Jeder junge Mensch, der von zu Hause ausziehen will, kennt die Geschichte: Es heisst zwar immer, es boomt auf dem Bau. Wir sehen es auch bei Freunden, die in der Branche arbeiten, oder wenn wir in die Landschaft schauen: überall Baukräne. Doch für günstigen Wohnraum reichts dann doch nicht. Über eine Branche in der Blase.
Da nun so viel gebaut wird, sollte man eigentlich meinen, es gebe genügend leistbaren Wohnraum. Nur: Dieser wird keinen Deut billiger, im Gegenteil, die Mieten steigen rasant an. Seit dem Jahr 2000 stieg der Mietpreisindex um über 20% und die Realität in den grösseren Städten sieht dabei wohl noch um einiges schlimmer aus. Für die Mieten gehen Monat für Monat 1/5 des Einkommens drauf, für ArbeiterInnen mit einem niedrigen Einkommen (unter 4’600 Franken) ist es gar 1/3. Und für junge Menschen in der Ausbildung dürfte dieser Anteil noch höher sein, wie jeder aus persönlicher Erfahrung kennt.
Ende letzten Jahres schufteten 330’000 ArbeiterInnen auf dem Bau. Jeder weiss, mit welchen gesundheitlichen Risiken die Arbeit in dieser Branche verbunden ist. Auch der Arbeitsdruck ist enorm hoch. Doch nicht nur das; die BauarbeiterInnen sehen sich mit mafiösen Geschäftsstrukturen der Baumeister konfrontiert, Stichwort Unterakkordanten. Erhöhter Lohndruck ist die Folge davon. Systematisiert wurde dieser Druck z.B. bei den Einstiegslöhnen für Lehrabgänger im aktuell gültigen Bau-GAV.
Wenn also all das Gebaue den Lohnabhängigen und der Jugend keine leistbaren Mietwohnungen bringt, aber auch den Druck auf die BauarbeiterInnen erhöht, wem nützt es dann? Zunächst mal den Baumeistern. Über die letzten Jahre stiegen ihre Umsätze, seit 2005 um beachtliche 25%. Die Produktion aber stieg lediglich um ungefähr 12%. Die Umsätze steigen also einiges mehr als das Bauvolumen. Es werden einerseits also teurere Wohnungen und Gebäude gebaut, anderseits erfolgreich die Ausbeutung der BauarbeiterInnen erhöht. Auf Kosten der BauarbeiterInnen gibt’s Umsatzsteigerungen für die Baumeister, auf Kosten der Lohnabhängigen steigen die Mieten und Wohnungspreise.
Wieso der Preisanstieg der Mieten
Von verschiedenen Seiten, u.A. von Teilen der Gewerkschaftsspitze, wird der Preisanstieg im Häusermarkt mit der Einwanderung und geändertem Wohnverhalten erklärt. Wir leben im Kapitalismus und in diesem werden die Preise tatsächlich in erster Linie durch Angebot und Nachfrage geregelt. Wie es Engels in seinem Pamphlet Zur Wohnungsfrage auf den Punkt brachte, so hat „der Hausbesitzer, in seiner Eigenschaft als Kapitalist, nicht nur das Recht, sondern, vermöge der Konkurrenz, auch gewissermaßen die Pflicht (…), aus seinem Hauseigentum rücksichtslos die höchsten Mietpreise herauszuschlagen.“ (MEW, Bd. 18, S. 236) Es sind also nicht nur die Baumeister, welche profitieren, sondern auch die Hauseigentümer, die grossen Vermieter.
