Die erneute Bankenrettung beweist die krasse Diktatur der Grossbanken. Sie herrschen über ein chronisch instabiles System – sind sowohl «too big to fail» als auch «obliged to fail». Ihre Enteignung ist der einzige Ausweg für die Arbeiterklasse.
Warum die Grossbanken im Gegensatz zu KMUs einmal mehr gerettet wurden, wollte die NZZ von Bundesrätin Keller-Sutter wissen. Das sei doch kein freier Markt. «Es fällt mir schwer, dies zu akzeptieren», so die FDPlerin. Aber in der Wirtschaft gäbe es eben den «Kopf» und den «Bauch». Was ihr schwer fällt, hat Lenin bereits 1917 in seinem Meisterwerk Imperialismus durchblickt: Die freie Konkurrenz in der Wirtschaft ist umgeschlagen in die erdrückende Herrschaft des Finanzkapitals über die Wirtschaft.
Mit der unausweichlichen Kapitalkonzentration in wenigen Monopolkonzernen erhalten Grossbanken ebenso unausweichlich eine neue, zentrale Rolle. Lenin nennt sie nicht «Kopf», sondern treffender «Nervenknoten»: Alle zentralen Fäden der Wirtschaft laufen bei den Banken zusammen. In ihnen ist das Kapital der grossen Monopole verschmolzen und konzentriert. Aus ihren ursprünglichen Hilfsoperationen für die Kapitalisten (Vermögensverwaltung und Kreditvergabe) sind Befehlsoperationen über die Kapitalisten erwachsen. Ein paar wenige Finanzmonopole durchblicken, kontrollieren und diktieren durch die Kreditvergabe die Kapitalflüsse. Anders gesagt: Sie entscheiden, wohin der gesellschaftliche Reichtum fliesst.
Mehr als hundert Jahre später stimmt das mehr denn je. Auf den 100 grössten Banken liegt heute ein Viertel (112 Billionen Dollar) des weltweiten Reichtums. Allein die drei grössten Finanzinstitute der USA besitzen mehr als 20 Prozent der 500 grössten Unternehmen. Damit kontrollieren und diktieren sie faktisch die Finanzflüsse aller Schlüsselindustrien. Sie bestimmen direkt über das Leben der 30 Millionen Angestellten dieser Unternehmen und indirekt, durch ihre Befehlsgewalt über die Weltwirtschaft, über jenes der gesamten Menschheit.
Wegen ihrer Befehlsgewalt über die Wirtschaft sind Grossbanken einerseits «too big to fail» – zu mächtig, um pleitegehen zu dürfen. Sie herrschen über eine noch nie so monopolisiertes und verflochtenes System. Stirbt ein Nervenknoten, stirbt das ganze Gehirn und dadurch der ganze Körper.
In den Worten Keller-Sutters: «Der Konkurs einer international systemrelevanten Bank hätte völlig andere Konsequenzen als der Konkurs eines KMU». In der Schweiz hätte ein CS-Konkurs Schäden von bis zu 200 Prozent des BIP verursacht. International hätte er andere Grossbanken und damit die Weltwirtschaft mit in den Abgrund gerissen.
Unter dem Strich spricht Keller-Sutter von «gewaltigen volkswirtschaftlichen Verwerfungen». Das heisst nichts anderes als weltweites Massenelend. Grossbanken kann man nicht untergehen lassen.
Andererseits gehen Banken aber immer wieder unter. Die Geschichte des Kapitalismus ist voll von Bankenkrisen. In den letzten 20 Jahren sind allein in den USA über 500 Banken kollabiert. Das passiert nicht aus Zufall, sondern aus Notwendigkeit. Banken sind «obliged to fail». Sie sind Teil eines anarchischen Systems, das auf Konkurrenz und Profitzwang basiert.
Ihre Rolle darin ist per Definition instabil: Banken geschäften mit Papierwerten (Kredite, Anleihen, Aktien etc.), die keinen realen Gegenwert haben. Dieses «fiktive Kapital» ist nichts anderes als ein Versprechen auf zukünftige reale Wertschöpfung. Schulden können nur dann nachhaltig zurückgezahlt werden, wenn das Geld in die Produktion fliesst und reale Werte damit geschaffen werden.
In den letzten 40 Jahren ist jedoch das genaue Gegenteil passiert. Das globale Kreditvolumen und damit einhergehend die globale Verschuldung wuchsen dreimal schneller als die globale Wirtschaftsleistung. Die Kluft zwischen dem Finanzsektor und der Realwirtschaft vertiefte sich in nie gekanntem Ausmass. Der Grund dafür ist nicht Missmanagement gieriger Banken-CEOs, sondern die tiefe Überproduktionskrise des Kapitalismus. In der Realwirtschaft mangelt es chronisch an profitablen Investitionsmöglichkeiten. Deshalb waren und sind einerseits Banken gezwungen, mit risikoreichen Papierwerten zu handeln – Firmen, Staaten und Arbeiter andererseits, sich massiv bei Banken zu verschulden.
Als Konsequenz ist der Finanzsektor sowohl mächtiger als auch instabiler denn je. Die Grossbanken sitzen auf einem Pulverfass an Versprechen. Diese können unmöglich eingelöst werden. Ein nachhaltiger ökonomischer Aufschwung ist ausgeschlossen. Mit der Zinswende kam es zur ersten Eruption im Finanzsektor, die wirklichen Explosionen stehen erst bevor.
