Drei Grossverlage haben immer mehr Anteile eines Markts, in dem sie längerfristig keine Zukunft haben. Der (Stellen-)Abbau ist lanciert und hat erste Streikbewegungen provoziert. Warum diese gescheitert sind und was der Weg vorwärts sein muss.
«Es wird blutig werden», sagt Ringier-CEO Marc Walder zu den Aussichten der Schweizer Medienlandschaft vor rund einem Jahr im «Handelsblatt». Erste Blutspritzer gibt’s diesen Sommer: Hauptkonkurrent Tamedia setzt rund 40 MitarbeiterInnen seiner Zeitung «Le Matin» direkt auf die Strasse und – als Preis-drückender Hauptkunde – rund 40 weitere der Nachrichtenagentur sda indirekt. Derweil verkündet Ringier selbst die Schliessung seiner Druckerei per Ende Jahr, womit 172 weiteren Angestellten die Arbeitslosigkeit droht. Wenige Medienhäuser werden immer grösser und mächtiger – ihre Devise ist eindeutig: Aufkauf von kleineren Zeitungen, Konzentration der Redaktionen und Abbau der nicht profitablen Bereiche. «Die schwierigsten Jahre stehen noch bevor», sagt Walder nüchtern und sorgt damit für Panik bei den parteiübergreifenden VerteidigerInnen der Pressevielfalt.
Die Ware «Aufmerksamkeit»
In der Schweizer Journalismus-Branche gibt’s eine krasse Konzentration, keine Frage: Heute nehmen die drei grössten Medienhäuser rund 80 Prozent des Markts ein. Dies ist jedoch keine bedauernswerte Abnormalität, sondern eine dem Kapitalismus inhärente, mit rasanter Produktivitätssteigerung einhergehende Entwicklung: damals hundert verschiedene Lokalblätter im Bleisatz, heute Welt-News per Mausklick.
Doch die Produktion und der Verkauf von Artikeln spielt bei der Entwicklung der Journalismus-Branche nur eine indirekte Rolle, denn Geld machen lässt sich hauptsächlich mit der Werbung. Grossunternehmen platzieren diese dort, wo sie möglichst viele potentielle «KonsumentInnen» für ihre Produkte erreichen können. Sie kaufen den Medienanbietern also die Aufmerksamkeit der LeserInnen ab – die zentrale, weil gewinnbringende Ware. So verkommen die ursprünglichen Parteiblätter ab 1960 zunehmend zu profitablen, in Konkurrenz zueinander stehenden Werbeplattformen. Dabei revolutionieren sie die Informationsverbreitung ständig und treiben gleichzeitig die Marktkonzentration voran: Wer ein grösseres Publikum erreicht, erzielt potentiell höhere Werbeeinnahmen, wodurch mehr Investitionen in neue Technologien und damit wiederum eine grössere Reichweite erzielt werden kann.
Facebook und Google: die Abräumer
Das Resultat dieser Entwicklung: Die Anzahl Zeitungstitel hat sich seit 1960 schweizweit halbiert, Print ist bald ganz gestorben und auch Online läuft für die Medienkonzerne als vermeintliches Zukunftsmodell bereits wieder aus. Denn die jährlichen Online-Einnahmen (4 Mio. Franken, 2016) können die Print-Ausfälle (92. Mio. Franken, 2016) nicht ansatzweise kompensieren. Dies weil sich mit dem Internet die Marktkonzentration der News-Plattformen stark globalisiert hat und Facebook sowie Google dank ihrer Überlegenheit im Sammeln von Nutzerdaten eine unantastbare Reichweite erzielen. Heute landen weltweit bereits 75 Prozent der Werbeeinnahmen in den Taschen der beiden Tech-Giganten.
Deren Dominanz fordert Opfer: Seit der Jahrtausendwende und vor allem seit der Krise 2008 gehen über 40 Prozent der hiesigen Medienunternehmen ein. Und die verbleibenden stehen in einer ungesunden Abhängigkeit zu Facebook und Google: Sie müssen ihre Inhalte möglichst prominent auf den beiden Plattformen platzieren, um überhaupt Werbeeinnahmen erzielen zu können. Doch genau dadurch stärken sie den Einfluss ihrer eigenen Totengräber.
