Wir veröffentlichen den 1. Teil einer aktuellen Stellungnahme der IMT zur Krise des Kapitalismus in Europa.
Nachdem das Gerede von der „Kreditverknappung“ optimistischeren Kommentaren über die „grünen Pflänzchen“ in der Wirtschaft gewichen war, stehen die bürgerlichen Kommentatoren den Ereignissen in Griechenland hilflos gegenüber. Die Weltwirtschaft ist erneut in Chaos gestürzt, während die Regierungen versuchen, die Auswirkungen des Fastzusammen- bruchs Griechenlands einzudämmen, sind es die ArbeiterInnen, denen die Rechnung präsentiert wird.
„Die Unfähigkeit der Bourgeoisie, die Lösung der grundlegenden Fragen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Europas in die Hand zu nehmen, wird den werktätigen Massen immer deutlicher.“ (Leo Trotzki – Über die Aktualität der Parole „Vereinigte Staaten von Europa“, 30. Juni 1923)
Die Aktienmärkte sind weltweit in Aufruhr. Die Kursstürze an den Börsen sind eine Vorwarnung dafür, dass die wirtschaftliche Wiederbelebung in Gefahr ist. Die extreme Unbeständigkeit der Marktes in den letzten vierzehn Tagen spiegelt einen grundlegenden Vertrauensmangel wider. Alle Ampeln stehen auf rot.
Der aktuelle Grund für die Panik ist die Eurokrise. Das ist schon ironisch. Vor nicht allzu langer Zeit redete man vom Euro als den Rivalen des US-Dollar als weltweite Devisenreserve. Jetzt treiben die Erschütterungen des Euro die Aktienmärkte weltweit nach unten und steigern die Ängste vor einem Rückfall in eine weltweite Rezession.
Die einst florierende Eurozone taumelt am Rande einer extremen Krise. Die Märkte glauben, dass die schwächeren Länder der Eurozone nicht in der Lage sind, die notwendigen Schritte zur Reduzierung ihres Defizits zu unternehmen. Die Sorgen um das griechische Schuldenproblem haben sich weiterentwickelt zu Sorge um Portugal und Spanien. Nur durch das Zuschiessen riesiger Geldmengen aus dem Nothilfefonds kann die europäische Bourgeoisie das wackelige Gebäude stützen.
Die weltweite Finanzkrise von 2008 hatte ihre Ursachen in den Sub-Prime-Hypotheken, aber die jetzige Krise wird durch Sub-Prime-Regierungsschulden, wie man sie vielleicht bezeichnen könnte, beeinflusst. In der Vergangenheit wurden die Anleihen europäischer Länder für wirklich risikolos gehalten. Aber die Staatsverschuldung in einem der zentralen Wirtschaftsgebiete der Welt ist jetzt zu einer Bedrohung geworden. The Economist drückte es so aus: „2008 wird als Jahr in Erinnerung bleiben, indem die Banken ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, 2010 wird als das Jahr in Erinnerung bleiben, indem die Regierungen in Zahlungsverzug gerieten.“
Europas Probleme können zu einer allgemeinen Krise des Weltkapitalismus führen. Am 24. Mai hatte die Washington Post folgende Schlagzeile: „Eine falsche Bewegung in Europa könnte eine weltweite Kettenreaktion auslösen“. Das fasst die Situation angemessen zusammen. Die Lage ist so zerbrechlich, dass auch nur ein kleines Ereignis, wie z. B. ein abgelehnter Etatentwurf in Spanien, das Versagen Griechenlands beim Defizitabbau oder ein Sinken der Wirtschaftsleistung in Irland, eine Kettenreaktion auslösen könnte, die zu einer weltweiten Rezession führt.
Der Artikel kommt zu einer erstaunlichen Schlussforderung: Die Zukunft der wirtschaftlichen Erholung in den USA liegt in den Händen von Politikern in diversen europäischen Hauptstädten.“ Das ist höchst aufschlussreich. Es zeigt den extrem zerbrechlichen und instabilen Charakter der wirtschaftlichen Erholung, der sich in der hohen Nervosität der globalen Märkte widerspiegelt. Fast alles kann einen plötzlichen Vertrauenszusammenbruch verursachen. Die Kreditmärkte auf der gesamten Welt könnten einen Kollaps erleiden und die Weltwirtschaft erneut in eine Rezession führen. Die Eurokrise ist nur die Spitze eines grossen Eisbergs, und wie bei einem echten Eisberg ist der sichtbare Teil schon beängstigend genug, aber der verborgene Teil ist der wirklich tödliche.
In einer verzerrten Form ist die Nervosität eine Reflektion der wachsenden Erkenntnis bei der Bourgeoisie, dass die Wirtschaftskrise zu einem starken Wiederaufleben des Klassenkampfes weltweit führen wird. Die Frage stellt sich einfach: Wird es den Regierungen gelingen, die ArbeiterInnen dazu zu zwingen, die enormen Kürzungen im Haushalt der öffentlichen Hand zu akzeptieren, um den Kapitalismus zu retten? Der Anblick von ArbeiterInnen in Griechenland, Portugal und Spanien, welche auf die Strasse gegangen sind, hat ihnen schon eine Antwort gegeben, die sie nicht hören wollten.
