Seit 200 Jahren bemühen sich die bezahlten Verteidiger des Kapitalismus, ihr System als alternativlos darzustellen. Sie tischen uns Jahr für Jahr dieselben abgestanden Lügen auf: Der Kommunismus töne ja gut in der Theorie, habe aber in der Praxis versagt. Und jeder Versuch, die Gesellschaft grundsätzlich zu verändern, würde nur in Tränen, Armut und Gewalt enden. Deshalb ihr Ratschlag: Bleib beim Teufel, den du kennst. Damit können wir uns nicht begnügen.
Keine Schweizer Zeitung vergeudet so viel Druckerschwärze auf Antikommunismus wie die NZZ. In einem Artikel vom Dezember 2024 schreibt sie, dass der Kapitalismus das einzige System sei, das «ein freies und gutes Leben nicht bloss verspricht, sondern für die Mehrheit einer Gesellschaft zu realisieren vermag». Der Kommunismus hingegen sei «im Grossen und Ganzen ein Desaster». Der Ratschlag für alle «Normalbürger» ist deshalb: «Trinken wir Tee, und gehen wir weiterhin vernünftig wählen. Und seien Sie bitte nicht allzu überrascht, wenn Ihr Leben in der Zwischenzeit noch ein bisschen besser geworden sein sollte.»
Das schmeckt schal angesichts der überwältigenden Armut und Gewalt, die den real existierenden Kapitalismus ausmacht. Kriege und Staatsschulden nehmen zu, während Reallöhne abnehmen und das alltägliche Überleben zu einem Kampf machen. Heute leben 44 % der Weltbevölkerung oder 3,6 Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze (Oxfam 2025). Das ist die gleiche Anzahl Menschen wie 1990! Im Kapitalismus produzieren Armut und Misere am einen Pol der Gesellschaft enormen Luxus und Überfluss am anderen Pol. Das reichste Prozent besitzt 45 % des weltweiten Reichtums. Das Vermögen eines durchschnittlichen Milliardärs wuchs letztes Jahr um 2 Millionen Dollar pro Tag. Wir erleben ein kapitalistisches Desaster.
Und weil die Mehrheit der Erdbevölkerung kein «freies und gutes Leben» hat, ganz im Gegenteil, darum sagt diese Mehrheit in Umfragen (z. B. Edelmann Trust Barometer), dass der Kapitalismus mehr schadet, als er nutzt. Das Interesse am Kommunismus nimmt zu, weil dieser die einzige Alternative ist. Darin liegt der Grund für die nicht enden wollende Verteufelung des Kommunismus durch die Bürgerlichen. Es macht ihnen Angst, dass immer mehr Leute nach einer revolutionären Lösung der Probleme suchen und dabei nach der Idee des Kommunismus greifen. Sie wollen uns diese Idee madig machen!
Der Propaganda-Trick der Bürgerlichen besteht darin, echten Kommunismus und Marxismus mit dem Stalinismus gleichzusetzen. Marx’ «Verteufelung des Privateigentums» hätte im 20. Jahrhundert zu Verfolgungen und Terrorregimen geführt (NZZ, 16. März 2022). Lenin sei verantwortlich für alle Verbrechen in der Sowjetunion (NZZ, 22. Juni 2024). Deshalb der Aufruf des Zürcher Blatts an alle jungen Kommunisten: Hände weg von Marx und Lenin, wenn ihr nicht bei Stalin und Mao enden wollt!
Es stimmt zwar, dass die UdSSR zu einer Diktatur wurde (wir kommen darauf zurück, wie es soweit kam). Der bürgerliche Hass auf die Sowjetunion hat aber nichts mit dem totalitären Regime Stalins zu tun. Schliesslich haben die Kapitalisten keine Probleme mit offensichtlichen Diktaturen, solange ihre Profitinteressen gewahrt bleiben. So kollaborierte das «demokratische» Schweizer Bürgertum intensiv mit Nazi-Deutschland, indem sie Waffen und Industriegüter verkauften und gestohlenes Gold verhehlten. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten die westlichen «Demokratien» unter der Führung der USA barbarische Diktaturen wie Somoza, Pinochet oder Suharto und heute auch Saudi Arabien oder Israel. Und die Schweizer Banken verwalten ihre Raubgelder. Vom kapitalistischen Standpunkt sind deren Verbrechen akzeptabel, solange sie das Privateigentum respektieren.