Wenn FDPler «mitstreiken» …
Tamedia und Ringier haben die aussichtslose Situation der Medienbranche längst erkannt und setzen auf andere, profitablere Bereiche wie E-Commerce oder Ticketing. Als konkurrierende Grosskonzerne kann für sie nur der Profit zählen; die dafür geopferten Inhalte müssen ihnen egal sein. Will heissen: Die gestrichenen Stellen sind nur ein Vorgeschmack, der Arbeitskampf ist von oben lanciert.
Das Nichterkennen dieser Wahrheit wird dem Widerstand von unten bislang zum Verhängnis. Sowohl der sda- als auch der partielle Tamedia-Streik versanden in der Illusion, Grosskonzerne am Verhandlungstisch oder den Bundesrat über parlamentarische Vorstösse zur «Einsicht» bringen zu können. In die Bewegungen reingetragen wird dieses Märchen mitunter von bürgerlicher Seite, der das drohende Verschwinden der traditionellen Medien als wichtige ideologische Kapitalismus-Stützen tatsächlich ein Dorn im Auge ist. So ergibt sich das ungewohnte Bild, dass sich auch CVP- und FDP-PolitikerInnen als «Retter der Medienvielfalt» an die Arbeitenden wenden. Als Vertretung jenes Systems, das den Stellenabbau überhaupt erst notwendig macht, haben sie den Streikenden jedoch nichts zu bieten.
Leere Worte der Linken
Die Bühne wäre also frei für die SP. Sie müsste sich konsequent auf die Seite der Medienschaffenden stellen, deren Befriedigung des Grundbedürfnisses nach einem Job zunehmend durch den Profitzwang von Tamedia und Co untergraben wird. Anstatt vom tatsächlichen Klassenkampf auszugehen, kopieren die SP-VertreterInnen die bürgerlichen Illusionen eines Kompromisses im Interesse aller Beteiligten («es braucht ernsthafte Diskussionen zwischen Verlegern und Bund», Aebischer). Auch für die Gewerkschaft Syndicom sind die Streiks nicht mehr als ein «starkes Signal». An die Millionengewinne einheimsenden Konzerne stellt sie leere Forderungen («Lösungen»); von den lohnabhängigen LeserInnen hingegen erwartet sie, mehr für «gute Artikel» zu bezahlen.
Weil auch die Linke gegen die Interessen der Arbeitenden arbeitet, erstaunen die Resultate nicht: Bei beiden Streiks willigen die Konzernbosse nach mehreren Tagen geschickt den geforderten Verhandlungen ein, nur um sie wenig später – bei abgeflauter Kampfmoral – für beendet zu erklären. Die staatlichen «Mediatoren» (Seco und zwei Kantone) unternehmen nichts. Keine einzige Stelle wird gerettet.
Der revolutionäre Weg vorwärts
Unter der Dominanz der Giganten Tamedia und Co. hat der Journalismus keine Zukunft. Die Medienschaffenden stehen im zunehmend von wenigen Konzernen geplanten Produktionsprozess in einer immer grösseren Abhängigkeit zueinander. Daraus resultieren ähnliche Erfahrungen am Arbeitsplatz geprägt von Druck und Unsicherheit, in denen das Verbindungs-Potential der bevorstehenden Kämpfe steckt. Dieses ist bei den bisherigen Streiks und Demos in Form grosser Soli-Bekundungen bereits ersichtlich. Klar ist: Der Weg aus der Medienkrise kann nur darin liegen, dass die Arbeitenden den Laden selbst in die Hand nehmen. Tun sie das, müssen sie auch selbst entscheiden, welche Inhalte sie produzieren und somit einen eigenen politischen Standpunkt entwickeln. Dies geht den Bürgerlichen doppelt gegen den Strich: Sie verlieren an ideologischer Kontrolle über die in der Meinungsbildung zentralen Medien, die Kämpfenden gewinnen an Bewusstsein und Reichweite. Hier muss die Linke mit den entscheidenden Schlagwörtern anknüpfen: Enteignung und ArbeiterInnenkontrolle. Denn nur was man besitzt, kann man auch kontrollieren. Statt Illusionen ins überholte, bürgerliche Modell der Pressevielfalt zu schüren, muss sie das Modell der Zukunft aufzeigen: eine Presse von den Arbeitenden, für die Arbeitenden.
Dario Dietsche
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