Die Krise in Griechenland ist nur das Unglück, durch das sich das Elend offenbart. In Griechenland ist die Kette des europäischen Kapitalismus an seinem schwächsten Glied gerissen. Aber es gibt noch einige andere schwache Glieder. Selbst wenn sie die Probleme Griechenlands vorübergehend lösen können, grassiert die Angst, dass die Seuche sich auf Portugal, Spanien, Irland und Italien ausbreitet. Und Britannien, obwohl es nicht zur Eurozone gehört, liegt nicht weit dahinter.
Auswirkungen der Globalisierung
Im Grunde genommen ist die Krise ein Ausdruck der Tatsache dass die Produktivkräfte im Weltmassstab in Widerspruch zu den engen Grenzen des Privateigentums und des Nationalstaates geraten. Wie der Zauberlehrling hat die Bourgeoisie Kräfte heraufbeschworen, die sie nicht kontrollieren kann.
In gewisser Hinsicht ist die Bourgeoisie Opfer ihres eigenen Erfolges. Die Kapitalisten haben versucht, die Begrenzungen durch den Nationalstaat durch erhöhte Ausbeutung auf dem Weltmarkt zu überwinden. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden zwei Milliarden zusätzliche Menschen dem kapitalistischen Weltmarkt angegliedert. Der Beitritt Chinas, Russlands, Osteuropas und die erhöhte Beteiligung Indiens versorgte die Kapitalisten mit riesigen neuen Märkten, Kapitalanlage- und Rohstoffquellen.
Jedoch wandelt sich – dialektisch betrachtet – alles in sein Gegenteil um. Der Prozess hat seine Grenzen erreicht. Die Globalisierung offenbart sich als globale Krise des Kapitalismus. Die Faktoren, die vorher dazu dienten, die Weltwirtschaft hochzutreiben, vereinigen sich jetzt, um sie in eine Abwärtsspirale zu führen. Wir haben 1997 und 1998 ähnliches gesehen, als sich die ostasiatische Finanzkrise schnell auf Thailand, Indonesien, Südkorea und andere Staaten ausweitete. Jetzt droht Europa die gleiche Perspektive.
Man kann behaupten, dass Griechenland, Spanien, Portugal und Irland nur rund vier Prozent der Aktivitäten des Weltmarktes vertreten. Aber wenn der Dominostein erst einmal anfängt zu fallen, können die Auswirkungen schnell von Griechenland auf Portugal und Spanien, dann auf Irland und schliesslich auf Britannien übergehen. Das Vertrauen in den Euro würde zusammenbrechen, Chaos auf den weltweiten Geldmärkten verursachen und mit einer neuen Krise an der Wall Street enden. Eswar Prasad, Ökonom an der Cornell University im Bundesstaat New York, drückte das wie folgt aus: „Die Schuldenkrise und deren Auswirkungen sind schlechte Nachrichten für alle Teile der Welt.“
Die Washington Post fährt fort:
„Innerhalb der Eurozone sind die Banken eng mit einem Netz von Investment- und internationalen Anleihen-Holdings verbunden, die ein Hauptüberträger von ‚Finanzseuchen‘ sein könnten und bei einem Zahlungsausfall in einem Land Banken an einem anderen Ort schwächen könnten.“
Europa in der Krise
Die Krise treibt Europa und seine Nationalstaaten in gefährliche und unbekannte Gewässer. Es bestehen bei Regierungen und privaten Kreditnehmern zunehmende Ängste über das Risikoengagement der Banken. Wenn nichts unternommen worden wäre, wären die europäischen Regierungen vom gleichen Schicksal getroffen wie Lehman Brothers. Griechenland könnte auf den unerbittlichen Weg in Richtung Zahlungsverzug gehen.
Bis zum 7. Mai stiegen die Gewinne der Staatsanleihen der schwächeren Länder in der Eurozone enorm als die Märkte ihre Muskeln spielen liessen. Es bestand die wirkliche Gefahr, dass die Auslandsfinanzierungen insgesamt eingestellt würden. Die Nervosität der Anleihenmärkte weist darauf hin, dass die Investoren darauf vorbereitet sind, dass ganze Nationalstaaten untergehen. Sie glauben ganz stark an das alte chinesische Sprichwort „Was tust du, wenn du einen Mann umfallen siehst? – Gib ihm einen Stoss!“
Es ist wahr, dass alle Eurozonenländer ein Interesse daran haben, einen Zahlungsverzug zu vermeiden. Wenn Griechenland untergeht, würde sich die Aufmerksamkeit des Marktes sofort auf Portugal, Spanien, Irland und Italien stürzen. Das Vertrauen in den Euro würde fallen. Die deutsche Bourgeoisie jedoch hält nicht viel davon, die Schulden „verschwenderischer“ Staaten zu bezahlen.
