Nach sieben Monaten Genozid in Palästina haben die Studenten den Kampf in die eigenen Hände genommen: Inspiriert von den Studenten aus den USA haben tausende Jugendliche in der Schweiz in den letzten Wochen insgesamt sieben Universitäten besetzt.
Die Uni-Leitungen antworteten mit Verleumdungen, Drohungen und direkter Polizeigewalt. Alle Besetzungen wurden polizeilich geräumt und endeten vorerst in Niederlagen. Dies entblösst diese Institutionen als Komplizen im Genozid. Aber es zeigt auch die aktuellen Schwächen der Bewegung.
Doch der Kampfeswille ist ungebrochen. An den Unis, den Gymnasien und Hochschulen rumort es weiter. Alle, die kämpfen wollen, müssen jetzt die Lektionen aus den letzten Wochen ziehen.
Die wichtigste Lektion ist, dass wir Klarheit brauchen über unsere Ziele und insbesondere über die Mittel, diese Ziele zu erreichen.
Das grosse Ziel der internationalen Studentenbewegung ist es, den Genozid zu stoppen.
Die Vertreibung von Hunderttausenden Palästinensern durch den israelischen Staat ist in vollem Gang – mit der ganzen Unterstützung des westlichen Imperialismus, inklusive der Schweiz.
Jegliche moralischen Appelle an die Imperialisten stossen natürlicherweise auf taube Ohren. Es ist offensichtlich, dass Imperialisten nicht Krieg führen für irgendwelche Ideale von «Demokratie» oder «Selbstverteidigung», sondern für Geld und Macht. Sie verteidigen ihre Interessen und haben ausreichend bewiesen, dass sie dafür auch über Zehntausende Leichen gehen.
Daraus müssen alle, die sich gegen den Genozid stellen, konsequente Schlussfolgerungen ziehen: Um diese völkermörderischen Herrschenden in die Knie zu zwingen, braucht es eine revolutionäre Massenbewegung. Nur mit Massenaktionen, Massenbesetzungen und Streiks können wir den Genozid stoppen. Es braucht eine weltweite Intifada!
Eine Unibesetzung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel im Kampf gegen den Genozid. Die Jugend ist die Speerspitze. Sie hat die Aufgabe, diesen Kampf ausgehend von den Unis und Schulen zu organisieren und auszuweiten.
Studenten allein haben nicht die Macht, die Pläne der herrschenden Klasse zu vereiteln. Daher muss sich die Studentenbewegung mit breiteren Schichten von Arbeitern verbinden und diese einbeziehen.
Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der Studenten, eine landesweite Jugendbewegung aufzubauen, die auf die Arbeiterklasse übergreift. Die Geschichte zeigt, dass dies komplett möglich ist. Der Mai 68 in Frankreich begann als Studentenbewegung an der Sorbonne Universität und wurde mit der Peitsche der Polizeigewalt zu einer landesweiten Massenbewegung, die die Arbeiterklasse ergriff. 10 Millionen Arbeiter brachten mit einem Generalstreik die Gesellschaft zum Stillstand und die Regierung De Gaulle an den Abgrund.
Nur eine mächtige Massenbewegung der Jugend und Arbeiterklasse kann die Imperialisten und als Teil davon den Schweizer Imperialismus in die Knie zwingen.
Es ist offensichtlich, dass eine solche Massenbewegung aktuell nicht unmittelbar auf der Tagesordnung steht. Aber die Vorbereitung darauf ist heute eine absolute Notwendigkeit. Dafür müssen die Lehren aus den vergangenen Wochen gezogen werden.
Die erste grosse Lehre ist: Auf welcher Seite im Genozid stehen die Uni-Rektorate? Die letzten drei Wochen haben diese Frage endgültig beantwortet.
Während Rafah vom israelischen Militär in Schutt und Asche gelegt wird, während die Studenten friedliche Protestcamps gegen diesen Genozid organisieren – was machen die Uni-Rektorate? Zuerst werden die Studenten als «Antisemiten» (Uni Basel, NZZ und viele weitere) verleumdet. Dann drohen die Universitäten mit Anzeigen, Verhaftungen und Exmatrikulation (Uni Genf, Basel, Bern, Zürich und einige weitere). Als die Studenten nicht nachgeben, hetzen die Rektorate die Polizei auf die Bewegung. Demokratische Grundrechte werden kurzerhand ausgehebelt. Massive Polizeiaufgebote stürmen die friedlichen Camps (in Genf, Bern, Zürich). In Basel wurden zwei Dutzend Personen die friedlich die Besetzung unterstützten von zwei Dutzend Kastenwagen, hunderte Polizisten mit Hunde und Gewehren gewaltsam geräumt.