Die Herrschaft des Finanzkapitals bedeutet, dass Grossbanken sowohl «too big to fail» als auch «obliged too fail» sind. Sie werden untergehen und gerettet werden müssen. Die Grossbanken haben die Gesellschaft in Geiselhaft. Darauf gibt es nur zwei mögliche Antworten: Entweder man akzeptiert das im Kapitalismus heilige Privateigentum. Dann ist man gezwungen, die Herrschaft des Finanzkapitals zu akzeptieren. Oder man bricht mit dem Privateigentum. Einen Mittelweg gibt es nicht. Nach dem CS-Crash kam eine Flut an Vorschlägen zur Regulierung der Banken. Doch «jede Idee hat ihre Haken», wie die NZZ korrekt schlussfolgert. Bankenkrisen wegzureglieren ist genauso utopisch wie den Kapitalismus zu reformieren.
Für die Arbeiterklasse ist die erste Option keine Lösung. Sie hat kein Interesse an der Herrschaft des Finanzkapitals. Erstens, weil sie stets für die daraus resultierenden Bankenrettungen bezahlen muss (Sparmassnahmen, Inflation etc.). Zweitens, weil Bankenrettungen das Problem nicht lösen, sondern herausschieben und vergrössern. Mit der CS-Übernahme durch die UBS ist ein «Zombie weg, doch ein Monster geboren» (NZZ). Auch dieses Monster kann sich den Marktgesetzen nicht entziehen. Die Mega-UBS ist zu klein, um in der sich zuspitzenden Konkurrenz zu überleben. «Nur mit Wachstum hat diese Bank langfristig Erfolg», verkündete CEO Ermotti.
Die Geiselhaft verschwindet nicht. Im Gegenteil, die Schlinge zieht mehr und mehr zu. Der einzige Ausweg für die Arbeiterklasse ist der Bruch mit der Herrschaft der Grossbanken, die Enteignung der Banken.
Lenin bezeichnet den Imperialismus als das höchste Stadium des Kapitalismus, weil er den Sozialismus pfannenfertig vorbereitet. Ein paar wenige Grossbanken kontrollieren heute mehr gesellschaftlichen Reichtum als je zuvor. Wer diese Nervenknoten kontrolliert, bestimmt über die Weltwirtschaft. Aktuell sind das eine Handvoll Grossaktionäre. Sie kontrollieren die Banken zu Gunsten der kurzfristigen Profitmaximierung, auf Kosten der Arbeiterklasse.
Die Enteignung der Banken und ihre Zusammenlegung in eine Staatsbank ermöglicht nichts anderes, als den Spiess umzudrehen: Mit der Herrschaft der Grossbanken über die Gesellschaft zu brechen. Sie unter gesellschaftliche Kontrolle zu bringen, um die Wirtschaft bewusst zu planen und den Reichtum rational zur Bedürfnisbefriedigung einzusetzen. Allein die drei grössten Vermögensverwalter – Blackrock, Vanguard und UBS – verwalten 21 Billionen Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel, wie jährlich auf der ganzen Welt in die Gesundheit investiert wird. Mehr als die Hälfte der Wohnungen in der Schweiz gehören Finanzinstituten, die meisten davon der UBS. Sie hat Investitionen von knapp 34 Milliarden Dollar in klimaschädlichen Konzernen. Diese Zahlen deuten das gewaltige Potenzial der Enteignung der Banken nur an: Massive Investitionen in Gesundheit, Bildung, erneuerbare Energien, günstiger Wohnraum etc. – einem sorglosen Leben steht einzig und allein das Privateigentum einer Handvoll Grossaktionäre im Weg.
Diese zu enteignen und die Banken zu verstaatlichen ist technisch überhaupt kein Problem, wie die UBS-Fusion gezeigt hat. CS-Aktionäre wurden über Nacht enteignet, die Verstaatlichung der CS als Plan B war in wenigen Tagen aufgegleist und jetzt ist von der künftigen Staats-UBS die Rede. Doch dies zeigt nur die Umsetzbarkeit der Bankenverstaatlichung. Entscheidend ist der Zweck: Verstaatlichung im Interesse welcher Klasse?
Reden die Bürgerlichen von Verstaatlichung, wollen sie damit die Herrschaft der Banken und damit ihr Profitsystem retten. Die Arbeiterklasse braucht das Gegenteil: mit der Herrschaft des Finanzkapitals und dem Profitzwang brechen, die Banken für die Bedürfnisbefriedigung einsetzen. Das wird der bürgerliche Staat mit seiner Regierung, dem Bundesrat, nie machen. Sie sind Instrumente zur Aufrechterhaltung der Herrschaft des Finanzkapitals, wie die Bankenrettung einmal mehr bewiesen hat. Um mit der Herrschaft des Finanzkapitals zu brechen, ist deshalb die politische Machtergreifung durch die Arbeiterklasse notwendig.
Eine Arbeiterregierung würde die Wirtschaft durch ihre Staatsbank den Bedürfnissen entsprechend planen. Einzig die Grosskapitalisten würden sich weigern, ihre Produktionsmittel diesem Plan unterzuordnen. Sie gehören daher unter Arbeiterkontrolle enteignet. Die Kontrolle und der Besitz der 100 grössten Banken und Konzerne öffnet der Arbeiterklasse die Tür zu einem befreiten Leben im Überfluss, zum Sozialismus!
Dario Dietsche, Der Funke Bern
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