Am 2. Mai legten die Regierungen der Eurozone und der IWF die Bedingungen für das 110 Mrd. Euro umfassende Rettungspaket für Griechenland fest. Das war weit mehr als zuvor versprochen wurde, aber es war noch nicht genug, um die Nerven der Investoren zu beruhigen. Die Börsen in Europa und Amerika fielen am 4. Mai und erneut am darauf folgenden Tag. Die griechischen Staatsanleihen wurden weiterhin als Ramschanleihen gehandelt.
Die europäische Bourgeoisie befand sich in einer Zwickmühle und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Den verantwortlichen Politikern wurde vorgeworfen, sie hätten zu wenig getan und das noch zu spät. Aber in Wirklichkeit war es doch so, was immer sie tun würden, es wäre so oder so falsch. Schliesslich wurden Deutschland und die EU gezwungen, die Eurozone zu retten. In den frühen Morgenstunden des 10. Mai einigten sich die versammelten Finanzminister auf einen Notfallplan, um die Eurozone zu stützen. Dessen Hauptelement ist ein „Stabilisierungsfonds“ in Höhe von 500 Mrd. Euro. 60 Mrd. davon werden durch den Verkauf von EU-Anleihen finanziert.
Der Fonds wird durch bis zu 250 Millionen Euro vom IWF ergänzt. Ausserdem erklärte die Europäische Zentralbank (EZB), sie würde Staatsanleihen kaufen, um ruhige bis „dysfunktionale“ Märkte wiederherzustellen. Sie wird Banken unbegrenzte Darlehen zu einem festgelegten Zinssatz anbieten. Wieder einmal geben die Regierungen Milliarden aus, um einen Kollaps der Banken zu verhindern. Es gibt aber erstens überhaupt keine Garantie, dass es nicht zu einem solchen Zusammenbruch kommen wird und zweitens, wer wird die Rechnung für diese enormen Summen bezahlen?
Die erste Reaktion der Finanzmärkte war natürlich euphorisch. Warum sollten die Haie nicht euphorisch sein, wenn die Aussicht besteht, dass ihnen weitere Milliarden an Steuergeldern in ihre gierigen Schlünde geschoben werden? Der deutsche Aktienmarkt schloss am 10. Mai um fünf Prozent höher. Der französische Hauptindex ging um fast zehn Prozent hoch. Die französischen Banken sind sehr stark in Griechenland engagiert und werden bestimmt stattliche Gewinne machen.
Dieser Euphorie folgte jedoch eine nüchternere Betrachtung. Der Markt weiss, dass das Ganze schnell zusammengeschustert wurde und es keine Garantie dafür gibt, dass es auch langfristig funktioniert. Das Paket will, trotz seiner beeindruckenden Grösse, Zeit für Griechenland und andere verwundbare Regierungen gewinnen, damit diese ihr Haushaltsdefizit verringern und die verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte verbessern können. Wenn das nicht geschieht, wird es in einigen Monaten zu einer noch schlimmeren Krise in der Eurozone kommen.
Nationale Konflikte
Das äussere Erscheinungsbild vom vereinten Europa ist eine Illusion. Hinter der Fassade der Einheit und Solidarität hüten alle Nationalstaaten ihre nationalen Interessen und ihr nationales Bankenwesen wie ihren Augapfel. Diese Spaltung ist in der gegenwärtigen Krise auf grausame Weise ans Tageslicht gekommen.
Der Geist der Sparsamkeit, der der hinter all den Gesprächen über eine „internationale Rettungsaktion“ liegt, zeigt sich an den lang anhaltenden Verzögerungen bis zur Verabschiedung des Plans, der dann weiter verzögert wurde, weil es nicht gelang sich auf Details wie die Zinssätze, die beim Zugriff auf Fonds erhoben werden, zu einigen. Und sofort nach Unterzeichnung des Vertrags begannen die Streitigkeiten zwischen den nationalen Regierungen.
Deutschland besteht darauf, dass das Geld von den Regierungen beschafft und kontrolliert wird und nicht von den Bürokraten in Brüssel. Sie wollen nicht, dass grosse Geldsummen ohne Kontrolle vergeben werden. Mit anderen Worten, das Geld wird Griechenland nur unter strengster Kontrolle gegeben. Britannien hat mitgeteilt, dass es den Vertrag nicht unterzeichnen wird.
Jean-Claude Trichet, der Präsident der EZB, wurde beschuldigt, dem politischen Druck nachzugeben, um verschwenderischen Regierungen auszuhelfen. Axel Weber, der Präsident der Bundesbank, der Nachfolger von Trichet werden könnte, wenn der im nächsten Jahr sein Amt aufgibt, kritisierte das Verhalten der EZB im Börsenblatt. Trichet entgegnete, die Zentralbank sei „aufs Schärfste und vollkommen unabhängig“, eine Aussage, die momentan nicht von vielen Leuten geglaubt wird.
