Die Lösung für das Klimaproblem ist so einfach, dass sie in einen Satz passt: Lasst die fossilen Energieträger im Boden! Der Weg zur Lösung ist aber komplizierter. Denn der Kapitalismus ist abhängig von fossilen Treibstoffen.
Die Wissenschaftler sind sich einig, dass die CO2-Emissionen bis 2050 weltweit um 80-90% reduziert werden müssen, um einer dauerhaften Klimakatastrophe entgehen zu können. Im Kapitalismus dominieren aber im Wesentlichen die drei Energieressourcen Öl, Kohle und Erdgas. Diese drei Energiequellen sind auch am stärksten für die globale Erwärmung verantwortlich. Doch trotz technischer Möglichkeiten, auf erneuerbare Ressourcen umzusteigen, sieht es bisweilen so aus, als ob die Profitjagd des Kapitals zwanghaft an den stetig steigenden Verbrauch fossiler Energieträger gekoppelt ist. Wie kam diese Abhängigkeit zustande?
Viele tausend Jahre lang lag die Menge des CO2 in der Atmosphäre, das den Treibhauseffekt und damit die globale Erwärmung verursacht, konstant bei etwa 285 ppm (parts per million). Seit dem Beginn der «fossilen» Industrialisierung im 19. Jahrhundert, zuerst in Grossbritannien und dann darüber hinaus, stieg der CO2 Gehalt rapide an. Bis 2013 erreichte er 400 ppm und erhöht sich nun jährlich um mindestens 2 ppm.
Das Kapital fand in Kohle, Gas und Öl die Mittel, welche ihm erlauben, die Wachstumsraten so hochzuschrauben, wie es die Menschheitsgeschichte zuvor niemals erlebt hatte. Der Kapitalismus war nicht von Anfang an, aber er wurde unweigerlich «fossilistisch». Mittlerweile scheint es unmöglich, das eine vom anderen zu entkoppeln. Damit die einen fossile Brennstoffe verbrennen können, muss es andere geben, die auf ihre Produktion spezialisiert sind. Und damit erstere mehr verbrennen können, müssen letztere sie in grösseren Mengen liefern: die Zyklen sind miteinander verwoben.
Die Rangliste der weltweit zehn grössten Konzerne beinhaltet sechs Öl- und Gasunternehmen. Der Jahresgewinn (!) dieser Energie-Multis von 2019 summiert sich auf 172 Milliarden und 664 Millionen Dollar. Wollen wir den Weltklimaberichten Glauben schenken und das Ziel des Anstiegs der Erdmitteltemperatur auf 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeiten begrenzen, bleibt uns nichts anderes übrig, als etwa 30% aller heute bekannten Ölreserven, 50% der Erdgasreserven und 80% der Kohlenlagerstätten ungenutzt im Boden zu behalten.
«Die Vorstellung, dass die mächtige Ölindustrie einer freiwilligen Schliessung ihrer Betriebe zustimmen würde, ist lächerlich.»
Den obgenannten Energiekonzernen wird aber so ein Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Grossteil der bekannten Reserven ist bereits in der Bilanz der Unternehmen eingespeist und wird als Wertpapiere («paper oil») an den Börsen gehandelt. Um sich eine grobe Vorstellung darüber zu machen, was für Einbussen der Verzicht der Förderung für das fossile Kapital einfahren würde, lohnt es sich, ein paar Zahlen anzuschauen. Schätzungsweise (wobei die Schätzungen stark variieren) müssten 4’380 Mrd. Barrel Öl im Erdboden belassen werden, wollen wir das konservative Klimaziel von max. 2°C Erwärmung erreichen. Übersetzt in US-Dollar (bei einem unrealistisch niedrigen Preis von 11.40 Dollar je Barrel) würde das ein finanzielles Loch von 50’000 Mrd. Dollar in den Kassen der Energiekonzerne einreissen (Vergleich: Das BIP der Schweiz beträgt 689,55 Mrd. Dollar).
