sonderbesteuerung werden alle betroffenen Firmen abwandern und ein enormes schwarzes Finanzloch wird unter unseren Füssen auftun.” So in etwa das Hauptargument der Bürgerlichen.  Um die „mobilen Kapitalien“ vom Abwandern abzuhalten, müssen „Ersatzinstrumente“ eingeführt werden. Die ex-Sonderbesteuerten werden also weiterhin sonderbesteuert, nur mit anderen Mitteln. Laut der NZZ muss „man sich dabei vielleicht die Nase zuhalten…“. Denn gewisse Instrumente sind gar unverschämt.

Kompensationsmassnahmen
Da die Gewinnsteuer von den Kantonen erhoben wird, definiert das Bundesgesetz den Rahmen, in dem sich die Kantone bewegen können. Bundesrat und Parlament haben sich auf drei neue Steuererleichterungsmechanismen geeinigt: Die Patentbox, den Steuerabzug auf Forschungsaufwand und den Eigenkapitalzinsabzug. Zusammen bilden sie den Werkzeugkasten der Reform. Daraus kann sich jeder Kanton einen Mix zusammenstellen. Einziges Limit: wenigstens 20% des Gewinns muss schlussendlich noch versteuert werden.

Das erste Instrument, die Patentbox, erlaubt den Firmen, Einnahmen, welche durch Patente erwirtschaftet werden, von den Steuern abzuziehen. Dieses Instrument ist fast ausschliesslich auf die Pharma- und Biotech-Branchen zugeschnitten. Es trägt die direkte Handschrift der Basler Chemie-Kapitalistenfraktion, welche so bis zu 90% ihres Gewinns von den Steuern befreien darf.

Dabei ist herauszustreichen, dass jegliches Patentrecht – speziell in der Pharmaindustrie – ein wichtiges Merkmal der imperialistischen Position der Schweizer Wirtschaft auf dem Weltmarkt bedeutet.

Das dritte Werkzeug, die „zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überschüssigem Eigenkapital“, beschreibt die NZZ als „relativ einfach angreifbar und eher schwer zu verteidigen“ (NZZ 13.6.16). Es muss also ziemlich unverschämt sein. Das Gesetz erlaubt es den Unternehmen, auf überschüssiges Eigenkapital einen hypothetischen Zins zu berechnen, welcher zum Steuerabzug berechtigt. Dabei wird argumentiert, dass die Bourgeois  dieses überdurchschnittliche Eigenkapital, welches ins eigene Unternehmen investiert wurde, ja auf dem Aktienmarkt zu einem höheren Profit anlegen könnte. Tatsächlich wird so belohnt, wer den Unternehmensgewinn nicht als solchen versteuert, sondern z. B. als Aktien im Unternehmen “versteckt” – ein Anreiz zum Steuerbetrug also.  Für dies darf dazu noch den erdachten Zins von den Steuern abziehen.

Das einzige Limit besagt, dass der kombinierte Steuerabzug aus diesen drei Werkzeugen 80% des Gesamtgewinnes nicht übersteigen darf. Das heisst, dass die Unternehmen auf mindestens 20% des Gewinns doch noch den neuen (verringerten) Steuersatz abliefern müssen. Bei 80% Steuerabzug und beispielsweise dem angezielten Steuersatz von Schaffhausen (12%) gäbe das noch einen Steuersatz von insgesamt 2.4%!

Allgemeine Gewinnsteuersenkung
Das erklärt Ziel dieser drei Werkzeuge ist, die Statusgesellschaften zum Verbleib in der Schweiz zu überzeugen. Da aber nicht ganz alle von den neuen Mechanismen profitieren, sollen auch die vereinheitlichten kantonalen Gewinnsteuersätze gesenkt werden.

Über 80% der Einnahmen der Gewinnsteuer der Kantone Waadt, Basel-Stadt und Zug kommen von Statusgesellschaften. Gleichzeitig haben die ersten beiden Kantone eine (relativ) hohe Gewinnsteuer für normale Unternehmen von ca. 22% . Im Waadtland wurde argumentiert, dass deshalb beim Ende der Sonderbesteuerung dringend die allgemeine Gewinnsteuer gesenkt werden muss. Gehen wir auf diesen Fall genauer ein.