Eine Rede von Merkel in einer Bundestagssitzung verschlimmerte die Angelegenheit noch. Sie sagte, „die gegenwärtige Eurokrise ist der grösste Test vor dem Europa seit Jahrzehnten gestanden hat, “ und weiter: „Wenn der Euro scheitert, scheitert auch Europa.“ Die Märkte, die sich schon in Panik befanden, stürzten erneut ab.
Deutschland traf die einseitige Entscheidung, die ungedeckten Leerverkäufe zu verbieten. Dieser Schritt der steigenden Verzweiflung der deutschen Kanzlerin vor der Abstimmung über das Euro-Rettungspaket wurde am letzten Freitag unternommen. Die Abgeordneten der Opposition und zunehmend auch ihr eigner Koalitionspartner werden immer wütender. Merkel musste etwas unternehmen, um zu beweisen, dass Deutschland nicht nur einfach einen Multimilliarden Scheck vom Steuerzahler unterschreibt, um Griechenland und andere unter die Arme zu greifen. Sie versuchte zu zeigen, dass Deutschland Schritte unternimmt, um sich selbst zu verteidigen.
Das war nicht mehr als ein zaghafter Versuch, die Spekulation in den Griff zu bekommen. Die Erfolgschancen sind gleich null. Denn die Märkte wollen eine vollständige Freiheit, um ihre gierigen Aktivitäten zu verfolgen. Der Schritt führte zu einem Aktienwertverlust von mehreren Milliarden Euro und zog die Währung auf ein Vierjahrestief. Er erzürnte Deutschlands europäischen Partner, die nicht gefragt worden waren. Es gab bisher nicht dagewesene Gegenbeschuldigungen durch die französische Finanzministerin Christine Lagarde und natürlich laute Proteste aus London, sowohl von den Konservativen als auch von der Labour Party, die den vollständig parasitären Charakter des britischen Kapitalismus und seine Abhängigkeit vom Finanzkapital widerspiegeln.
Heuchelei des deutschen Kapitals
Die versteckte Krankheit des europäischen Kapitalismus widerspiegelt sich in den fieberhaften Bewegungen der Börsen. Die Finanzwelt wird durch Gerüchte über einen möglichen Zusammenbruch der Eurozone erschüttert. Alle offiziellen Dementis haben nicht geholfen, die verängstigten Nerven des Marktes zu beruhigen. In dieser Panikstimmung versucht die Bourgeoisie einen Schuldigen zu finden. Die Deutschen beschuldigen die Griechen. Die Griechen beschuldigen die Spekulanten. Die Franzosen beschuldigen die Deutschen.
Der Finger wird immer häufiger auf Berlin gezeigt. Deutschland, das der Motor des Wachstums in der gesamten EU war, seine Banker und seine de-facto Führer sind jetzt die Zielscheibe der aufgestauten Wut und der Enttäuschungen seiner Partner. Warum sind die Deutschen so geizig? Warum hat sich Merkel nicht bemüht, den Griechen früher zu helfen? Bei einem kürzlichen Treffen europäischer Spitzenpolitiker soll Präsident Sarkozy damit gedroht haben, die Eurozone zu verlassen, falls Berlin Griechenland nicht helfe.
Die Kritik der Nachbarn kommt in Berlin nicht gut an. Die bürgerliche Presse in Deutschland und in anderen Ländern versucht, die Situation so darzustellen, als ob Europa „den faulen griechischen ArbeiterInnen hilft.“ Das ist eine Lüge. Die Krise wurde nicht von den griechischen ArbeiterInnen verursacht, sondern durch die gierigen und unbekümmerten Aktionen von Bankern und Kapitalisten sowohl in Griechenland als auch im restlichen Europa. Und der gegenwärtige „Rettungsplan“ ist nicht ein Plan zur Rettung griechischer ArbeiterInnen, sondern zur Rettung der Banken in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, bei denen der griechische Kapitalismus grösstenteils verschuldet ist.
Die öffentlich bekundete moralische Empörung in Deutschland stinkt nach Heuchelei. Der deutsche Kapitalismus profitierte mehr als jeder andere von der Einführung des Euro. Die deutschen Kapitalisten genossen in den Zeiten der Hochkonjunktur eine privilegierte Stellung. Ihre Exporte drangen in jeden Markt ein und nutzten den Vorteil, dass schwächere Volkswirtschaften wie Griechenland, Spanien und Portugal ihre Währung nicht länger abwerten konnten, um die nationalen Märkte zu schützen. Die deutschen Banken waren froh, Profite mit der Darlehnsvergabe an Griechenland, Spanien und osteuropäische Staaten zu machen. Sie machten damals Riesengewinne, sind aber nicht darauf vorbereitet, in der jetzigen Situation Verluste zu machen.
