Als ich mir nach den ersten Semestern meines Studiums eingestehen musste, dass ich wohl oder übel nicht daran vorbeikomme, mir eine Arbeitsstelle zu suchen, da hätte ich niemals erwartet, mich einige Monate später wöchentlich auf Baustellen oder in einer Werkstatt wiederzufinden. Nicht nur hatte ich grossen Respekt vor der harten körperlichen Arbeit und den nicht gerade ungefährlichen Maschinen, sondern auch schlichtweg wenig für das Schreinern und Bauen an sich übrig.

Als mir mein Vater dann vorschlug, ihm als Hilfskraft zur Hand zu gehen, änderte sich meine Perspektive auf das Ganze bereits nach kurzer Zeit, da ich angesichts des ersten eigenhändig verlegten Bodens oder auch des ersten geschreinerten Tisches ehrlich gesagt schon ganz schön stolz war. Ausserdem fand ich Gefallen an der abwechslungsreichen Vielfalt des Berufes, was nicht nur an den zahlreichen unterschiedlichen Aufträgen liegt, sondern auch am Arbeiten mit verschiedenen Materialien. So fertige ich mit meinem Vater beispielsweise Böden, Türen oder Möbel aus Massivholz an, während wir aber zum Verputzen auch oft mit Lehm arbeiteten. Daher kommt es auch, dass jeder Arbeitstag ein bisschen unterschiedlich verläuft, was aber auch immer wieder mal an der Organisation auf der Baustelle liegen kann. Prinzipiell beginnt mein durchschnittlicher Arbeitstag um 8 Uhr und endet meistens erst dann, wenn die Arbeit erledigt ist. Somit kann es zwar durchaus sein, dass ich ab und zu bereits um 4 Uhr den Feierabend geniessen kann. Andererseits ist es aber auch gut möglich, dass manchmal bis 7 oder 8 Uhr durchgeackert werden muss.

Aufgrund der gut funktionierenden Zusammenarbeit vereinbarte ich mit meinem Vater bald einen festen Arbeitstag pro Woche und stimmte auch zu, bei Gelegenheit noch öfters mit anzupacken. Dabei kam es mir auf jeden Fall zugute, dass sich mein Vater seit Langem selbstständig gemacht hatte und sich somit an einigen Stellen mehr Zeit für meine praktische Ausbildung und das Erklären von Arbeitsschritten nehmen konnte, als es in einem grösseren Betrieb der Fall gewesen wäre. 

Mit dem zunehmenden Verständnis für meine Tätigkeit und der damit verbundenen wachsenden Selbstständigkeit eröffnete sich mir eine völlig neue Sichtweise auf das Schreinern. Fortan orientierte ich mich nicht mehr nur an Anweisungen und führte diese, ohne mich nach deren Sinn zu fragen, aus, sondern begann zu verstehen, welche Verfahren in welchem Fall die kleinsten Umstände bereiteten und auf was zu achten ist, um schlussendlich das gewünschte Ziel zu erreichen. Kurz gesagt: ich erlernte das praktische Denken und bekam allmählich ein Gefühl für meine Fähigkeiten, was wiederum mein Selbstbewusstsein förderte. 

So sehr ich den Schreinerberuf und das Arbeiten mit Holz auch lieben und schätzen gelernt habe, so gibt es doch noch einige Störfaktoren, welche den Alltag im Arbeitsfeld unnötigerweise verkomplizieren können. Dies beginnt bei dem durch das Konkurrenzprinzip verursachten Druck und geht über schwankende Holzpreise sowie verständnis- und respektlose Kunden bis hin zu Problemen mit den Maschinen und der Beschaffung von benötigten Ersatzteilen. Ausserdem wird es Schreinern mit einem Anspruch an nachhaltige Produkte und regionales Holz durch die ausbeuterischen und rücksichtslosen Grosskonzerne zunehmend erschwert, an diese heranzukommen, wenn nicht schon die Preise aufgrund des Markts und den Interessen der Kapitalisten unermessliche Höhen angenommen haben. 

Betrachtet man nun diese Probleme mit der Perspektive des Marxismus, so wird auf ein Neues ersichtlich, dass die Wurzeln dieser Umstände auf die Natur des Kapitalismus an sich zurückzuführen sind. Nicht nur der auf Konkurrenzwirtschaft basierende Druck und die damit verbundenen Ängste sowie leidende Qualität der Produkte könnte durch eine geplante Wirtschaft und Arbeiterkontrolle massiv bis vollkommen reduziert werden, sondern auch der umweltschädliche Umgang mit unseren Ressourcen, was eine dringende Notwendigkeit darstellt. 

Abschliessend kann hier gesagt werden, dass sich diese Probleme keineswegs auf die Baubranche beschränken und in gewisser Form auch viele weitere Arbeitsfelder betreffen, was uns schlussendlich immer wieder zurück zu der Frage führt, ob der Kapitalismus nicht schon längst ausgedient hat. 

Neben meinem Studium und meiner Tätigkeit als Schreiner beschäftige ich mich nun seit geraumer Zeit mit der marxistischen Theorie, welcher ich es auch zu verdanken habe, dass ich diese Frage für mich mit absoluter Sicherheit beantworten kann. Der Kapitalismus mit seiner Profitgier, der dadurch verursachten Überproduktion und der Ausbeutung der Arbeiter ist am Ende!

Anonym, 04.12.2021





Bildquelle: YangTS, not altered

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