Der Kapitalismus kennt zwei Wege, um eine Überproduktionskrise zu bewältigen: Die Zerstörung der Produktivkräfte oder die Erschliessung von neuen Märkten. Er kreiert neue Märkte durch die Reinvestition des Mehrwerts, den er aus der unbezahlten Arbeit der ArbeiterInnenklasse zieht. Aber heute gehen die Investitionen unter der sinkenden Nachfrage zurück, was die Krise sichtbar verschärft. Künstlich tiefe Zinsen haben gewisse Sektoren, welche anderenfalls eingegangen wären, am Leben erhalten. Das führte zu einem „Zombie-Kapitalismus“, halb lebendig und halb tot. [Teil 1]

KriseDas kapitalistische Wirtschaftssystem befindet sich in einem tödlichen Kreislauf. Die Austerität sollte helfen, die Staatsschulden in den Griff zu kriegen. Stattdessen stieg das Verhältnis der Schulden zum BIP an. Mit dem Ausblick auf Stagnation und Deflation – die Inflation der Eurozone fiel im August wieder auf 0.3% – wird dies noch schlimmer.

Die Arbeitslosigkeit schädigt weiterhin die Leben von Millionen Familien, eine Verbesserung ist nicht in Sicht. In OECD-Ländern sind fast 45 Millionen Menschen arbeitslos. Das sind 11.5 Millionen mehr als kurz vor der Krise. In Spanien bleibt die Arbeitslosigkeit weiterhin bei 24.5%. Jugendarbeitslosigkeit beträgt in Griechenland 60%, in Spanien 50% und in Italien 40%.

Die gegenwärtige verlängerte Krise ist eine eindrucksvolle Bestätigung der Richtigkeit und Voraussicht der Analysen des Kommunistischen Manifests – eine klassische Überproduktionskrise des Kapitalismus.

„Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohend die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Theil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnoth, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zu viel Civilisation, zu viel Lebensmittel, zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt.“

Der Pessimismus der Bürgerlichen wird von Wolfgang Munchau in der Financial Times zusammengefasst, der, nach einer Durchsicht der Möglichkeiten zur Rettung der europäischen Wirtschaft – keynesianistischen, monetaristischen oder strukturalistischen – schlussfolgert: „Ein Flächenbombardement wäre viel zuverlässiger“! (8/9/14)

In der Vergangenheit wurde die Weltwirtschaft Jahr um Jahr von grossen Steigerungen des Welthandels angetrieben. Aber der Welthandel erfüllt diese Rolle nicht mehr. Die antreibenden Faktoren der „Globalisierung“ haben sich ins Gegenteil verkehrt. Fünf Jahre nach der technischen „Erholung“ seit dem Sommer 2009 herrscht im Welthandel Flaute. Die Welthandelsorganisation prognostizierte ununterbrochen einen Aufschwung. Für dieses Jahr (2014) rechnete sie mit einem Anstieg des Welthandels um 4.7%. Das ist eine massive Überschätzung und zeigt, dass sich ihre Voraussagen eher auf Astrologie als auf der wirtschaftlichen Realität begründen. Gemäss dem eher nüchternen Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, einem Regierungs-Think-Tank, welcher weltweit Daten sammelt, wuchs der Welthandel nur um 1% im zweiten Quartal, nachdem er in den ersten drei Monaten um 0.6% zurückging.

Dies sind sehr ernste Aussichten für den Kapitalismus. Sie widerspiegeln die Tatsache, dass dieses System seine Grenzen erreicht hat. Die Globalisierung geht zurück und es besteht die Gefahr, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehrt. Der Zusammenbruch der Welthandelsgespräche ist ein Anzeichen für die Widersprüche im weltweiten Massstab. Alle Formen des Protektionismus wuchsen, was sich kürzlich in einer Schlagzeile der Financial Times widerspiegelte: „Die Welt zieht sich von der Globalisierung zurück“ (FT, 5/9/14). Der Artikel hebt die Sanktionen gegen Russland und das Importverbot von Nahrungsmitteln durch Russland im Gegenzug hervor. „Der Freihandel zerbröckelt“, erklärt der Artikel. „Der Zusammenbruch der Doha-Runde zeugte vom Niedergang der globalen Freihandelsabkommen. Die Industrienationen sehen sich stattdessen nach regionalen Koalitionen und Verträgen um – die TPP und der TTIP. Die Schwellenländer verstärken die Süd-Süd-Partnerschaft. Nach dem frustrierenden Fehlschlag, den IWF ausgeglichener zu gestalten, bauen die BIRCS-Staaten ihre eigenen Finanzinstitutionen auf.

Dies ist von enormer Bedeutung angesichts der Tatsache, dass der Vorschuss an Lebenszeit des Kapitalismus in den letzten 30 Jahren die Globalisierung, also die Entwicklung eines Weltmarkts, war. Einmal mehr zeigt sich, dass sich der Kapitalismus erschöpft hat und nicht fähig ist, die Produktivkräfte sinnvoll weiterzuentwickeln. Schlussendlich bestimmt, wie Marx erklärt hat, diese Unfähigkeit die Produktivkräfte weiterzuentwickeln, das Schicksal des sozio-ökonomischen Systems.