Deutschlands Dilemma
Das Problem ist, das irgendjemand am Ende die Rechnungen bezahlen muss. Merkel schaffte es am 21. Mai eine Rettungsaktion für die gesamte Eurozone durchzuboxen. Aber unter den deutschen WählerInnen wächst die Opposition und diese breitet sich auf Merkels Koalitionspartner und poltische Verbündete aus. „Wieder einmal sind wir die Trottel Europas“, kommentierte die Bild-Zeitung den Euro-Rettungsplan. In den neuesten Umfragen befürworten 47% der Deutschen die Rückkehr zur D-Mark. Bei den wichtigen Landtagswahlen in NRW am 9. Mai erlitt Merkels Koalition eine derbe Niederlage. Dies ist ein Anzeichen für eine wachsende Unzufriedenheit mit der CDU und ihrem Koalitionspartner FDP.
Die schwächeren Mitglieder der Eurozone, auch bekannt als Club-Med-Ökonomien, haben insgesamt Schulden in Höhe von drei Billiarden Euro und die Fähigkeit zur Schuldentilgung werden in Frage gestellt. Die „Märkte“ reagieren aus diesem Grund nervös. d. h. die Banker sind nervös, weil sie befürchten, ihren Anteil nicht zu bekommen. Das betrifft vor allem die deutschen Banker. Die Schulden der Club-Med-Länder bei deutschen Banken belaufen sich auf 500 Milliarden Euro. Trotz des Keuchens und Stöhnens in Berlin, handelt es sich hierbei nicht um Hilfe für Griechenland, sondern für die deutschen Banker und ihre europäischen Komplizen.
Vom Standpunkt der deutschen Kapitalisten war es ein typischer Fall von „Wie man’s macht, macht man’s verkehrt“. Im Falle der finanziellen Hilfe für Griechenland (und die schwächeren Euro-Volkswirtschaften) waren im eigenen Land Probleme vorprogrammiert und es gibt überhaupt keine Garantie, dass es funktioniert. Im Falle einer Weigerung würde eine Nichteinhaltung der Zahlungsverpflichtungen Griechenlands einen Dominoeffekt in ganz Europa und im Weltmassstab haben, welcher Deutschland mit allen anderen Ländern herunterziehen würde. Aus diesem Grund musste Merkel tief Luft holen, bevor sie dem riesigen Rettungspaket zustimmte.
Irgendwann einmal könnte Deutschland zu dem Schluss kommen, dass weitere Rettungsmassnahmen ein Fass ohne Boden sind. Wenn dieser Zeitpunkt erreicht ist, könnte Deutschland beschliessen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Deutschland könnte den Beschluss fassen, die EZB solle ihre Regeln ignorieren und die Schulden der schwächeren Eurozone-Regierungen kaufen, indem man einfach das Mittel der „quantitativen Lockerung“ anwendet und mehr Geld druckt. Die Eurozone, einschliesslich Deutschland, müsste dafür mit einem schwächeren Euro und einer höheren Inflation zahlen.
Die Deutschen beschweren sich stark, dabei übersehen sie aber die Tatsache, dass die Eurozone Deutschland beträchtliche Vorteile verschafft hat. Seit der Einführung des Euro sind die Lohnkosten in den Club-Med-Ländern im Verhältnis zu Deutschland um ungefähr 25 % gestiegen und haben damit Deutschlands Wettbewerbsvorteil erheblich verbessert. Deutschlands Nachbarn sind nicht in der Lage dessen Exporte mit der Abwertung ihrer Währung zu untergraben, aus diesem Grund haben die deutschen Exporte vom Euro profitiert. Als Resultat besteht ein enormer Leistungsbilanzüberschuss von 110 Milliarden Euro (2007) Deutschlands gegenüber dem Rest der Eurozone. Das ist kurzfristig ein gewaltiger Vorteil, langfristig aber völlig unhaltbar.
Um die D-Mark wiedereinzuführen, müsste Deutschland die Bundesbank wieder etablieren und seine Reserven aus der EZB abziehen, seine eigen Währung drucken und Vermögen und Schulden des Landes auf die D-Mark umstellen. Das wäre schwierig, aber nicht unmöglich. Die anderen Mitglieder der Eurozone hätten weitaus grössere Probleme, wenn sie zu ihren alten Währungen zurückkehren würden.
Da jedoch die deutschen Banken die Schulden der Club-Med-Länder halten, wären zumindest momentan die Verluste Deutschlands durch einen Bruch mit der Eurozone wesentlich grösser als das dortige Verbleiben und deren finanzielle Unterstützung.
Griechenland – der kranke Mann Europas
Griechenland schloss sich der Eurozone 2001 an. Zu dieser Zeit bauschte der deutsche Kapitalismus nach der Wiedervereinigung seine eigene Bedeutung gehörig auf. Der Umzug in das politische Zentrum Berlin in der Mitte Europas symbolisierte seinen grenzenlosen Ehrgeiz, Europas Meister zu werden. Unter diesen Bedingungen akzeptierte der Meister des Imperiums gütigerweise den griechischen Beitritt zur Eurozone als weiteren Schritt zur Konsolidierung der deutschen Dominanz über den Balkan, mit der von den Deutschen inspirierten Intrige, Jugoslawien zu zerschlagen.
