Das Coronavirus hat zurzeit massive Auswirkungen auf unseren (Berufs-)Alltag. Am 16. März hat der Bundesrat die Situation gemäss Epidemiegesetz als eine «ausserordentliche Lage» eingestuft. Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe werden (mindestens) bis am 19. April 2020 geschlossen.
Ich mache aktuell die Ausbildung zum Detailhandelsfachman EFZ in einem Gartencenter und bin in einer grossen Baumarktkette angestellt. Die neuen Entscheidungen vom Bundesrat haben verheerende Auswirkungen auf unsere Geschäfte und für unser Personal. Zuerst kam die Weisung, die Mitarbeitenden müssen in ihrer Filiale bleiben und schauen, dass der Laden sauber und ordentlich ist. Der Laden solle schöner gemacht werden, damit der Kunde nachher noch mehr Freude beim Einkaufen habe. Man solle auf sich aufpassen und im Sinne des Unternehmens denken. Wie kann man auf sich in einem geschlossenen Gebäude mit mehr als 20 Mitarbeitenden vor einer Ansteckung schützen? Es ändert sich auch nichts am Umsatz, ob die Mitarbeitenden zuhause sind oder bei der Arbeit sind. Die Kunden können ohnehin nichts kaufen.
Wir veröffentlichen Berichte aus dem Alltagsleben der Lohnabhängigen, die trotz dem Coronavirus zur Arbeit gehen müssen – unabhängig davon, ob ihre Arbeit lebensnotwendig ist oder nicht. Dies soll aufzeigen, wie inkonsequent die Massnahmen des Bundes sind. Die Corona-Krise soll nicht auf den Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt werden!
Wir fordern, dass alle, die nicht-essentielle Arbeit machen müssen, zu Hause bleiben dürfen. Nur so kann die Pandemie eingedämmt werden. Leben vor Profite!
Wenn du auch deine Geschichte erzählen möchtest, meldet dich bei info@derfunke.ch. Es ist wichtig zu streuen, wie fahrlässig mit unserer Gesundheit umgegangen wird! Schreib uns, schick uns zwei oder drei Sätze, ausführliche Berichte, oder melde dich, wenn du dies persönlich besprechen willst!
Nicht einmal eine Woche hat es gedauert und dann kam die nächste Weisung. Die Mitarbeitenden der Baumarktfilialen wurden in verschiedene Lebensmittelfilialen geschickt, meistens für die «Drecksarbeit» in den jeweiligen Filialen. Die klassische «Drecksarbeit» in der Corona-Situation ist das Kontrollieren der Eingänge, um zu verhindern, dass nicht zu viele Leute in den Laden kommen. Diese Arbeit bedeutet, mehrere Stunden am Stück an einem Ort zu stehen und zu versuchen, nicht komplett am Rad zu drehen. Die Geschäfte setzen gerne die Lehrlinge für diese Arbeit ein, da sie die «billigsten» Arbeitskräfte seien. Auch ich musste diese Arbeit in einer Lebensmittelfiliale machen. Ich musste fast einen ganzen Tag draussen stehen und diese Arbeit machen. Immer wieder fragte ich andere Mitarbeiter*innen, ob sie mich ablösen könnten. Ihre Antworten wirkten ziemlich frustriert und teils auch sehr geschmacklos. Ich musste auch schon hören, wie mir eine Mitarbeiterin sagte, sie sei schlichtweg zu teuer für diese Arbeit. Ein anderer Lehrling sagte mir: «Eigentlich sind die Mitarbeitenden nette Leute, aber wenn es drauf ankommt, Drecksarbeiten für andere Leute zu erledigen, dann können sie auch ganz anders». Als dieser Lehrling auch im Geschäft war, durfte ich mit ihm den Dienst als «Eingangskontrolleur» teilen. Wenn der eine nicht draussen am Kontrollieren war, durfte er die Kasse bedienen: Ein dringend notwendiger Job im Detailhandel, vor allem in diesen Tagen des Coronavirus. Da kommt es nicht weit, dass man die Lehrlinge dafür einsetzt, um so damit Geld sparen zu können. Schliesslich sind die meisten Kassierer*innen im Stundenlohn angestellt, müssen nun auf Abruf zu Hause bleiben und bekommen ihren Durchschnittslohn vom Vorjahr.
Dass Lehrlinge als Vollzeitkräfte im Geschäft eingesetzt werden, ist in der Detailhandelsbranche nichts neues. Es kommt in dieser Zeit des Coronavirus einfach extremer zum Vorschein als sonst. Im Detailhandel wird so schnell vergessen, dass ein Lehrling ein Lernender sein sollte und nicht die billigste Arbeitskraft, um Stundenlöhner für das Einsparen von Personalkosten nach Hause schicken zu können. Es soll wohl in der aktuellen Wirtschaftskrise alles Mögliche getan werden, um so viel wie möglich sparen und mit der Konkurrenz mithalten zu können, ob es fair ist oder nicht.
Zum Schutz der Autoren werden die Berichte anonymisiert.
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