Die rot-grüne Berner Stadtregierung legt ihre Sparpläne vor. Die Kosten der Krise sollen auf die arbeitende Bevölkerung abgeschoben werden. Das akzeptieren wir nicht!
Die AnwohnerInnen des Breitenrainplatzes in Bern sind über die Privatisierung des beliebten Lorraine-Bads an der Aare entrüstet. Die Privatisierung ist Teil verschiedener Massnahmen, die das Stadtberner Budget (1,3 Mrd. Franken) ab 2022 um jährlich 30–50 Mio. Franken entlasten sollen. Das Paket geht auf Kosten der Lebensqualität des Großteils der Bernerinnen und Berner.
In den Betrieben und Parlamenten bereiten die KapitalistInnen Angriffe auf unsere Lebensbedingungen vor. Die SP und die Gewerkschaften müssten den Widerstand organisieren, sehen aber den Ernst der Lage nicht. Mit ihrem vorauseilenden Sparpaket erweist die links-grün dominierte Berner Regierung den Bonzen einen grossen Gefallen.
Das Berner Sparprogramm ist in bekannter Salamitaktik in viele kleine Massnahmen zerstückelt. Damit soll verschleiert werden, dass die ArbeiterInnenklasse insgesamt angegriffen wird. Und wenn der Widerstand zu gross ist, kann die herrschende Klasse die heikelsten Vorschläge zurückzunehmen ohne das Sparprogramm insgesamt zu gefährden.
Eine Vielzahl sozialer, kultureller und ökologischer Leistungen werden reduziert oder gestrichen: So werden in der Bildung Renovationen verzögert (Schulen Oberbottigen, Statthalter und in Bümpliz), die geplante Privatisierung des Lorrainebads -heute gratis zugänglich und wichtiger Treffpunkt – würde Eintrittspreise und Beschränkungen mit sich bringen. Auch die Schliessung des Friedhofs im Bümpliz provoziert Unmut.
Die Leistungskürzungen sind Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und zu recht unbeliebt: Auch mit erhöhten Parkgebühren und einer neuen Feuerwehr-Ersatzabgabe von bis zu 450 CHF im Jahr sollen BernerInnen in Zukunft zur Kasse gebeten werden – das ist inakzeptabel! Gebührenerhöhungen treffen die Arbeitenden und insbesondere die ärmsten Schichten am Härtesten. Schliesslich soll auch das städtische Personal bluten: 238 Stellen werden abgebaut. Weil es zu keinen Entlassungen kommen soll, ist der VPOD damit einverstanden.
Am 2. September behandelt der Berner Stadtrat die Massnahmen. Ende November kommt das Budget inklusive Sparkurs zur Abstimmung. Die SP wäre gefordert, die Interessen der Arbeitenden zu verteidigen. Die Parole muss sein: Keine Privatisierungen, Leistungs- und Stellenabbau oder höhere Gebühren!
Innerhalb der SP ist das Sparpaket umstritten. Die lokale SP-Sektion Bern-Nord kündigte “vehementen” Widerstand gegen die Privatisierung des Lorraine-Bads an. Auch die SP-Bern Co-Präsidentin Lena Allenspach versprach im Bund, das Programm zu prüfen und im Detail zu “korrigieren”. Dazu findet am 2. Juni eine Mitgliederversammlung statt.
Den grundsätzlichen Sparkurs unterstützt die SP-Spitze inklusive Regierungsmitglieder hingegen. Auch für die FDP geht der Kurs “in die richtige Richtung”. Die SVP will mehr sparen, versucht sich aber durch Kritik an den Gebührenerhöhungen als Verteidiger des kleinen Mannes zu inszenieren. Für das Grüne Bündnis (GB) ist das Sparziel angesichts des geringen Budgetdefizits zu hoch. Sie fordern kein Verzicht auf den Sparkurs, sondern lediglich “eine nachvollziehbare Begründung” sowie die Möglichkeit, die Ausgaben im Sozial- und Umweltbereich zu erhöhen.
Links-Grün stellt in Bern die absolute Mehrheit in Parlament und Regierung. Das parlamentarische Kräfteverhältnis kann keine Ausrede sein, asoziale Politik zu betreiben. Insbesondere die SP will DIE staatsmännische Partei sein und ihr SP-Finanzdirektor Aebersold hat das bürgerliche Dogma des ausgeglichenen Budgets verinnerlicht. Soziale Politik sei demnach nur möglich, wenn die wirtschaftliche Konjunktur genug Geld in die Staatskassen spült. Jetzt, wenn die Steuereinnahmen wegen der Krise abnehmen, werden Leistungen gekürzt und Leute entlassen.
