LehrerInnenalltag in Zeiten von Corona strotzt nur vor Widersprüchen: auf der einen Seite sollen wir sowohl auf unsere Gesundheit als auch die der Kinder achten, auf der anderen Seite weiterhin auf engstem Raum arbeiten – trotz grossen Risiken. Dass dies nicht gut kommt, ist allen Betroffenen klar.

Vor zwei Wochen informierte uns eine Mitarbeiterin, dass sie positiv auf den Corona-Virus getestet wurde. Zwei Tage vor dem Testergebnis war sie im Pausenraum mit ca. sechs anderen Personen. Unser Pausenraum ist etwa 15m2 gross und hat einen grossen Tisch in der Mitte. Es ist klar, dass alle anwesenden Lehrerinnen und Lehrer in der Nähe der positiv Getesteten standen, so auch ich. 

Grobe Fahrlässigkeit

Der Bund schreibt vor, dass alle, die länger als 15 Minuten mit weniger als 1.5 Meter Abstand mit einer positiv getesteten Person in Kontakt standen, in Quarantäne müssen. Die Krux an der Sache ist aber, dass ich (wie die meisten Anderen) nicht permanent 15 Minuten lang näher als 1.5 Meter neben ihr stand und somit diese Kriterien nicht erfüllte; mit dem Ergebnis, dass ich weder getestet wurde noch in die Quarantäne musste. Es scheint, als ob die Verantwortlichen (Bund, Kanton) alle Beispiele vergessen hätten, in denen es in geschlossenen Räumen Ansteckungen über Distanz gab.

Als ich meine Verunsicherung gegenüber dem Schulleiter äusserte, gab es keine Antwort darauf. Er sei kein Medizinmann und könne nur Beschlüsse der Behörden weiterleiten. Die verantwortlichen Behörden wissen vom Vorfall. Aber sie ignorieren ihn vollends. Und wie weiter für uns? Nur die positiv getestete Person musste schliesslich in Quarantäne. Für die anderen hiess es: Ganz normal weiterarbeiten.

Rubrik: Virus at Work

Wir veröffentlichen Berichte aus dem Alltagsleben der Lohnabhängigen, die trotz dem Coronavirus zur Arbeit gehen müssen – unabhängig davon, ob ihre Arbeit lebensnotwendig ist oder nicht. Dies soll aufzeigen, wie inkonsequent die Massnahmen des Bundes sind. Die Corona-Krise soll nicht auf den Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt werden!

Wir fordern, dass alle, die nicht-essentielle Arbeit machen müssen, zu Hause bleiben dürfen. Nur so kann die Pandemie eingedämmt werden. Leben vor Profite!

Wenn du auch deine Geschichte erzählen möchtest, meldet dich bei info@derfunke.ch. Es ist wichtig zu streuen, wie fahrlässig mit unserer Gesundheit umgegangen wird! Schreib uns, schick uns zwei oder drei Sätze, ausführliche Berichte, oder melde dich, wenn du dies persönlich besprechen willst!

Tatenlosigkeit der Behörden

Knapp eine Woche nach dem erwähnten Debakel erreichte mich schon die nächste Schreckensnachricht: Die Mutter eines Schülers meiner Klasse wurde positiv getestet. Sie arbeitet im Pflegebereich. Noch bevor das positive Testergebnis bekannt wurde, behielt sie aus Vorsicht ihren Sohn zu Hause.

Nun, wie damit umgehen? Das Kantonsarztamt (KAZA) sieht für solche Fälle vor, dass alle SchülerInnen mit «engem» Kontakt zum betroffenen Schüler oder der betroffenen Schülerin lediglich eine Hygienemaske im Unterricht tragen sollten. Ich trug das so der Klasse vor. Mir wurde richtigerweise von zehn- bis elf-jährigen Kindern mit der Frage entgegnet, was denn enger Kontakt heisse. Ist zusammen in der Pause Fussballspielen enger Kontakt? Zählt im Huckepack durch den Raum rennen zum engen Kontakt? Gewiss konnte ich keine zufriedenstellende Antwort geben, weil die Vorschrift der KAZA mit unbestimmten Grössen arbeitet. So beschlossen wir gemeinsam als Klasse, dass für die ganze Klasse Maskenpflicht gilt.

Am nächsten Tag kam aber eine neue Hiobsbotschaft: Es gilt keine Maskenpflicht für niemanden aus der Klasse, weil nur die Mutter positiv getestet wurde und nicht ihr Sohn. Das Problem hier ist so absurd, es dürfte nicht real sein: Das Kind musste gar nicht getestet werden! Wir stehen also vor der Tatsache, dass ein möglicherweise mit Corona angestecktes Kind ganz normal in die Schule ging und als das in Erfahrung gebracht wurde – nichts passierte!

LehrerInnen unter Beschuss

Meine Erfahrungen veranschaulichen zwei in sich verwobene Problematiken. Einerseits sind die bürokratischen Behörden träge. Und andererseits sind sie gebunden an die Interessen des menschenfeindlichen Profitsystems. Nur damit «die Wirtschaft», ergo die Kapitalisten ihre Profite weiterhin scheffeln können, sollen wir unter psychisch erschwerten sowie gesundheitlich gefährlichen Bedingungen weiterarbeiten. Denn damit die Eltern weiterhin auf ihren Arbeitsplätzen ausgebeutet werden können, müssen die obligatorischen Schulen offen bleiben. Wer schaut sonst zu den Kindern?

Statt einen richtigen Lockdown finanziert von den Reichsten durchzusetzen, sollen wir mit gängigen Hygiene- und Verhaltensregeln wie regelmässigem Händewaschen sowie Nutzung von Desinfektionsmitteln der Verbreitung des Virus entgegenwirken. Diese Massnahmen sind selbstverständlich sinnvoll und werden von uns sehr gewissenhaft befolgt. Doch damit müssen wir versuchen, mit einer Fliegenklatsche einen Elefanten zu erschlagen! Das ist uns allen bewusst.

Doch leider ist niemand da, um diese Missstände anzuprangern und die Unzufriedenheit des Kollegiums in kämpferische Bahnen zu leiten. Weder die Führungen unserer Gewerkschaften noch der etablierten Parteien geben uns eine Stimme. Es ist Zeit, uns eine eigene zu verschaffen.

Zum Schutz der Autoren werden die Berichte anonymisiert. 

#VirusAtWork

#WirWollnNachHauseGehn

Bild: der Funke