Die herrschende Klasse stellt Kommunisten gerne als blutrünstige Gewalttäter dar. Dementsprechend versuchen die Medien in allen Interviews, unsere Genossen dazu zu bringen, sich zu Gewalt zu bekennen.

Beantworten wir also die Frage klar und deutlich: Sind Kommunisten für eine «gewaltsame Revolution»? Nein, wir kämpfen für den friedlichsten Übergang zum Sozialismus, der nur irgendwie möglich ist.

Es fällt uns schwer, unseren Spott zurückzuhalten, wenn die Verteidiger des Systems die Millionen Schrecken und Verbrechen von heute verschweigen, nur um über die imaginäre zukünftige «Gewalt» einer kommunistischen Revolution zu jammern.

Wer ist gewalttätig?

Rund um den Globus vergiesst der Kapitalismus Ströme von Blut. 114 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht. Sie fliehen vor Krieg und Gewalt infolge imperialistischer Interventionen und Armut, von Gaza über die Ukraine bis zum Sudan, der DR Kongo usw. Seit Oktober haben sämtliche westlichen Medien und das politische Establishment Israels Kollektivbestrafung der Bewohner des Gazastreifens als «legitime Selbstverteidigung» gerechtfertigt. Diese «Selbstverteidigung» tötete bislang mindestens 35’000 Menschen, davon 70 Prozent Frauen und Kinder.

Dieselben Medien geben sich jedoch entsetzt, wenn wir Kommunisten erklären, dass wir zwar eine friedliche Umgestaltung der Gesellschaft anstreben, die Arbeiterklasse aber gleichzeitig das Recht hat, sich und ihre Errungenschaften zu verteidigen.

Die Scheinheiligkeit der Kapitalisten hat eine innere Logik. Sie finden immer eine Rechtfertigung für die Gewalt der Unterdrücker und Ausbeuter, die ihre Reichtümer und Privilegien verteidigen. Doch für diejenigen, die es wagen, ihre Herrschaft in Frage zu stellen, ist kein Fegefeuer heiss genug.

Auch die herrschende Klasse der sogenannten demokratischen Länder zeigt, zu welcher Brutalität sie bereit ist, je mehr sich der in den Tiefen der Gesellschaft aufgestaute Unmut zeigt. Ein Beispiel dafür ist die Gilet-Jaunes-Bewegung im Jahr 2018, als sich die französischen Massen gegen die «demokratische» Regierung Macron erhoben. «Gewalt auf den Strassen wird nicht geduldet», verkündete Präsident Macron feierlich, bevor er bewaffnete Polizisten schickte, die Explosivgeschosse zur Repression einsetzten, wodurch 17 Menschen Augen verloren und drei Personen Hände oder Füsse amputieren mussten. 

Kürzlich wurden auch friedliche Demonstrationen an den Universitäten brutal aufgelöst. Das sind keine Einzelfälle. Zahlen von Amnesty International zeigen, dass 54 Prozent der Regierungen im Jahr 2022 gewaltsam gegen friedliche Proteste vorgegangen sind und dabei auch gegen ihre eigenen Gesetze verstossen haben.

Gefährliche Konterrevolution

Sobald eine Massenbewegung ihre existentiellen Interessen bedroht, sind der Gewalt der Kapitalistenklasse keine Grenzen mehr gesetzt. 1973 wurde die demokratisch gewählte sozialistische Regierung Allendes in Chile mit Hilfe der USA geputscht. Daraufhin schlachtete das Pinochet-Regime 10’000 Arbeiter, Sozialisten, Kommunisten und andere Aktivisten ab. 

 Wenn die Massen nicht vorbereitet sind, sich zu wehren, wenn nötig mit Waffen in der Hand, sind sie schutzlos. Die mangelnde Bereitschaft Allendes, die Massen zu bewaffnen, erlaubte Pinochet in Chile die ungehinderte Machtübernahme mit einem Blutbad als Resultat.

Hätten sich die Massen wie die Lämmer zur Schlachtbank führen lassen sollen? Kommunisten antworten: Nein! Wir verteidigen vorbehaltlos das Recht der Massen, sich zu verteidigen! Wir sind keine Pazifisten und hegen keine Illusionen hinsichtlich der gütigen Absichten der herrschenden Klasse.

 Mit entschiedener Aktion hätten die blutrünstigen Schergen des alten Regimes leicht entwaffnet und ihre Anführer verhaftet werden können. Stattdessen führten die Wankelmütigkeiten der Führung zu einer blutigen Niederlage der Revolution.

Können Revolutionen friedlich sein?

Friedliche Revolutionen sind möglich, aber nur, wenn die überwältigende Kraft der organisierten Arbeiter und Armen die alte herrschende Klasse davon überzeugt, dass Widerstand zwecklos ist.