Die Migration hat einen Einfluss auf die Mieten. Sie ist jedoch wiederum in weitem Masse abhängig von der wirtschaftlichen Struktur und der Konjunktur eines Landes. Waren es zu Zeiten von Engels noch der Aufschwung der kapitalistischen Produktionsweise und die Konzentration der Fabriken in den Städten, welche einen „plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten“ (Ibid. S. 213) zur Folge hatte, so befinden wir uns heute in einem völligen anderen Stadium kapitalistischer Entwicklung. Der Schweizer Imperialismus mit seinem starken Finanzsektor und den Rohstoffspekulanten braucht qualifizierte Arbeitskräfte. Diese haben, Superprofiten sei Dank, hohe Löhne, mit welchen sie sich dann teure Mieten leisten können, im Gegensatz zu der immensen Mehrzahl von 60% der MieterInnen, schweizerischen wie ausländischen ArbeiterInnen, welche als VerkäuferInnen, in der Industrie oder auf dem Bau arbeiten und bei welchen die Mieten einen immer grösseren Anteil der Löhne wegfrisst.
Wer den Kapitalismus akzeptiert, muss auch die Mietsteigerungen akzeptieren. Denn die Mieten steigen, weil die Hauseigentümer es sich einfach erlauben können, Marktwirtschaft sei Dank, Privateigentum sei Dank.
Dass teurere Wohnungen gebaut werden, ist auch ganz im Sinn grosser Kapitaleigner, also der Immobilienspekulanten. Da die Preise während einer Blase immer weiter aufgebläht werden, geht es ihnen darum, eine Immobilie zu einem mehr oder weniger späteren Zeitpunkt teurer zu verkaufen. Mit teuren Immobilien, ob diese am Ende der Kette vermietet oder durch Eigentümer bewohnt werden, kann mehr spekulativer Gewinn erzielt werden. Diese Kapitalisten spielen sehr bewusst mit den Kräften der Marktwirtschaft.
Billiges Geld und billiger Kredit
Die Einwanderung erklärt vielleicht einen Teil der Mieterhöhungen, aber eben nicht alleine den enormen Anstieg der Hauspreise generell. Wir sind in einer Immobilienblase und dies streitet heute auch kaum jemand mehr ab. Eine solche Blase wird durch die Ausdehnung des Kredits aufgebläht, also durch die Vergabe von Hypotheken. Und so nahm seit 2008 die Hypotherkarverschuldung um 16% zu. Sie beträgt um die 800 Milliarden Franken, was mehr als 50% höher liegt als die Wirtschaftsleistung der Schweiz. Dieser Anstieg wird durch die tiefen Zinsen angefeuert.
Die Banken bekommen von der Nationalbank billiges Geld. Da nun aber die Profitaussichten in der Industrie nicht gerade rosig sind, geben sie dieses Kapital kaum an Unternehmen weiter, damit diese in ihre Fabriken investieren könnten. Doch brach liegen lassen wollen sie das Kapital auch nicht. Mit Teilen davon spekulieren sie also froh auf Rohstoff- und Aktienmärkten. Mit einem anderen Teil vergeben sie günstige Hypotheken. Es wird also für die Menschen billiger, Kredite aufzunehmen, mit welchen sie sich dann Häuser kaufen können. Und wieder spielt die Marktwirtschaft: mehr Nachfrage an Häusern treibt die Preise an. Sehr wenige Menschen in der Schweiz könnten sich eine Wohnung oder ein Häuschen leisten, ohne eine Hypothek aufzunehmen. Der Kredit dehnt dafür den Markt über seine natürlichen Grenzen aus. Die Nachfrage wird künstlich gesteigert, doch das Angebot kommt nicht nach. So sind Eigentumswohnungen seit dem Jahr 2000 um 66% teurer geworden.
Die Spekulation und Blasenbildung
Doch auch hier kann diese Preisentwicklung nicht einzig durch die Ausdehnung des Kredits erklärt werden. Es sind auch grosse Kapitaleigner, welche bewusst auf steigende Werte spekulieren. Laut den Worten des Immobilienberatungsunternehmens „Wuest und Partner“ wurden grosse Immobilieninvestoren in den letzten Jahren „risiko- und experimentierfreudiger“, natürlich auf der „Suche nach Renditen“. Zu diesen gehören neben grossen Immobilienunternehmen auch Krankrenkassen, andere Versicherungen, aber auch Pensionskassen. Sie lechzen nach Profiten. Dafür sind wie bereits erwähnt, bei überbewerteten Preisen, besonders „teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld“ und sie werden „immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen.“ (Ibid. S. 215) Die Kombination von Ausdehnung des Kredits und Spekulation von grossen Kapitaleignern führt zu der Blasenbildung, wie wir sie jetzt sehen. Dabei verstärken Kredit und Immobilienspekulation sich gegenseitig.