Der griechische Kapitalismus ist jedoch das schwächste Glied unter den schwächeren kapitalistischen Ländern in der Eurozone. Die griechische Bourgeoisie – die korrupteste und reaktionärste in Europa – dachte, sie sei sehr klug, wenn sie dem Klub der Reichen Europas beitreten würde. Wie der Frosch in Äsops Fabel blies sie sich enorm auf und explodierte dann.
Schon 2001 hätte jeder Blinde die wirkliche Schwäche des griechischen Kapitalismus erkennen können, welche sich in der Leistungsbilanz, dem Haushalt und den Schulden anschaulich widerspiegelte. Solange die Konjunktur anhielt, konnte sich Karamanlis viereinhalb Jahre bequem an der Macht halten. Ihm gelang es zwei Wahlen problemlos zu gewinnen. Die griechische Wirtschaft schien bis 2007 mit einem durchschnittlichen Wachstum von 4 % gesund zu sein.
Die Touristen strömten ins Land, als Folge der Olympischen Spiele von 2004 blühte das Baugewerbe, die Reeder profitierten von Chinas Exportboom und russische Oligarchen kauften teure Grundstücke auf den Ägäischen Inseln. Zusätzlich gab es Subventionen von der EU. Schliesslich schien die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone eine Garantie für den zukünftigen Wohlstand zu sein.
Aber die Weltwirtschaftskrise offenbarte auf brutale Weise die versteckte Schwäche des griechischen Kapitalismus. Als direktes Ergebnis des Beitritts zum Euro verlor die griechische Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit. Viele GriechInnen sind unterbeschäftigt. Das trifft vor allem auf die Jugend zu, unter der die Arbeitslosigkeit enorm zugenommen hat und der Zugang zu den Bildungseinrichtungen deutlich eingeschränkt wurde. Die Arbeitslosigkeit bei Universitätsabgängern in Griechenland liegt bei 21 %, verglichen mit 8 % bei der gesamten Bevölkerung.
Die wachsende Unzufriedenheit, die unter der Oberfläche brodelte, zeigte sich während der gewalttätigen Jugendprotesten, die stattfanden nachdem der 15jährige Schüler Alexander Grigoropoulos im Dezember 2008 von einem Polizisten erschossen wurde. Der Mord löste Unruhen aus, die fünf Nächte andauerten. Diese Proteste weiteten sich auf die Hauptstrassen Athens und vor dort aus über das gesamte Land aus. Es kam zu gewalttätigen Zusammenstössen mit der Bereitschaftspolizei, die auf dem Syntagma Platz Tränengas einsetzte. Gruppen von Jugendlichen steckten Autos in Brand, schlugen Schaufensterscheiben ein und warfen Brandbomben.
Diese Demonstrationen nahmen bisher noch nicht dagewesene Ausmasse an und ähnelten einer Jugendrebellion. Demonstranten griffen Polizeistationen und öffentliche Gebäude in verschiedenen Städten an und verursachten einen Schaden von schätzungsweise 100 Millionen Euro. Hunderte SchülerInnen lieferten sich nach der Beerdigung von Alexander Strassenschlachten mit der Polizei. Andere bewarfen Polizisten, die das Parlament bewachten, mit Steinen und riefen „Fackelt das Parlament ab!“ Das war bereits eine Vorwarnung für die herrschende Klasse. Sie zeigte die aufgestaute Wut der griechischen Jugend, die nur ein extremer Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit innerhalb der griechischen Gesellschaft war.
Im Laufe der Geschichte ging jeder Revolution eine Rebellion der Jugend, besonders der StudentInnen, voraus, die ein empfindlicher Barometer für das Vorhandensein von Widersprüchen und Spannungen in der Gesellschaft sind. Das war 1901 in Russland der Fall und auch 1930 in Spanien. In beiden Fällen waren die Studentendemonstrationen eine Vorwarnung für die Revolutionen von 1905 und 1931.
Die Proteste erzeugten bei den Behörden eine Lähmung. Die rechte Regierung von Costas Karamanlis, die Angst davor hatte, eine noch grössere Bewegung zu erzeugen, war nicht in der Lage eine Ausgangssperre zu verkünden oder Massenverhaftungen zu befehlen. Die Erinnerungen an die Militärdiktatur in den 1970ern war in den Köpfen der Menschen noch zu frisch. Versuche unter den politischen Führern, einen Konsens zur Unterdrückung der Unruhen zu finden, wurden schnell abgebrochen. Am 10. Dezember gab es einen 24stündigen Generalstreik der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, trotz des Aufrufes von Karamanlis, diesen abzusagen.
