Die sozialdemokratischen Parteien ermöglichten den 1. Weltkrieg durch die Unterstützung „ihrer“ Regierungen. Anstatt den Internationalismus hochzuhalten, versagten sie im entscheidenden Moment. Damit besiegelten sie das Ende der Sozialistischen Internationale. Mit der Annahme der Kriegskredite handelten die sozialdemokratischen Parteien nicht nur desaströs, sondern auch gegen ihre früheren Beschlüsse.
So beispielsweise entgegen der 1912 in Basel beschlossenen Resolution: Darin hatten sie sich geeinigt, im Kriegsfall gegen die Kredite zu stimmen und mit einem Generalstreik gegen „ihre“ Bourgeoisie den Krieg zu verhindern. Die zweite Internationale scheiterte daran, auf die Fragen der neuen Epoche “Krise, Imperialismus und Krieg” zu antworten. Das Unvermögen des Reformismus trat nun anhand des Elends der Schützengräben offen zutage. Das Elend und die Ausstrahlung der Russischen Revolution änderten das Bewusstsein der ArbeiterInnen: nur die Revolution kann Krise, Krieg und Imperialismus beenden.
Opfer ihres Erfolges
Die zweite sozialistische Internationale hatte ihre Basis im grossen Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre Erfolge schürten aber auch Illusionen in die Möglichkeit einer friedlichen, langsamen Entwicklung zum Sozialismus: Der Reformismus dominierte die Parteien. Die Industrialisierung befeuerte das Entstehen und Erwachen des Proletariats, weil die ArbeiterInnen in den Fabriken zusammen denselben Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt waren. Anhand ihrer gemeinsamen Interessen organisierten sie sich anfangs in den Fabriken, dann zu Millionen in Parteien und Gewerkschaften. Trotz wachsenden Mitgliederzahlen verminderte sich deren Kampfbereitschaft: Eine steigende Zahl der Funktionäre wollte ihre Anstellung aufrechterhalten und die Bourgeoisie bekämpfte die Parteien, indem sie einige ArbeiterInnen privilegierten, wodurch diese weniger radikal auftraten. Der Apparat der Bewegung und die privilegierten ArbeiterInnen bildeten die Basis für die reformistischen Ideen, welche vermengt mit nationalistischer Propaganda zur folgenschweren Annahme der Kriegskredite führten.
Nur wenige SozialdemokratInnen (darunter die Bolschewiki, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht) setzten sich weiterhin für den Internationalismus ein. 1915 hielten sie in Zimmerwald die erste Konferenz, welche den Beginn der dritten Internationalen markierte. Die zweite Internationale zerfiel derweil in Bedeutungslosigkeit: Fortan war sie lediglich eine lose Föderation von hauptsächlich national orientierter Parteien.
Reinkarnation
der Internationalen
Auf Basis der revolutionären Bewegungen in Russland 1917, in Deutschland 1918 und anderen Ländern Europas wurde 1919 die Kommunistische Internationale gegründet. Nicht nur wegen ihrer Ausstrahlung als erste erfolgreiche sozialistische Revolution war die Russische Revolution dafür bedeutend. Auch wurden daraus viele politische Schlüsse abgeleitet: Wie sollten sozialistische Parteien aufgebaut werden? Welche Positionen sollten die neuen Kommunistischen Massenparteien in Europa zu den Parlamenten, zu den Kolonien, zur Sozialdemokratie einnehmen? Für Lenin, Trotzki und die anderen Revolutionäre war zudem klar, dass der Sozialismus nur international erkämpft werden konnte.
Probleme der neuen Internationalen
Die Kommunistische Internationale wurde zum neuen Hoffnungsträger für die revolutionären proletarischen Massen und zum Werkzeug der Weltrevolution. Leider wurden die neuen Parteien der Dritten Internationale den anstehenden Problemen nicht immer gerecht: So behinderten ihre Unerfahrenheit und linksradikale Taktik in Deutschland oder Grossbritannien den Erfolg der proletarischen Revolutionen.
Mit der politischen Konterrevolution in Russland nach Lenins Tod, dem Aufstieg der Bürokratie um Stalin, änderte sich der Charakter der Internationale grundsätzlich. Für die StalinistInnen wurden die neue Internationale und die Kommunistischen Parteien mehr und mehr zum aussenpolitischen Werkzeug zur Verteidigung der national beschränkten Interessen der Sowjetunion. Symptom für diese Degeneration war auch, dass die Kongresse der Internationale über Jahre nicht mehr stattfanden, bis Stalin sie 1943 schlussendlich auflöste.
Benjamin Bossert
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