Mit einem allgemeinen Preisanstieg von nur 1,1 % im Jahr 2024 ist die Inflation vorbei, verkündet das Bundesamt für Statistik! Dennoch wundern sich die bürgerlichen Zeitungen: Die Schweizer «spüren» immer noch einen Rückgang ihrer Kaufkraft und geben weniger aus. Sie gaben im Vergleich zum Jahr 2023 10 % weniger für Weihnachtsgeschenke aus und liegen unter dem Vor-Pandemie-Betrag von 2019. Sind die Arbeiter zu dumm, um Statistiken zu lesen?

Diese Zahl wird vom Bund und den bürgerlichen Medien wahllos wiederholt, um ihre Lügen zu verbreiten: Alles ist in Ordnung, die Schweiz ist stabil und den Schweizer Arbeitern geht es gut. Aber das ist eine dumme Vereinfachung. Vielleicht hat sich der Preisanstieg verlangsamt oder ist (vorerst) zum Stillstand gekommen, aber die Preise kehren nicht auf ihr früheres Niveau zurück. So sind die Preise seit der Pandemie und dem Beginn des Krieges in der Ukraine dauerhaft höher. Der Lohnanstieg, wenn man berücksichtigt, dass die Inflation jedes Jahr einen Teil dieses Anstiegs auffrisst, war bereits seit zwei Jahrzehnten sehr niedrig (0,9 % im Jahresdurchschnitt von 2005 bis 2015). Seit 2023 sind die Löhne wieder unter das Niveau von 2015 gesunken. Laut TravailSuisse wären nur im Jahr 2025 durchschnittliche Erhöhungen von 4 % erforderlich, um den Rückgang wieder aufzuholen. Die Löhne sind also effektiv gesunken!

Darüber hinaus ist die offizielle Inflationsrate verzerrt. Sie berücksichtigt nicht die Krankenversicherungsprämien, die von Jahr zu Jahr steigen und das Einkommen der Haushalte immer stärker belasten. Im Jahr 2025 werden diese im Durchschnitt um 6 % steigen, im Jura um bis zu 9 % und im Tessin um bis zu 10 %, zwei der Kantone mit den niedrigsten Einkommen in der Schweiz. Diese Erhöhungen werden die Budgets der sozial Schwächsten stark belasten.

Das ist aber noch nicht alles. Im wirklichen Leben reagieren die Arbeiter nicht auf die Ankündigungen des BFS, sondern auf das, was ihnen ihr Alltag zeigt. Und ihr Alltag zeigt ihnen, dass das Leben dauerhaft härter wird. Die sinkenden Ausgaben der Schweizer Haushalte sind also auch das Ergebnis von Zukunftsängsten. Eine Studie der Migros Bank aus dem Jahr 2023 zeigt, dass Schweizer, die es sich leisten können (also vor allem ältere Menschen), angesichts des Pessimismus sparen, um Sicherheit zu schaffen, und daher weniger konsumieren. Wenn man die allgemeine Instabilität der Welt sieht, erscheint die Zukunft nicht als eine der Lohnerhöhungen und des Feierns, sondern als eine der hohen Preise und der niedrigen Löhne.

Wer kann, versucht, sich in Sicherheit zu bringen, aber diese Lösung ist nur möglich, solange sich die Lage nicht verschlechtert. Leider ist die niedrige offizielle Inflation hauptsächlich auf importierte Produkte zurückzuführen (-1,5 %), während die Preise für Schweizer Produkte überdurchschnittlich gestiegen sind (+1,9 %). So werden nun Trumps protektionistische Massnahmen die Preise für importierte Produkte und damit die Inflation ansteigen lassen. Zudem sind für 2025 bereits Rekordsteigerungen bei Mieten und Krankenkassenprämien angekündigt. Trotz der Märchen des Bundesrates ist die Armut in der Schweiz auf dem Vormarsch, wie die Rekordbesuche in den Caritas-Läden im Jahr 2024 zeigen (+5 % Verkaufsvolumen gegenüber 2023). Die Schweiz ist nicht mehr eine Insel der Stabilität in der Mitte Europas, sondern zunehmend Teil der allgemeinen Krise des Kapitalismus, die die Arbeiter unter immer unerträglicheren Lebensbedingungen zermalmt.


Arbeiterklasse soll die Zeche zahlen für Krise in der Industrie

34’000 Arbeiter in der Schweizer Industrie müssen um ihre Jobs bangen. Sie produzieren Teile für die Autoindustrie, die in einer Krise steckt. Europaweit zerstören die Bosse der Zulieferindustrie Arbeitsplätze: Seit 2020 waren es 58’000, 30’000 davon im letzten Jahr. Grossbetriebe wie Michelin oder Bosch stellen Hunderte von Arbeitern auf die Strasse, kleinere Firmen machen gleich ganz dicht. Weitere Fabrikschliessungen und Entlassungen sind bereits geplant. So zahlt die Arbeiterklasse die Zeche für die Krise des Kapitalismus.

Eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Auto-Kapitalisten verkaufen zu wenig Fahrzeuge, um ihre Profitgier befriedigen zu können. Fakt ist, dass die europäischen Auto-Konzerne von der chinesischen und amerikanischen Konkurrenz in Sachen Technologie abgehängt wurden, besonders bei elektrischen Modellen. Um das zu ändern, müssten die Kapitalisten jetzt viel Geld in die Hand nehmen. Weil Geldsäcke nicht einmal daran denken, zu investieren, gibt es keine Perspektive der Besserung. Sie wollen die Zitrone auspressen bis zum letzten Tropfen. Das bedeutet eben, Arbeiter zu entlassen, um die Profite bis zum Schluss zu maximieren.

Die Arbeiterklasse an der Macht hätte kein Interesse an der Zerstörung von Lebensgrundlagen und veralteter Industrie. Auf ihre «Überkapazitäten» antworten wir: allgemeine Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohn. Wir kämpfen für Investitionen in moderne, klimafreundliche Produktionsanlagen, bezahlt durch die Enteignung der Kapitalisten!

Michael Wepf, Basel