Diese Ereignisse alarmierten die internationalen Kapitalstrategen. Am 11. Dezember erschien ein Kommentar im Economist, in dem es hiess:
„Wenn man sich ein bescheiden florierendes Land in Europa, von dem die meisten Aussenstehenden annehmen, es habe sich von seiner steinigen Geschichte der Staatsstreiche und Bürgerkriege erholt, näher ansieht, kommt etwas seltsames und erschreckendes ans Tageslicht: das Land wird plötzlich von städtischen Aufständen erfasst, welche die Behörden nicht eindämmen können.“
Die Ereignisse vom Dezember 2008 führten unaufhaltsam zum Sturz der Regierung Karamanlis. Giorgos Papandreou, der Vorsitzende der PASOK, forderte Neuwahlen. „Es gibt effektiv keine Regierung … Wir fordern die Macht“, sagte er. PASOK gewann an Popularität, während die Zustimmung für die Neue Demokratie (ND) in dem Wirrwarr der Finanzskandale sank.
Die PASOK-Regierung
Die Wahlen vom 04. Oktober 2009 endeten mit einem erdrutschartigen Sieg der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), welcher sowohl die politischen Beobachter als auch die PASOK-Führer überraschte. Es war eine deutliche Widerspiegelung der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung. 43,9 % der WählerInnen unterstützten die Partei, die 160 der insgesamt 300 Parlamentssitze erhielt. Die Neue Demokratie wurde erschüttert und fuhr mit nur 33,5 % der Stimmen und 91 Sitze das bisher schlechteste Wahlergebnis ein.
Es war der grösste Sieg der PASOK seit sie 1981 an die Macht kam. Das Ergebnis läuft gegen den aktuellen Wahltrend in Europa, wo sozialdemokratische Parteien schwere Verluste erlitten. Es war ein klares Votum für Veränderungen. Die KP (KKE) erhielt 7,5 % und 21 Sitze und Syriza, ein linkes Bündnis, das aus einer Spaltung der KP hervorging, bekam 4,6 % und 13 Sitze. Laos, eine ultrarechte Partei steigerte sich zu Lasten der ND auf 5,6 % und 15 Sitze.
Anders als sein Vater Andreas Papandreou, aber wie Blair in Britannien, hat Giorgos Papandreou daran gearbeitet, die Partei nach rechts zu bewegen. Er wuchs in Schweden auf, studierte in den USA und unterhält freundschaftliche Beziehungen zu Obama. Ursprünglich hatte er finanzielle Anreize von bis zu 3 Mrd. Euro versprochen, um die ökonomische Erholung zu beschleunigen sowie Lohnerhöhungen über dem Inflationsniveau und Zuschüsse für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Er versprach weiterhin reale Lohnzuwächse und Rentenerhöhungen, um die Binnenkaufkraft zu erhöhen und den Konsum zu steigern. Er sprach vom Export erneuerbarer Energien, die auf den Sonnenseiten der Berge und den windigen Ägäischen Inseln erzeugt werden sollten, und er überredete u. a. griechische Softwareentwickler im Ausland Firmen in Griechenland zu errichten.
Aber diese reformistischen Träume platzten sehr schnell. Sie kollidierten mit der rauen Realität der Wirtschaftskrise, dem Kollaps bei den Steuereinnahmen und einem steigenden Haushaltsdefizit. Die Karamanlis-Regierung gab zu, dass Griechenland seine Zahlen frisiert hatte, um sich 2001 für den Euro zu qualifizieren. Papandreou musste eingestehen, dass das diesjährige Haushaltsdefizit nicht 6,7 sondern 12,7 % betrage.
Es ist korrekt, dass die griechischen Kapitalisten mit der Mentalität eines kleinlichen Feilschers auf dem Wochenmarkt, der verrotteten Fisch verkaufen will, in dem er frische Fische oben auf legt, versuchten einfach die Statistiken zu fälschen, um die Fakten zu verbergen – übrigens etwas, was nicht nur sie praktizieren. Aber früher oder später kamen die Fakten ans Licht. Die Ursache des Problems liegt aber nicht in Athen und der dortigen fehlerhaften Buchhaltung.
Das Problem besteht genau gesagt im Mechanismus der „freien Marktwirtschaft“, welche mit der gleichen Rationalität agiert wie eine Herde Antilopen in der Savanne. Solange der Markt sich nach oben bewegte, wurden die Feinheiten der Ökonomie und die finanzielle Stabilität nicht beachtet. Aber als die Märkte begannen sich nach unten zu bewegen, setzte Panik ein und es kam zu einer wilden Flucht, die jetzt niemand mehr aufhalten kann. Die Spekulanten eilen blind bei der Suche nach einem sicheren Hafen von einem Markt zum anderen. Dabei zertrampeln sie Früchte auf den Feldern, zerstören Häuser und töten jeden, der ihnen im Weg steht.
