Die Krise des Kapitalismus hinterlässt im Bewusstsein vieler Menschen seine Spuren. Um
unser Wirtschaftssystem zu retten, müssen viele Abstriche machen bei ihrem Lebensstandard.
Die Corona Krise hat auch gezeigt, dass diejenigen mit niedrigen Löhnen die grössten
Einbussen haben, während die Spitzenverdiener sich auf unsere Kosten noch immer
bereichern.
Wir vom Funke sagen immer, dass sich unter der Oberfläche eine gewisse Wut bei
vielen Menschen anstaut. Die Krise des Kapitalismus führt zu einer immer grösser werdenden
Perspektivlosigkeit. Viele probieren vielleicht den Status quo schönzureden, vielleicht auch
einfach an Altbekanntem festzuhalten, weil es einfacher ist. Doch die sich verändernde Realität
beweist uns immer mehr, dass es kein Zurück zur alten Normalität gibt.
Ich arbeitete als Konstrukteur in einer Firma mit etwa 60 Mitarbeitenden. Da ich komplett die
Branche wechsle, wollte ich mit meiner Kündigung das aktuelle Stimmungsbild testen. Denn in
den fünf Jahren, seit welchen ich in dieser Firma arbeitete, verschlechterten sich die
Arbeitsbedingungen stetig. Das merkte ich auch an der immer grösser werdenden
Unzufriedenheit vieler Mitarbeitenden. Dementsprechend war auch die Fluktuation sehr hoch.
Durch den Aufkauf des Unternehmens durch einen grösseren amerikanischen Konzern wurde
dieser Prozess beschleunigt. Wie so üblich bei Grosskonzernen, die sich überall auf der Welt
einnisten, geht es ihnen vor allem darum, Know-How abzugreifen und dieses in Ländern mit
günstigeren Lohnkosten zu exportieren, um so den Profit zu optimieren.
Auch bei uns wurde immer mehr ausgelagert. Die Produktion ging nach Tschechien und ein Teil
der Entwicklung wurde sogar nach Indien verlagert. Der Aufwand für die Koordinierung wurde
immer grösser, doch man wollte natürlich auf keinen Fall neue Mitarbeitende in der Schweiz
einstellen. Im Gegenteil wurden wir immer weniger, denn Leute, welche die Firma verliessen,
wurden häufig einfach nicht ersetzt. Ihre Aufgaben wurden dann auf die bestehenden
Mitarbeitenden aufgeteilt, ohne dass sich gross am Lohn etwas änderte. Viele Mitarbeitende
suchten das Gespräch, um die Situation zu verbessern, doch darauf wurde nicht eingegangen
oder es wurde einfach schön geredet. Wir hatten auch Fälle von Burnout. Auch wenn das
offiziell nie kommuniziert wurde. Es wussten einfach alle, warum sie weg sind und auch, warum
das nicht aufgearbeitet wird. Die Stimmung wurde einfach immer mieser und gleichzeitig
verstärkte sich mein Drang, mit dieser Firma abzurechnen.
Auf den Tag meiner Kündigung bereitete ich ein Abschiedsmail vor, in dem ich die unhaltbaren
Bedingungen anprangerte. Ich versuchte es vor allem positiv zu formulieren im Sinne meiner
Mitarbeitenden. Ich appellierte an den Zusammenhalt, um gemeinsam Druck zu machen, wenn
es zum Beispiel um Lohnverhandlungen geht und ich stellte klar, dass sie es sind, welche den
wirklichen Wert erschaffen mit ihrer Arbeit und nicht das Management, welches einfach Arbeit
verteilt und teilweise nicht mal einen Plan hatte, was überhaupt getan werden müsste. Das Mail
versandte ich an den ganzen Standort, nachdem ich meine Kündigung abgegeben hatte. Die
Reaktionen kamen schnell zurück. Ich war verblüfft, wie fest meine Mitarbeitenden diese Aktion
feierten. Ich bekam praktisch nur positive Rückmeldungen – ausser vom Management natürlich.
Die Klassengegensätze traten in dieser Firma noch nie so klar hervor, wie an diesem Tag. Auch
wenn viele in der momentanen Situation nicht bereit waren sich wirklich aufzulehnen, zeigte es,
dass ihr angestauter Unmut mit der aktuellen Situation ihren Ausdruck sucht. Für das
Management musste es wie ein Worst-Case-Szenario sein. Innerhalb kürzester Zeit wurde ich
dann freigestellt. Das Risiko war zu hoch, mich noch bis zu meiner Kündigungsfrist weiter zu
beschäftigen.
Anonym
21.06.20
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