Neben Eva Herzog (BS) muss auch noch ein weiterer SP-Politiker und ebenfalls Mitglied einer kantonalen Exekutive speziell erwähnt werden: Pierre-Yves Maillard. Maillard ist dem Kantönligeist völlig verfallen und verteidigt dadurch mit Klauen und Zähnen die Wettbewerbsfähigkeit „seines“ Kantons Waadt. Dies sei nur mit einer radikalen Gewinnsteuersenkung möglich. Deshalb peitschte er das kantonale Anwendungsgesetz  zur USR 3 noch vor (!) der Verabschiedung der nationalen Reform durch. Der Waadtländer Gewinnsteuersatz wurde von 22.2% auf 13% fast halbiert. Dieses wurde in einer Referendumsabstimmung dank der vollen Unterstützung der SP mit 87,1%  Ja-Stimmen zementiert. Die waadtländer Bourgeoisie liess sich diesen symbolträchtigen Entscheid etwas kosten und kaufte die SP mit kostspieligen sozialen Kompensationsmassnahmen – deren Zukunft alles andere als in Stein gemeisselt ist.

Dieses Resultat, für das Maillard die Hauptverantwortung trägt, wiegt schwer im nationalen Referendumskampf. Der neue Steuersatz dient als Richtwert für die ganze Schweiz. In Genf soll der Steuersatz aufs gleiche Niveau abgesenkt werden – sonst würden die Unternehmen einfach den Kanton wechseln.

Dieses Argument führt in den restlichen Kantonen zu allgemeinen Gewinnsteuersenkungen. Speziell in den Kantonen, deren Kapitalisten nicht von den Mechanismen der USR 3 profitieren ist das der Fall.  Die NZZ vergleicht dies gerne mit einer Schrottflinte – anstatt gewisse Unternehmen zu kompensieren kommt es dank interkantonalem Steuerwettbewerb zur schweizweiten Abwärtsspirale.  Dass dies jegliche logische Verbindung zur Abschaffung der Sonderbesteuerung verloren hat bezeugt das folgende Beispiel: Sogar der Kanton Bern hat ausgesagt, die Gewinnsteuern zu senken zu wollen. Doch in diesem Kanton war kein einziges sonderbesteuertes Unternehmen ansässig!  Hier sieht man das wahre Ziel der Reform: eine generelle Gewinnsteuersenkung. Die Argumentation des Abwanderns von Unternehmen ist hier völlig absurd.

Letzte Warnung
Niemand trauert der Sonderbesteuerung nach. Diese Art der Staatsfinanzierung, der imperialistischen Diebstahl von Steuersubstrat anderer Länder, kann für InternationalistInnen keine Option sein. Gleichzeitig bekämpfen wir auch die neuen Steuerprivilegien und -senkung.

Was bereits feststeht, ist, dass die Reform zu heftigen Steuerausfällen auf Kantons- und Gemeindeebene führen wird. Der Bundesrat rechnet mit einer Milliarde, der Lausanner Geschichtsprofessor Guex stützt sich auf aktuellere Zahlen der Kantone und geht von mindestens fünf Milliarden aus. Dies wird unweigerlich zu jahrelangen Sparprogrammen und verstärktem Sozialabbau führen.

Dass wir uns als JUSO konsequent gegen diese Reform stellen müssen, ist leicht verständlich. Doch diese Opposition darf den Gesamtkontext nicht aus den Augen verlieren. Innerhalb des kapitalistischen Systems gibt es keine Alternative zu weiteren Steuergeschenken an die Unternehmen oder der “Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftstandortes Schweiz”. Solche Pläne entsprechen den unumgänglichen materiellen Bedürfnissen der KapitalistInnen, innerhalb einer Weltwirtschaft im Zustand der globalen Überproduktionskrise. Der bürgerliche Staat muss für Konkurrenzfähigkeit sorgen. Die einzige Alternative ist die “Option Griechenland”. Der Kampf gegen die USR 3 ist also ein Kampf gegen das ganze System. Sonnst ist er im vornherein zu Scheitern verurteilt.