Die Märkte entscheiden
Es gibt ein altes Sprichwort: Der Mensch denkt und Gott lenkt. Heute müsste man genauer sagen: Der Mensch denkt und der Markt lenkt. Bei einem Haushaltdefizit von fast 13 % und öffentlichen Schulden von 125 % des Bruttosozialproduktes waren die internationalen Investoren von Papandreous Versprechen nicht beeindruckt und sie schickten ihm eine Botschaft , um ihm ihre Meinung mitzuteilen. Die Aufschläge auf griechischen Staatsanleihen gegenüber deutschen Anleihen begannen zu steigen und sind seither weiter gestiegen. Dies bedeutet im Finanzbereich dasselbe, als wenn man die Hand auf die Genitalien eines Mannes legt und sanft anfängt zu drücken.
Papandreou will den sozialen Frieden und eine Sparpolitik. Aber diese beiden Dinge sind unvereinbar. Er will eine direkte Konfrontation mit den Gewerkschaften vermeiden, aber er hat nur zwei Alternativen: Entweder verteidigt er die Interessen der ArbeiterInnen oder die der Kapitalisten. Und er hat sich entschieden. Papandreou ist gezwungen den Lebensstandard zu kürzen, um den allmächtigen Markt zu beschwichtigen, genauso wie Agamemnon gezwungen war, seine Tochter Iphigenie zu opfern, um die Götter des Olymp zu beschwichtigen. Agamemnon fand ein schlimmes Ende als Folge seiner Handlungen und seine Nachfolger werden ein noch schlimmeres Ende finden.
Der griechische Ministerpräsident versucht, sich hinter dem Internationalen Währungsfonds und anonymen „internationalen Spekulanten“ zu verstecken, die Griechenland in die Knie gezwungen haben. Aber für die Millionen griechischer ArbeiterInnen, denen brutale Kürzungen ihres Lebensstandards bevorstehen, sind diese Argumente keine Entschuldigung für das Vorgehen der PASOK-Führer. Die griechischen ArbeiterInnen hassen die Spekulanten, den IWF und die bürgerlichen EU-Spitzenpolitiker. Aber sie können einer Regierung nicht vergeben, die sich sozialistisch nennt, aber vor dem IWF und Brüssel komplett auf die Knie gesunken sind.
Papandreou befand sich umgehend zwischen den Mühlsteinen zerrieben. Aber die Versprechen des Ministerpräsidenten, eine Sparpolitik zu betreiben, haben die Märkte nicht überzeugt. Für jeden Schritt, den die reformistischen Führer nach hinten gehen, verlangt die Bourgeoisie zehn weitere. The Economist bemerkte dazu: „Für griechische Verhältnisse war Mr Papandreou mutig, aber er sollte noch mutiger gewesen sein. Irland gab am 9. Dezember das Tempo vor, als es einen Haushalt vorlegte, der starke Einschnitte im öffentlichen Dienst vorsieht.“ Weiter heisst es: „Schwere Zeiten fordern leider harte Massnahmen.“ Hier spricht die wahre Stimme der Bourgeoisie: Mit versteinerter Miene, hartherzig und völlig undurchlässig für das Leiden der Menschen. Alles muss auf dem Altar des Kapitals geopfert werden!
Das von der Athener Regierung beschlossenen Sparprogramm war für die Bourgeoisie zu wenig, für die ArbeiterInnen zu viel. Die griechischen ArbeiterInnen folgten ihren hervorragenden revolutionären Traditionen und reagierten sofort mit Massendemonstrationen. Sie gingen auf die Strasse, weil sie sich von der Regierung verraten fühlten und hofften sie könnten ihre Arbeitsplätze und ihre Lebensstandards zu verteidigen. Seit Monaten sind Athen und andere Städte Schauplätze von Massendemonstrationen. Ein bürgerlicher Kommentator in Britannien beschrieb die Lage folgendermassen: „Griechische ArbeiterInnen gegen europäische Banker.“ Das ist eine gute Beschreibung.
Marx schrieb, dass Frankreich das Land sei, in dem die Klassenkämpfe bis zum Ende geführt würden. Das kann man auch von Griechenland sagen. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg und die bittere Teilung zwischen links und rechts sowie später die Junta und die Aufstände am Polytechnikum im November 1973 sind im Gedächtnis der Massen eingebrannt. Die Klassenteilung bildet eine Bruchstelle, die durch die griechische Gesellschaft geht und jederzeit explodieren kann.
Die Frage stellt sich sehr einfach: Die Bourgeoisie kann es sich nicht leisten, die Zugeständnisse, die ihr in der Vergangenheit abgerungen wurden, aufrechtzuerhalten. Aber die ArbeiterInnenklasse kann keine weiteren Angriffe auf ihre Lebensstandards und -bedingungen tolerieren. Die europäischen ArbeiterInnen werden nicht mit verschränkten Armen zusehen, wie die Errungenschaften der letzten fünfzig Jahre systematisch zerstört werden. Die Entwicklungen in Griechenland zeigen deshalb, was in jedem europäischen Land geschehen wird, wenn die Krise sich ausbreitet.
26. Mai 2010
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024