Die herrschende Klasse behauptet, dass jeder, der die Revolution befürwortet, Gewalt befürwortet. Der Blick in die Geschichte zeigt jedoch: Die überwältigende Mehrheit der Revolutionen in der Neuzeit begann relativ friedlich. Die Unterdrückten wenden sich gerade deshalb der Revolution zu, um die Unterdrückung und Gewalt des Status quo zu beenden.

Grausame Gewalt sehen wir erst dann, wenn die Konterrevolution in die Offensive geht. Beispielsweise war die deutsche Revolution von 1918 relativ friedlich und beendete immerhin das grosse Gemetzel des Ersten Weltkriegs. Aber als es den Arbeitern nicht gelang, die Macht zu ergreifen, entsandte die herrschende Klasse ihre Freikorp-Todesschwadronen, um Kommunisten und radikale Arbeiter zu jagen und zu töten. Als schliesslich 1929 eine neue Krise ausbrach, überliess die herrschende Klasse die Macht lieber Hitler, als sich einer neuen revolutionären Explosion zu stellen, und ermöglichte so das Abschlachten von Millionen Menschen im Holocaust und im Zweiten Weltkrieg.

Die herrschende Klasse legt lieber die alte Welt in Schutt und Asche, als eine neue Welt entstehen zu lassen, die frei ist von der Sklaverei und Erniedrigung ihrer Herrschaft.

Die Krise des Kapitalismus wird die Massen dazu zwingen, den Weg zur Revolution einzuschlagen. Wenn die Arbeiterklasse entschlossen und unter fester revolutionärer Führung antritt, kann ihre heutige Stärke dazu führen, dass die herrschende Klasse vielerorts die Nutzlosigkeit ihres Widerstandes einsieht und sich nicht mehr wehren kann.

Sind die Arbeiterführer dagegen unentschlossen oder unterliegen pazifistischen Illusionen, dann wird die Konterrevolution die Gelegenheit nutzen, um ihre Herrschaft mit Blut und Stahl wieder zu stabilisieren. Paradoxerweise sind es die pazifistischen Illusionen und nicht der revolutionäre Realismus, die zu den blutigsten Katastrophen führen.

Die Geschichtsbücher belegen, wie die Vergeltung der herrschenden Klasse aussehen kann. Nach dem Aufstand von Spartacus gegen Rom im Jahr 71 v. Chr. wurden 6‘000 Sklaven auf der Via Appia gekreuzigt. In der «blutigen Woche» wurden nach der Niederschlagung der Pariser Kommune im Mai 1871 30’000 Pariser Arbeiter abgeschlachtet. Wo immer die Konterrevolution der herrschenden Klasse siegreich ist, ertränken sie die Revolutionen im Blut.

Indem die herrschende Klasse behauptet, die Kommunisten seien gewalttätig, versucht sie, den Spiess umzudrehen und uns zu Angeklagten zu machen. Die Kapitalisten begehen abscheulichste Verbrechen. Unfähig, etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen, keifen sie: «Ihr Ungeheuer wollt mich wegen meiner Gewalttaten verurteilen, nur um beim Vollzug eures Urteils noch schlimmere Gewalt gegen mich auszuüben!»

Dies ist ein Versuch, den Arbeitern Sand in die Augen zu streuen. Unsere Rache wird kein sinnloses Blutvergiessen sein, sondern die Enteignung der Kapitalistenklasse und die Schaffung einer neuen menschenwürdigen Gesellschaft, die an die Stelle der drohenden kapitalistischen Barbarei tritt.


Lesetipps


„Gewalt“ der RKP

In der Schweiz übernimmt Dirk Baier, ZHAW-Professor und «Extremismusexperte», die wichtige Aufgabe, zusammen mit der SVP vor der «künftigen Gewalt der RKP» zu warnen. Wahrscheinlich macht er sich Sorgen, weil sein Team bereits 2018 herausfand, dass 47,1 % der 17- und 18-jährigen in der Schweiz antikapitalistisch sind und 5,6 % gar kommunistische Einstellungen hegen. Heute, nach Covid, Inflation und CS-Rettung dürften es noch mehr sein.

Während sie uns Gewalt vorwerfen, bereitet sich die Schweizer Bourgeoisie darauf vor, ihre Armee wieder kampftüchtig zu machen. Zum ersten Mal seit 1991 proben Kampfjets Start und Landung auf der Autobahn A1. Das Militärbudget wird über die nächsten Jahre von ca. 5,5 Milliarden auf etwa 9,5 Milliarden Franken pro Jahr verdoppelt. Im Parlament wird lediglich debattiert, wie schnell und welche Teile der Arbeiterklasse dafür bezahlen sollen.


