Um eine korrekte Position zu einer Steuerreform zu fällen, müssen wir uns immer fragen, welcher Klasse sie nützt. Schauen wir uns die Rolle der Steuern im Kapitalismus an.
In der Schule lernte ich, dass sich links und rechts darin unterscheiden, dass links für mehr Steuern und mehr Staat steht und rechts für weniger. Niemand zahlt gerne Steuern, und deshalb ist die Linke nicht beliebt. Dieses Modell verhüllt aber die fundamentale Frage für uns Linke: Welcher Teil der Gesellschaft bezahlt die Steuern und wofür werden sie ausgegeben? Die heutige Steuerpolitik wird nicht einfach im Parlament bestimmt, sie ist ein Ausdruck der kapitalistischen Verhältnisse, in denen wir leben.
Unter den gegebenen Bedingungen der kapitalistischen Klassengesellschaft ist es entscheidend, welche Klasse für die Steuern aufkommt. Die KapitalistInnen lassen die ArbeiterInnen Wert produzieren, bezahlen ihnen jedoch weniger Lohn, als sie Wert erschaffen. Diese Differenz, den Mehrwert, schröpfen die KapitalistInnen als Profit ab. Ihn reinvestieren die KapitalistInnen, um sich noch mehr zu bereichern. KapitalistInnen kämpfen also dafür, dass sie möglichst viel Profit selber einstreichen können. Die ArbeiterInnen auf der anderen Seite kämpfen dafür, dass sie möglichst viel Geld zum Leben haben. Die Interessen dieser beiden Klassen sind also unvereinbar entgegengesetzt: Was die Kapitalisten für ihren Profit gewinnen, verlieren die ArbeiterInnen für ihr Leben – und umgekehrt. Darum dreht sich der Klassenkampf.
Nicht wieviel Steuern – sondern wessen Steuern
Dieser Verteilungskampf zwischen KapitalistInnen und ArbeiterInnen ist auch in der Steuerfrage entscheidend. Werden die Steuern vor allem durch Arbeitseinkommen oder durch die hohen Einkommen der KapitalistInnen entrichtet? Unterschiedliche Steuerformen treffen die Klassen unterschiedlich hart.
Ein Beispiel ist die Mehrwertsteuer: Ein bestimmter Prozentsatz, der eigentlich den Unternehmen berechnet wird. Dieser Satz wird aber als Produktionskosten an die KonsumentInnen weitergegeben, die letztlich für die Mehrwertsteuer aufkommen. Die Mehrwertsteuer ignoriert die horrenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten und verlangt von jedem denselben Steuersatz. Da die ArbeiterInnenklasse einen viel grösseren Anteil ihres Lohnes für lebensnotwendige Konsumgüter ausgibt, trifft sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer besonders hart – unterschiedliche MwSt-Sätze können dieses Prinzip nicht aushebeln. Die Bourgeoisie, die den Grossteil ihres Einkommens für Luxusgüter ausgibt oder investiert, kann eine Mehrwertsteuererhöhung locker verschmerzen.
Als MarxistInnen setzen wir dagegen immer auf das Prinzip der Progressivsteuer: Wer mehr verdient, bezahlt auch einen höheren Steuersatz. Wir wollen den Anteil, den die Arbeitenden für die Aufrechterhaltung des Staates bezahlen müssen, möglichst klein halten und möglichst viel von den Bonzen bezahlen lassen. Die 99%-Initiative, die eine Kapitaleinkommenssteuer fordert, geht deshalb in die richtige Richtung, auch wenn es so etwas wie eine «gerechte» Besteuerung des Kapitals nicht geben kann.
Jede Steuer schmälert also entweder das Kuchenstück der herrschenden Klasse oder jenes der unterdrückten Klassen. Bei jeder Steuerreform müssen wir uns also fragen, ob nachher die ArbeiterInnen mehr Geld zum Leben oder die KapitalistInnen mehr Geld zum Investieren haben.