Weitere Komplikationen, die dem Weltkapitalismus bevorstehen, sind die die Gefahren für die chinesische Wirtschaft, welche das Zugpferd für vorangehendes Weltwirtschaftswachstum war. Seit längerem wurde China von Überproduktion in diversen Sektoren geplagt, welche durch Kreditvergabe und einen Immobilienboom gedämpft wurde. Die Bau- und Immobilienwirtschaft macht 13% des chinesischen BIP aus und ist das Rückgrat der unveränderten Investitionen des Landes. Eine Krise in diesem Sektor stellt die grösste Gefahr für die Weltwirtschaft dar.

Offizielle Zahlen zeigen, dass im Juli 64 von 70 befragten Städten fallende Immobilienpreise zu verzeichnen hatten, der grösste monatliche Rückgang seit Anfang der Aufzeichnungen 2005. Die Investoren ziehen sich zurück und die verkaufte Grundfläche, welche über die Jahre um 16.3% zurückging, sackte ab Juni ab. Mit anderen Worten: wir haben eine Überproduktion an Grundbesitz. Alles deutet auf einen Crash hin, den Beijing scheinbar nicht abwenden kann. Das Wirtschaftswachstum wird durch einen solchen Einbruch zusammenschrumpfen, was einen unmittelbaren Dominoeffekt auf die anfällige Weltwirtschaft haben wird.

Während die Regierung die Kreditvergabe der Banken kontrollierte, entstand durch das Wachstum von Schattenbanken eine enorme Volatilität. Im fünften Jahr des grössten Kreditbooms der Geschichte rüsten sich Chinas Banken für eine Welle von Forderungsausfällen aus der Immobilienkrise. Erste Belastungserscheinungen traten mit dem Beinahe-Zusammenbruch einer Schattenbank in diesem Jahr zutage. Als das Gerücht umging, dass ein Produkt eines 3 Milliarden Yüan schweren Fonds namens „ChinaCreditEquals Gold #1” kurz vor Zahlungsausfall stehe, begannen Investoren, ihr Geld abzuziehen. Ein mysteriöser Käufer rettete das Produkt gerade noch rechtzeitig. Heute sind nicht regulierte Schattenbanken für einen Viertel aller Finanztransaktionen verantwortlich. Das ist die chinesische Version der Sub Prime-Hypothekenkrise.

Dazu kommt ein deutliches Ermüden der verarbeitenden Industrie Chinas im August, ein weiteres Zeichen der Schwäche der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt. Die chinesische Wirtschaft schwächt sich bereits seit mehreren Jahren ab, aber das plötzliche Abkühlen des Grundstücksmarktes schürt Befürchtungen, dass der Rückgang der Industrie deutlich schlimmer sei. Die chinesischen Behörden vermochten die Sache während vieler Jahre am Laufen zu halten, aber unter innerem und äusserem Druck könnte ein Schock die Wirtschaft in die Knie zwingen und zu einem neuen internationalen Konjunkturrückgang führen.
Das kapitalistische System wird derzeit von einer ganzen Reihe von Widersprüchen in seiner Existenz bedroht. Diese grundlegenden Probleme widerspiegeln keine zyklischen Faktoren, sondern rühren von einem fundamentalen Unwohlsein des Kapitalismus her. Das bedeutet, dass das System seine Grenzen erreicht hat. Es kann die Produktivkräfte nicht weiterentwickeln. Während die Kapitalisten in den 1930er Jahren im Weltkrieg einen Ausweg fanden, welche die Produktivkräfte physisch zerstörten und die Basis für neue Märkte bildete, ist ein solches Szenario in der jetzigen Epoche nicht mehr möglich. Ein nuklearer Krieg, die einzige denkbare Art eines Weltkrieges, würde den Planeten mehrfach zerstören. Da dieser Weg versperrt ist, werden sich die Widersprüche gegen Innen richten und überall zu verstärktem Klassenkampf führen.

Lenin sagte einst, dass Kapitalismus ein Schrecken ohne Ende sei. Die derzeitige Epoche mit ihren lokal begrenzten Kriegen, Massenarbeitslosigkeit und einbrechenden Lebensstandards stellt den sich hinziehenden Todeskampf des Kapitalismus dar. Eines ist klar: Sechs Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers gibt es auf dieser Grundlage für die ArbeiterInnenklasse keinen Ausweg. Nur mit der Überwindung des Kapitalismus und der Einführung einer internationalen Sozialistischen Planwirtschaft können wir diesem Albtraum ein Ende setzen und der Menschheit eine Zukunft des Wohlstands und Reichtums garantieren.

Dies ist ein Artikel von marxist.com das original findest du hier