Eingeständnis eines Ex-Pazifisten

Nic, Genf

Schon in meiner Kindheit habe ich Gewalt gehasst. Ich habe nie mit Spielzeugsoldaten gespielt, später nahm ich an Friedensbewegungen teil. Ich war stolzer Pazifist, also prinzipiell gegen Gewalt.

Ich fühlte eine blinde Wut auf Ungerechtigkeit und die Gewalt, die sie auslöste. Ich sagte mir: «Niemals lasse ich mich dazu herab, dieselben Mittel einzusetzen.» Die Erwachsenen, die Lehrer, priesen mich ebenso dafür wie gutgläubige Linke. Deshalb fühlte ich mich moralisch unbefleckt.

Aber je mehr ich die Gewalt sah, die die Gesellschaft über die Welt ergiesst, desto mehr wurde mein Pazifismus zu einer Zwangsjacke, die mich zu Untätigkeit und Pessimismus verbannte. Das änderte sich, als ich mich der RKP anschloss und erkannte, dass die Gewalt nicht zufällig, sondern dem Kapitalismus inhärent ist.

Der Materialismus lehrt uns, die Realität der Dinge zu konfrontieren und idealistische Moralvorstellungen beiseitezulassen. Dann sehen wir eine in Klassen gespaltene Gesellschaft. Zur herrschenden Klasse, der Bourgeoisie, gehören Leute wie UBS-Präsident Ermotti, der für neun Monate Arbeit mehr als 14 Millionen Lohn einkassiert. In der reichen Schweiz hingegen kommt die Hälfte der Arbeiter kaum mehr über die Runden, und viele verzichten aus finanziellen Gründen auf medizinische Ausgaben oder Kinder.

Die herrschende Klasse setzt ihre Privilegien mit extremer und insbesondere systemischer Gewalt durch. Das zeigen die imperialistischen Kriege und Massaker, die die Bourgeoisie für ihre Interessen anrichtet. Aber auch in der Art und Weise, wie alte Menschen in Hospizen behandelt werden oder wie sie Migranten nur wenige Meter vor der Küste im Meer sterben lassen.

Auf der anderen Seite treten die unterdrückten Klassen zunehmend mehr in den Kampf ein, vor allem in Krisenzeiten wie heute.

Der Klassenkampf existiert. Als Marxisten erkennen wir diese grundlegende Realität an. Und das ist nicht alles. Wir sind Kommunisten, weil wir uns entschieden haben, die Seite der Unterdrückten einzunehmen, immer und kompromisslos.

Gleichzeitig ist das Streben nach würdevollen und friedlichen Beziehungen und das Mitgefühl für alle, die unter Unterdrückung leiden, das, was uns zum Kommunismus getrieben hat. Jeder von uns wurde radikalisiert, nicht durch Theorie, sondern durch ein Gefühl der Rebellion gegen die Gewalt des Kapitalismus, sei es wegen Palästina, des Klimas, der Obdachlosigkeit oder anderer Barbarei. Uns treiben nicht abstrakte Vorstellung von Moral an, sondern das Bedürfnis, in Würde zu leben.

Diese individuellen Aspirationen verwandeln sich in Empathie mit allen unterdrückten Klassen der Welt, wenn wir den gemeinsamen Ursprung der Unterdrückung erkennen: das kapitalistische System, das Scharen von Menschen dem obszönen Profit einiger weniger opfert.

Von diesem Standpunkt aus wird Gewaltlosigkeit als abstraktes, vom Ziel des Kampfes getrenntes Konzept, Unsinn. Es ist absurd, die Gewalt des Unterdrückers gleichzusetzen mit der Gewalt der Unterdrückten, die versuchen, sich von ihren Ketten zu befreien. Diese Absurdität wird von der herrschenden Klasse als Evangelium gepredigt, um die Arbeiterklasse zu entwaffnen. Während die Bourgeoisie denjenigen, die revolutionäre Slogans wie «Intifada bis zum Sieg» verteidigen, empört gewalttätige Absichten unterstellt, unterstützen sie den Genozid an den Palästinensern Bombe um Bombe, Dollar um Dollar.

Die Anwendung von Gewalt um jeden Preis und aus Prinzip abzulehnen, bedeutet, den Löwenkäfig mit einem Buttermesser zu betreten. Der Grund, warum die bürgerliche Moral den gewaltlosen Aufstand als die einzige ethische Form des Aufbegehrens darstellt, ist, weil SIE die Löwen sind!

Nach Jahren des Schlummers wurde mir klar, dass ich einer pazifistischen Ideologie anhing, von der nur diejenige Klasse profitierte, die die eigentliche Quelle des Leids war, das ich bekämpfen wollte! Und das alles nur, weil ich idealistische Prinzipien über die materielle Realität der Dinge stellte.