Während einzelne Massnahmen also viel Kritik erfahren, folgen alle grossen Parteien der Budget-Logik. Im Kontext der kapitalistischen Krise bedeutet das, im Sinne der herrschenden Klasse zu handeln.
Sparpolitik ist kein bedauerliches Missverständnis, das mit schlauen Argumenten aufgeklärt werden könnte. Asoziale Abbau-Politik staatlicher Leistungen ist der logische Ausdruck des Systems in der Krise.
Im Zuge der Corona-Krise hat der Schweizer Staat Milliarden ausgegeben, um die sozialen Folgen abzuschwächen und Unternehmen zu schützen. In den nächsten Jahren plant die herrschende Klasse diese Ausgaben mittels Sparpaketen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. Avenir Suisse rechnet mit Sparpaketen von jährlich 5 Mia. Franken für das nächste Jahrzehnt. Hinzu kommen die Angriffe auf unsere Renten, dieses Jahr mit der AHV-21 Konterreform.
Diese Angriffe werden gigantisch. Deshalb ist es entscheidend, die ArbeiterInnen jetzt vorzubereiten und zu organisieren. Die SP müsste das Berner Sparpaket in diesen Kontext stellen. Die politische und soziale Lage ist angespannt und viele bürgerliche Politiker wollen mit derartigen Provokationen abwarten (Darunter auch der Kanton Bern). Die empörten Lorraine-Anwohner, die keinen Eintritt in ihre Badi bezahlen wollen, erhalten einen harmlosen Vorgeschmack auf die kommende Spar-Offensive.
Die ArbeiterInnenbewegung muss mit der Budget-Logik brechen und fordern, den Lebensstandard der arbeitenden Klasse zu erhalten, koste es, was es wolle! Den Bürgerlichen ist es egal, wenn wir einzelne Massnahmen verhindern, solange sie die Sparpolitik als alternativlos verankern können. Einmalig verhinderte Sparmassnahmen werden in den Folgejahren erneut in Budgets geschmuggelt, wie aktuell in Genf.
Tatsächlich ist ja genug Reichtum da: Die 26 reichsten BernerInnen besitzen zusammen 50 Mrd. Vermögen. Die Berner Burgergemeinde, ein Überrest aus feudalen Zeiten, hockt auf einem Milliarden-Vermögen, darunter ein Drittel des städtischen Bodens. Solange die SP, die Gewerkschaften und die Grünen sich weigern, den kapitalistischen Rahmen zu sprengen und etwa die Burgergemeinde zu enteignen, stehen Sparmassnahmen unweigerlich bevor. Das Sparpaket der Stadt Bern ist ein Testlauf, in dem die Linke zeigen kann, dass sie die Interessen der ArbeiterInnenklasse zu verteidigen weiss.
In der SP, den Grünen und den Gewerkschaften muss jetzt der Kampf gegen die Budget-Logik und für die Verteidigung der Interessen der ArbeiterInnen aufgenommen werden. Der JUSO Stadt Bern kommt eine Vorreiterrolle zu. Die Parteien sollen ihre ParlamentarierInnen und Regierungsmitglieder in die Pflicht nehmen. Die Stadtregierung sollte sich gegen die Sparlogik stellen und so Vorreiter im Kampf gegen das bürgerliche Krisenprogramm einnehmen. In den kommenden Jahren wird sich die Frage der Sparmassnahmen erneut und erneut stellen.
Erfahrungen im Abwehren von Sparmassnahmen gäbe es zur Genüge. Der Kanton Bern nimmt eine Vorreiterrolle im Sozialabbau ein (z.B. in der Sozialhilfe). Direkt Betroffene können mobilisiert werden, insbesondere im Bildungsbereich. 2015 protestierten Hunderte SchülerInnen in Bern gegen die Kürzungen im Bildungsbereich (siehe Bericht). Dasselbe ist auch in Quartieren, Betreiben oder der Verwaltung möglich: Sie sollen die vorgeschlagene Massnahmen prüfen und den Kampf organisieren.
Um die Salami-Taktik zu kontern, muss Widerstand überregional und über Sektoren hinweg vereinigt werden. 2018 mobilisierten die StudentInnen schweizweit gegen den Bildungsabbau (Bildungsaufstand). Die verschiedenen Kämpfe gegen das bürgerliche Krisenprogramm müssen politisch mit einem vereinten Programm bekämpft werden. Wir fordern:
Wir bezahlen eure Krise nicht!
Lukas Nyffeler
JUSO Stadt Bern
Bild: lorrainebad.ch
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