Das öffentliche Interesse
Neben der Frage, wer wieviel bezahlt, müssen wir auch berücksichtigen, wofür Steuern ausgegeben werden. Wir bekämpfen alle Ausgaben für die Polizei und die bürgerliche Armee, da diese Institutionen, wenn es hart auf hart kommt, einerseits für Repression gegen die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt werden, andererseits aber auch dazu dienen, die Verteilung der Territorien unter den KapitalistInnen auszufechten.
Natürlich werden die Steuergelder in modernen bürgerlichen Gesellschaften nicht nur für die Aufrüstung des Repressionsapparats ausgegeben. Die Schweizer KapitalistInnen haben heute die gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert, und ihre bürgerlichen Vertreter sorgen dafür, dass die Steuern möglichst in ihrem Sinne ausgegeben werden: Der Schweizer Staat tätigt Ausgaben in Infrastrukturprojekte wie Strassen, Eisenbahnen oder grosse Gebäude, die für die Produktion benötigt werden. Dies deckt zwar zum Teil die Bedürfnisse der Arbeitenden, hat in letzter Analyse andere Hintergründe: Nur wenn produziert wird bzw. durch Infrastruktur die Effizienz der Produktion gesteigert wird, können weiter Löhne ausbezahlt und Profite abgeschöpft werden, die die KapitalistInnen am Leben erhalten und von deren Besteuerung der Staat lebt.
Die Schweizer ArbeiterInnenbewegung konnte aber auch einige Zugeständnisse abringen, an denen die KapitalistInnen letztlich kein Profitinteresse haben, so zum Beispiel die Altersvorsorge. Schulen und Spitäler sind wichtig für die Wirtschaft, aber die ArbeiterInnenbewegung hat dafür gekämpft, dass diese öffentlich finanziert werden.Wenn wir die Kosten nicht vom Lohn bezahlen müssen, kommen solche Ausgaben deshalb einer indirekten Lohnerhöhung gleich – und damit einer Einbusse bei den Profiten der Kapitalisten. Kein Wunder also, dass in der aktuellen Krise des Kapitalismus die Regierungen in allen Ländern versuchen, diese sozialen Ausgaben zurückzuschrauben, um Profite zu retten! Wir verteidigen die Ausgaben für Schulen, Spitäler, Arbeitslosenkasse usw. gegen alle Abbaumassnahmen der KapitalistInnen, seien es Budgetkürzungen oder Privatisierungen. Das sind alles Versuche, die ArbeiterInnen härter auszubeuten.
Wem gehört die Welt?
Schlussendlich geht es bei der Steuerfrage immer darum, wessen Stück vom Kuchen grösser und wessen Stück kleiner wird. In den letzten Jahren haben wir in der Schweiz gleich mehrere Projekte der Bürgerlichen gesehen, ihr Stück vom Kuchen zu vergrössern, sei es durch Unternehmenssteuerreformen oder Versuche, die Altersvorsorge abzubauen und bei der Bildung zu sparen. Wir wissen, dass im Kapitalismus auf jedes Sparpaket und jedes Steuergeschenk für Reiche das nächste folgt. Darin sehen wir aber keinen Grund zu kapitulieren, wie das die schweizer Sozialdemokratie macht. Sie versucht mit faulen Kompromissen mit den Bürgerlichen geringstmögliche Verschlechterung für die Situation der Lohnabhängigen rauszuholen. Das versucht sie dann möglichst staatsmännisch zu verkaufen, um irgendwie in der Mitte noch ein, zwei Sitze abzugraben – macht sich aber bei den Lohnabhängigen komplett unbeliebt, schliesslich greift sie ihren Lebensstandard an. So schaufelt sich die Linke ihr eigenes Grab. Steuergeschenke für Unternehmen und Abbaupakete gehen nicht nur alle etwas an, sie sind bei praktisch allen ArbeiterInnen unbeliebt, egal ob und was sie wählen. Mit einer klassenkämpferischen Linie in der Steuerpolitik können wir die ArbeiterInnenklasse für ein sozialistisches Projekt gewinnen.
Frank F.
Juso Basel-Stadt
Illustration: Rodriquez (Truthout)
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