Man bedenke, dass der Wert bereits getätigter infrastruktureller Investitionen noch nicht miteinberechnet ist – hier kommen noch weitere 15’000-20’000 Mrd. dazu. Dieses Anlagevermögen muss genutzt werden, will es nicht zu einem Minusgeschäft werden. Dabei sind die Milliardeninvestitionen für Strassen, Gummi, Stahl, Aluminium, Autos, Lastwagen usw. noch nicht einmal berücksichtigt. Kein Kapitalist würde diese Profite bereitwillig gegen die Chance eintauschen, in zwanzig Jahren vielleicht grünen Strom verkaufen zu können. Die Vorstellung, dass die mächtige Ölindustrie einer freiwilligen Schliessung ihrer Betriebe zustimmen würde, ist lächerlich.
Und wer sich dabei auf die ordnende starke Hand des Staats verlässt, irrt sich gewaltig. Das Kriterium für eine erfolgreiche kapitalistische Wirtschaft ist hohes Wachstum und das setzt günstige Akkumulationsbedingungen für die Konzerne voraus. Da kein Staat ein Interesse daran hat, seinen grössten Kapitalien die Grundlage zu entziehen, ist auch nichts von ihm zu erwarten. Im Gegenteil, nach Angaben der Internationalen Energieagentur beliefen sich die direkten Subventionen für fossile Brennstoffe im vergangenen Jahr weltweit auf 427 Mrd. Dollar. Die indirekten Subventionen werden laut IWF auf 5’200 Mrd. Dollar pro Jahr (inkl. der Kosten für die Gesundheitssysteme durch Luftverschmutzung und die Beseitigung von Ölverschmutzungen) geschätzt. Jede reale Senkung des Limits für den Emissionsausstoss würde die Bedingungen der Kapitalakkumulation behindern und kein Staat kann es sich erlauben, in diesem irren Wettlauf der Besessenen (Krugman) den Kürzeren zu ziehen.
Der weltweite Energieverbrauch wird auch in den kommenden Jahren stark steigen. Laut einem aktuellen Bericht der OPEC wird 2040 ein Viertel mehr Energie benötigt als heute. Die Nachfrage nach Öl ist nicht stationär, sie steigt umso mehr, je mehr die Ökonomien wachsen. Getrieben von der Konkurrenz ist Produktivitätssteigerung für das Kapital ein Imperativ, dem alle Unternehmen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit zu folgen haben. Und für die Steigerung der Produktivität ist die Nutzung fossiler Energien ausschlaggebend.
Doch stellt sich immer noch die Frage, weshalb es noch nicht einmal einen langsamen Übergang zu erneuerbaren Energien gibt. Warum sollte nur mit fossilen Brennstoffen Geld zu verdienen sein? Diese Fragen werden in der nächsten Ausgabe (Funke Nr. 88) näher beleuchtet. Doch lässt sich schon jetzt folgendes sagen: Erneuerbare Ressourcen können nicht im selben Ausmass Profit generieren wie die fossilen Energieträger, da erstere auf Dauer weniger Arbeitskräfte verlangen und sie auf Dauer selbstständig Energie generieren. Einmal aufgestellt, laufen sie mit kleineren Ausnahmen (Wartungsarbeiten) relativ eigenständig. Und bekanntlich generieren nicht Maschinen Profit, sondern die ausgebeuteten ArbeiterInnen. Die Maschinen erhöhen nur deren Potenz. Die Förderung fossiler Energie hingegen verlangt auf Dauer den Einsatz von Arbeitskräften, was heisst, sie schafft die Bedingungen zur Ausbeutung und somit für Profit.
Der Himmel mag noch so rot leuchten wie in Australien und die Lungen der Welt mögen noch so tobend brennen wie in Brasilien: die Energiekonzerne werden die Heizöfen weiter brennen lassen, bis der allerletzte Tropfen Öl in Geld verwandelt wurde. Weder auf das fossile Kapital noch auf seinen Staat ist Verlass. Die Devise ist klar: Die Zukunft ist sozialistisch und ökologisch oder es gibt keine Zukunft. Der gute Engels formulierte es schon früh richtig: «Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, […] sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und dass unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.» Hören wir auf ihn und enteignen wir die Zerstörer.
Arman Spéth
Marxistischer Verein UniBe
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