Studenten protestieren gegen einen Genozid, die Uni-Rektorate lassen sie durch rohe Polizeigewalt räumen. Das ist das wahre Gesicht dieser «neutralen» Schweizer Uni-Rektorate.
Diese massive Repression ist nur die logische Fortsetzung der Uni-Politik der letzten sieben Monate. Alle Universitäten haben den Genozid am palästinensischen Volk totgeschwiegen. Zionistische Professoren konnten offen die israelische Kriegsführung und damit den Genozid verteidigen. Gleichzeitig wurden Veranstaltungen in Solidarität mit Palästina verboten und sogar ganze Studierenden-Vereine verboten.
Der Kontrast zum Auftritt der Universitäten im Ukraine-Krieg könnte nicht grösser sein. Damals wehte die ukrainische Flagge über allen Unis. Die Erklärung für diese offensichtliche Heuchelei ist einfach: Der westliche Imperialismus verteidigt die Seite der NATO-Kriegstreiber in der Ukraine genauso wie die israelischen Kriegstreiber in Gaza.
Die Universitäten handelten – wie immer – in totalem Einklang mit der Schweizer Regierung, die über Monate jegliche Palästina-Solidarität mit Demoverboten, Hetze und Repression beantwortete.
Der Schweizer Imperialismus steht als Verbündeter der USA völlig im Dienst von Israels Kriegspropaganda. Bundesrat Cassis sagte im Oktober: «Jetzt ist nicht die Zeit der Schweizer Guten Dienste, jetzt ist die Zeit des Kriegs.» In Zeiten von tiefer kapitalistischer Krise und imperialistischer Kriege wird die «Schweizer Neutralität» als Farce entlarvt. Die Schweizer herrschende Klasse steht vollständig auf der Seite des israelischen Imperialismus.
Die Schweizer Kommunisten haben bereits im Oktober erklärt: Der Bundesrat, das Parlament, die Medien, die Polizei – «sie haben alle mitgeholfen, in der öffentlichen Meinung das Klima zu schaffen, in dem der israelische Staat zur Tat schreiten konnte und das palästinensische Volk vertreibt und auszulöschen droht.»
Die Uni-Rektorate sind gänzlich Teil der Politik der herrschenden Klasse. Auch öffentliche Universitäten sind nicht neutral. Sie sind staatliche Institutionen und haben damit die Aufgabe, den Status quo zu verteidigen. Die Rolle der Universitäten ist die Produktion von Ideen – den Ideen der herrschenden Klasse. Dies ist immer der Fall, doch in Palästina wird nun die ganze Grausamkeit davon entblösst.
Daraus müssen die kämpfenden Studenten und Arbeiter klare Konsequenzen ziehen: Im Kampf gegen den Genozid können wir keinerlei Vertrauen in die Uni-Rektorate sowie den Staat haben! Wir richten keine Appelle an sie, wir kämpfen nicht mit ihnen – sondern gegen sie!
Welche Forderungen müssen wir also aufstellen und an wen richten wir sie?
Den Genozid stoppen heisst, die israelische Kriegsmaschinerie und die Kriegspropaganda der Herrschenden zu stoppen.
Die Schweizer Universitäten haben direkte Verknüpfungen zur israelischen Kriegsindustrie. Die ETH Zürich beispielsweise arbeitet mit Google zusammen im Projekt Nimbus – die Schweizer Uni hilft also direkt dabei, KI-Technologie für die israelische Armee bereitzustellen.
Zudem gibt es enge personelle Verstrickungen. Als Beispiel: Der Ehemann der Genfer Uni-Rektorin Audrey Leuba sitzt im Verwaltungsrat von «Pratt & Whitney Aero Engines International», einer US-Firma, die Israel mit Kampfflugzeugteile beliefert.