Die Bürgerlichen hassen nicht die schlechten Seiten der Sowjetunion, sondern die guten und progressiven Aspekte! Sie verabscheuen nicht die Diktatur Stalins, sondern die Errungenschaften der Oktoberrevolution: Staatseigentum an den Produktionsmitteln und die Planwirtschaft.
Die Sowjetunion hat die Überlegenheit der Planwirtschaft über die kapitalistische Marktwirtschaft in der Praxis bewiesen. Während die Grosse Depression die kapitalistischen Länder im Griff hatte, entwickelten sich die Sowjetrepubliken rasant von agrarischen zu industriellen Gesellschaften. Wissenschaft, Gesundheit und Bildung entwickelten sich auf beeindruckende Art und Weise. In den 50 Jahren von 1913 (dem Höhepunkt der russischen Wirtschaft vor der Revolution) bis 1963 wuchs die industrielle Produktion insgesamt um mehr als das 52-fache, während sie in den USA nur um das 6-fache wuchs. Und das trotz der Zerstörung und Verwüstung durch zwei blutige Weltkriege, einen Krieg gegen ausländische Interventionen, einen Bürgerkrieg, zwei massive Hungersnöte und die Last bürokratischer Misswirtschaft. Und das ohne Arbeitslosigkeit, Inflation oder Finanzkrisen, wie sie die westliche Welt kannte. In den 1980er-Jahren hatte die UdSSR mehr Wissenschaftler als die USA, Japan, Grossbritannien und Deutschland zusammen.
Das erreichten sie trotz der stalinistischen Diktatur und Bürokratie, die ein enormer Klotz am Bein der Sowjetwirtschaft war. Der demokratische Arbeiterstaat, den Lenin und Trotzki aufgebaut hatten, wurde nämlich bereits in den 1920er-Jahren durch den monströs deformierten bürokratischen Staat Stalins ersetzt. Das war ein schlimmer Rückschlag: Das Staatseigentum blieb zwar erhalten, aber die politische Macht der Arbeiterklasse wurde zunichtegemacht. Die Gründe dafür lagen in der Niederlage der Revolution in anderen Ländern. Lenin und Trotzki verstanden, dass die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus von der internationalen Revolution abhängig ist. Sie investierten viel Zeit in den Aufbau der Kommunistischen Internationale, um die Weltrevolution voranzutreiben. Denn ein einzelnes Land, geschweige denn ein ökonomisch rückständiges Agrarland wie das damalige Russland, besitzt nicht die materiellen Voraussetzungen, um jede Ungleichheit zu beenden und die Überbleibsel der Klassengesellschaft abzuschaffen.
Wenn Mangel herrscht, dann muss Mangel «verwaltet» werden. Der Bürgerkrieg, die Krise der Industrie, lange Arbeitstage, Hunger und Erschöpfung verunmöglichten die Kontrolle der Arbeiter über die Staatsgeschäfte immer mehr. Bürgerliche «Experten», Offiziere und Beamte des alten zaristischen Apparats mussten wieder aufgenommen werden, um Wirtschaft und Staatsgeschäfte zu leiten. 1920 zählte die Staatsbürokratie beinahe sechs Millionen Menschen und war damit fünfmal so gross wie das gesamte Industrieproletariat. Die Bürokratie agierte als Richter, der entschied, wer welchen Anteil der zu knappen Güter bekommen soll – ohne dabei selbst zu kurz zu kommen.
In der Person Stalins fanden die Karrieristen und Bürokraten einen Hebel, um ihre Interessen politisch abzusichern und auszubauen. An die Stelle der Weltrevolution und des proletarischen Internationalismus setzte die privilegierte Schicht ihre eigenen nationalen Interessen. Um die haarsträubenden Widersprüche zwischen der Oktoberrevolution, dem Marxismus und der Realität in der Sowjetunion zu vertuschen, griffen die Stalinisten zu Terror und Fälschung. (Vermeintliche) Feinde der Bürokratie wurden ab 1936 in Schauprozessen liquidiert, hunderttausende Kommunisten umgebracht, mehr noch ins Exil geschickt. Das gesamte Zentralkomitee der Bolschewistischen Partei von 1917 war 20 Jahre später tot (grösstenteils ermordet) oder im Exil, mit Ausnahme natürlich von Stalin selbst. Die Grenze zwischen dem Leninismus und dem Stalinismus ist mit dem Blut von Revolutionären gezogen worden. Die bürgerliche Gleichsetzung von Stalinismus und Kommunismus ist falsch und dient nur dazu, den echten Marxismus schlechtzureden.