Und wenn sie platzt
Wann und wie die Blase platzt, kann niemand vorhersagen. Dass sie irgendwann platzt, ist jedoch mittlerweile den meisten klar. Wenn dies geschieht, sind die vorher so billigen Hypotheken auf einmal schweineteuer. Als die letzte Immobilienblase in der Schweiz platzte, stiegen innert weniger Monate die Zinsen von 2 auf 10%. Dann verteuerten sich, wie die Zeitschrift Bilanz vom letzten April vorrechnete, die Kosten einer Hypothek über 1 Million Franken von 600 Franken pro Monat auf 8’000! Welcher kleine Hausbesitzer, worunter natürlich auch einige Arbeiterfamilien sind, kann sich dies dann noch leisten?
Die Konsequenzen davon kennen wir aus den USA und aus Spanien. Doch nicht nur in den Budgets der Hauseigentümer klafft dann auf einmal ein Loch. Dies wird auch bei den Kreditgebern, den Banken, der Fall sein. Eine Bankenkrise wäre die Konsequenz. Der Kredit, welcher im Kapitalismus auch eine reale und nicht nur eine spekulative Funktion ausübt, besonders zur Finanzierung von Handel, würde als ganzes abgewürgt.
Auch für die Bauwirtschaft wird das Platzen der Blase fatal. Während vorher der Kredit und die Spekulation noch angetrieben wurden, kehren sich diese nun in ihr Gegenteil um. Es wird weniger gebaut. Eine momentan wichtige Stütze des Schweizer Kapitalismus, welche 2011 beinahe 10% des BIP ausmachte, fällt dann weg. Dabei geht die wirtschaftliche Bedeutung des Baus aber über den unmittelbaren Hoch- und Tiefbau hinaus, z.B. auf Eisen-, Stahl- und Zementlieferanten.
Welche Forderungen aus der ArbeiterInnenbewegung
Der Bund hat nun verschiedene Massnahmen getroffen, wie den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer. Dieser zwingt die Banken, ihre Kredite mit mehr Eigenkapital zu hinterlegen. Dies heisst, dass die Banken mehr Reserven brauchen. Diese haben darauf reagiert und haben die Hypothekarzinsen in einer orchestrierten Aktion, die an Kartellabsprachen erinnert, erhöht. Sie erhöhen ihre Reserven also, indem sie die neuen Vorschriften auf die HausbesitzerInnen abwälzen, und dies weil sie es können. Die Luft aus der Blase wurde damit aber keineswegs sanft abgelassen.
An der Frage des Wohnungsmarktes zeigt sich einmal mehr deutlich, dass wer die markwirtschaftliche Profitlogik akzeptiert, auch seine Konsequenzen akzeptieren muss. So ist im Kapitalismus ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage nicht möglich. Es ist eine anarchische Produktionsweise, welche drauflos baut, mit dem Interesse, möglichst viel Gewinn zu erzielen. Dank dem Einsatz von Kredit, können die inneren Widersprüche von Überproduktion vielleicht temporär überbrückt werden. Diese schlagen dann aber später umso gewalttätiger zurück. Eine wirkliche Lösung der Wohnfrage ist also im Kapitalismus nicht möglich.
Wir müssen mit Massnahmen, welche die Grenzen des Privateigentums überbrücken, Lösungen ausserhalb des Kapitalismus aufzeigen. Dazu gehört die Enteignung leerstehender Wohnflächen, die Umwandlung von unnützen Konsumtempeln in Wohnraum und letztendlich die Kontrolle des Staates über den Kredit. All dies, also ein rationaler Umgang mit den Wohnungen und Häusern, kann nur durch eine Regierung der Lohnabhängigen geschehen.
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