Alle Schweizer Unis werden zu einem beträchtlichen Teil von Kapitalisten finanziert. So wird die Uni Bern beispielsweise zu einem Drittel von «Privaten» finanziert, die Uni Basel erhält grosses Geld von der Pharma. Diese Grosskapitalisten haben direkte Profitinteressen mit Israel.
Deshalb müssen wir an den Universitäten fordern, die Verbindungen zur israelischen Kriegsmaschinerie offenzulegen und zu stoppen.
In den Uni-Besetzungen in der Schweiz zirkuliert die Forderung nach einem «akademischen Boykott». Dies ist eine falsche Forderung, welche die Bewegung in die Sackgasse führt. Unsere Feinde sind nicht pauschal alle israelischen Studenten und Professoren. Wir kämpfen gegen den israelischen Imperialismus – das bedeutet in der Schweiz gegen jene, die ihn unterstützen.
Deshalb müssen unsere Forderungen lauten:
Die Schweizer Universitäten sind ein zentraler Pfeiler in der ideologischen Verteidigung des Genozids. Die Uni-Rektorate und die Regierungen sind Feinde der Arbeiterklasse und der Studierenden. Von ihnen fordern und erwarten wir gar nichts.
Wir wollen Universitäten, die für wissenschaftliche Bildung statt für Bomben und politische Repression stehen. Die Uni-Rektorate haben ihre Legitimität zur Leitung der Unis verloren. Wir müssen mit einer Massenbewegung für die Absetzung dieser Rektorate und die Kontrolle über die Universitäten kämpfen.
Nur wenn wir Studenten und Arbeiter die demokratische Kontrolle über die Universität übernehmen, können wir den Imperialismus aus der Bildung kicken! Wir können sofort alle Geschäftsbücher öffentlich machen und alle Verbindungen mit der israelischen Kriegsmaschinerie aufdecken und stoppen! Wir können von der Uni aus die Wahrheit über den Genozid verbreiten!
Als Massenaktion kann die Besetzung und insbesondere die demokratische Kontrolle der Studenten und Angestellten über die Uni ein mächtiger Schritt hin zur Ausweitung der Bewegung sein. Von einem Hort der Reaktion, wo ein Genozid verteidigt wird, kann die Universität zu einer Bastion im Klassenkampf werden.
Was sind nun die nächsten Schritte im Kampf? Wir müssen vor allem erkennen, dass die Macht der Besetzung in ihrem Massencharakter liegt. Das ist die entscheidende praktische Lektion der letzten drei Wochen an allen Unis.
Die Unis in Lausanne, Genf und Basel konnten nur über mehrere Tage besetzt werden, weil Hunderte in diesen Kampf gezogen wurden. Alle anderen Versuche (in Zürich gab es bisher drei Besetzungsversuche) endeten nach wenigen Stunden durch Polizeiräumungen.
Die Grösse und Ausweitung der Bewegung ist nicht nur das grösste Druckmittel, es ist auch der einzige Schutz vor Repression. Oder wie es die kommunistischen Studenten an der Vollversammlung in Genf sagten: «Die Ausweitung unseres Kampfes entscheidet über Leben und Tod der Bewegung!»
Die Ausweitung muss die oberste Priorität der Bewegung sein. Aus dieser Aufgabe ergeben sich die notwendigen Methoden Organisationsformen im Kampf.
Alle Organisationsformen, die die Bewegung unpolitisch und klein halten, sind schädlich und führen in die Niederlage. Wenn in Versammlungen nicht diskutiert wird, wer unsere Gegner (Rektorate und der Staat) und wer unsere Verbündeten (Studenten und Arbeiter) sind, dann können die Aktivisten nicht gemeinsam kämpfen. Wenn keine demokratischen Beschlüsse gefasst werden, dann kann sich die Bewegung nicht ausweiten.
Tausende von Jugendlichen wollen heute in der Schweiz gegen den Genozid kämpfen! Damit sie das können, müssen wir an allen Schulen und Universitäten Vollversammlungen organisieren. Diese Versammlungen müssen die Lehren aus den ersten Uni-Besetzungen ziehen und Klarheit schaffen: Erstens, was sind die Ziele und die Forderungen der Bewegung? Zweitens, was sind die nächsten praktischen Schritte in diesem Kampf?