Der Stalinismus war eine widersprüchliche Übergangsgesellschaft, die nicht andauern konnte. Das erklärte Trotzki bereits in den 1930er-Jahren. Die Eigentumsverhältnisse und die Planwirtschaft standen im Widerspruch zur Kontrolle von Staat und Wirtschaft durch die Bürokratie. Die Millionen gieriger und korrupter Beamter, die die Sowjetunion ohne jegliche Kontrolle durch die Arbeiterklasse regierten, waren eine kolossale Belastung der Wirtschaft. Je komplexer die Ökonomie, desto wichtiger wäre die demokratische Kontrolle der Arbeiter gewesen, die allein die Entwicklung zum Sozialismus ermöglicht hätte. Mitte der 1960er-Jahre erreichte die bürokratisch kontrollierte Planwirtschaft ihre Grenzen. Dies begann das Regime zu untergraben und führte schlussendlich zum Kollaps und zur Restauration des Kapitalismus. In der Sowjetunion scheiterte also nicht der Kommunismus, sondern der Stalinismus – eine totalitäre und bürokratische Karikatur des Kommunismus.
Jede Zeile, die in einer bürgerlichen Zeitung über Lenin geschrieben wird, tropft von schwarzem Hass. In ihrer Erzählung ist Lenin der Ursprung allen Übels, der neben Stalin und Pol Pot auch die Nazis und al-Kaida inspiriert haben soll (NZZ, 23. Juni 2024). Auch Putin und Xi Jinping seien «Leninisten» (NZZ, 24. April 2021), genauso wie neuerdings auch Trump (NZZ, 25. April 2025). Für die Liberalen ist Lenin der Antichrist, verantwortlich für alles Böse auf der Welt. Das sind Lügen, genau wie die Gleichsetzung von Lenin und Stalin. Die Realität ist, dass sie Lenin hassen, genau weil er im Oktober 1917 an der Spitze der ersten erfolgreichen Revolution der Arbeiterklasse stand!
Der Stalinismus hat sich delegitimiert. Aber das Erbe des unverfälschten Leninismus und Marxismus hat nichts an Macht eingebüsst. Lenin und Trotzki zeigten nicht nur, wie eine erfolgreiche Revolution möglich ist, sondern waren auch lebenslange Kämpfer für die Arbeiterdemokratie und den Internationalismus, beide auch gegen Stalin. Aus dem gleichen Grund, warum die Bürgerlichen diesen echten Kommunismus in den Dreck zu ziehen versuchen, verteidigen wir ihn: Es ist der einzige realistische Weg für die Arbeiterklasse, die Macht zu übernehmen. Deshalb bauen wir jetzt die Revolutionäre Kommunistische Internationale auf, um diese Lektionen rund um den Globus in die Praxis umzusetzen.
Wir haben heute eine andere Ausgangslage als Russland 1917. Wissenschaft, Technik und Industrie sind auf der Weltebene so weit entwickelt, dass eine kommunistische Zukunft in greifbarer Nähe ist. Eingesetzt zum Wohle aller, können diese Produktivkräfte alle Lebensbereiche grundlegend verändern. Arbeitslosigkeit wird abgeschafft, und alle, die arbeitsfähig sind, werden produktiv beschäftigt sein, um den Lebensstandard auf ein neues Niveau zu heben. Die Arbeitszeit wird drastisch verkürzt, während die Löhne steigen, sodass die Menschen sich an der demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beteiligen können. Es wird eine Arbeiterkontrolle und -verwaltung eingeführt, die alle in die demokratische Planung und Leitung der Wirtschaft und der Gesellschaft einbezieht. Alle werden Zeit haben, ihre Fähigkeiten und Talente voll zu entfalten. Und zum ersten Mal werden sich menschliche Beziehungen frei von Ausbeutung, Gewalt und Zwang jeglicher Art entwickeln.
Mit unseren gemeinsamen Anstrengungen können wir ein Paradies auf Erden schaffen, in dem Armut, Hunger, Elend und Krieg ausgerottet sind. Das ist eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt!
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