Dafür braucht es offene Diskussionen, wo jeder seine Argumente einbringen kann. Danach wird per Mehrheitsbeschluss ein gemeinsames Vorgehen beschlossen und eine Führung gewählt, die die Umsetzung anleitet.
Das sind die Grundprinzipien des kollektiven Kampfes. Die Vollversammlungen müssen die Argumente und den Plan geben, damit jeder Einzelne mithelfen kann, die Bewegung auszuweiten.
Das Potenzial für die Ausbreitung der Bewegung ist riesig: Tausende Studenten fragen sich nach den ersten Besetzungen, wie sie nun den Kampf gegen den Genozid tatsächlich vorwärts bringen können. An verschiedenen Fachhochschulen (Nordwestschweiz, Romandie, Kanton Bern) finden erste Treffen statt. In zahlreichen Gymnasien (z.B. in Genf, Basel, Bern, Biel) beginnen die Schüler sich zu organisieren.
Neben den Studenten und Schülern zeigt sich auch klar das Potenzial, den Kampf auf die Uni-Arbeiter auszuweiten. An der Uni Basel, der ETH und der Uni Genf haben Hunderte Uni-Angestellte Solidaritätsbriefe unterzeichnet. In Genf organisierte die Gewerkschaft Vpod nach der Polizeiräumung eine Versammlung, wo Dutzende Fakultätsangestellte gegen die Repression des Unirektorats protestierten und den Studenten ihre volle Unterstützung bei einer Wiederbesetzung der Uni aussprachen.
Auch die Ausweitung von der Uni auf die Arbeiterklasse ist komplett möglich. Die Spontandemos in mehreren Städten zeigten die breite Solidarität in der Bevölkerung für den Kampf gegen den Genozid. Als die Genfer Studenten auf die Strasse gingen, sprachen beispielsweise die TPG-Busfahrer ihnen volle Solidarität aus und forderten sie auf, ihre Busse zu blockieren.
Viele Arbeiter stellen sich instinktiv auf die Seite der Unterdrückten. Sie haben den gleichen Klassenfeind. Dieselbe Genfer Regierung, die den Studenten die Polizei auf den Hals jagt, führt harte Sparmassnahmen im öffentlichen Sektors durch. Das gleiche gilt in der ganzen Schweiz.
Die Offensive in Rafah beweist nochmals deutlich, dass Netanjahus Regime auf die Vernichtung des palästinensischen Volkes aus ist. Hunderttausende von Jugendlichen ziehen weltweit revolutionäre Schlussfolgerungen: Wir müssen den Kampf gegen den Imperialismus in unsere Hände nehmen!
Das alleine reicht aber nicht: Um den Kampf ernsthaft zu führen, braucht es politische Klarheit über den Imperialismus, den Klassencharakter des Staates, über die besten Lehren aus der Geschichte und der Aktualität sowie einen klaren Plan, wie die Bewegung vorwärts schreiten kann. Diese Klarheit fällt nicht vom Himmel, sondern muss von klassenbewussten Kämpfern in die Bewegung getragen werden. Kurz: Es braucht ausgebildete Kommunisten.
Wir Kommunisten sind weltweit aktiver Teil der Palästina-Bewegung und der Encampments. In den USA verteidigen die Communists of America die Klassenperspektive, dass die Studenten und Arbeiter nur auf ihre eigenen Kräfte vertrauen, selbst demokratische Organe schaffen, die Uni-Verwaltung ersetzen und den Kampf in die eigenen Hände nehmen!
Um diese Klassenperspektive und Methoden systematisch in die Kämpfe zu tragen gründen wir die Revolutionäre Kommunistische Internationale! Diese Weltpartei soll zum Werkzeug einer neuen Generation von Kommunisten werden, die sich für den Klassenkrieg organisiert und ausbildet.
Wenn du zustimmst, dass dieses Programm und Klassenkampfmethoden notwendig sind, dann kannst du sofort aktiv dafür kämpfen:
– Diskutier dieses Statement mit allen, die gegen Genozid und für Intifada kämpfen wollen! Wie könnt ihr den Kampf an eurer Schule, Uni, Betrieb aufnehmen?
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