Das Arbeitsgesetz steht unter dreifachem Beschuss durch Initiativen. Stress und Depressionen – das ist der Preis, den die Lohnabhängigen für die Krise des Systems der Kapitalisten zahlen müssen. Nur wir Lohnabhängigen selbst können diese Angriffe abwehren: Indem wir unsere Kräfte aufbauen und uns in den Betrieben organisieren.
In der Schweiz ist jedeR vierte junge Erwerbstätige am Arbeitsplatz starkem Stress ausgesetzt. Das hat schlimme gesundheitliche Folgen, wie Burnouts, Depressionen und andere körperliche Erkrankungen. Laut dem Bundesamt für Statistik ist die Tendenz klar steigend. Besonders problematisch ist die Situation in büronahen Dienstleistungsberufen und in der Pflege: Dort steigt die Zahl der Stress-Ausgesetzten auf erschreckende 70%! Und dennoch: In der Hälfte aller Betriebe ist Gesundheits- und Stressprävention kein Thema.
Vor diesem Hintergrund wird das bereits schwache und meist ausgereizte Arbeitsgesetz immer wieder seitens bürgerlicher Politik angegriffen. Die Arbeitstage werden länger und intensiver, die Stressbelastung der Lohnabhängigen steigt schnell. Die letzten Attacken in Form parlamentarischer Initiativen kamen von Karin Keller-Sutter (FDP) und Konrad Graber (CVP). Während Keller-Sutters Versuch, die Arbeitszeiterfassung weitgehend abzuschaffen, vorläufig vom Ständerat abgelehnt wurde, steht Grabers Initiative zur Lockerung der Höchstarbeitszeit und des Sonntagsarbeitsverbots noch offen.
Während die Bürgerlichen die Angriffe im Namen der «Arbeitsflexibilität» schönreden, erkennt die reformistische Gewerkschaftsführung die Angriffe zwar als solche, sieht aber die Gründe nicht: Sie seien völlig «unverständlich», sei doch der arbeitsbedingte Stress bereits enorm hoch. Beides verschleiert, was tatsächlich hinter den Angriffen steckt: Sie sind schlicht unumgängliche Folgen der Krise des Kapitalismus.
Die Profitlogik setzt voraus, dass Mehrwert aus den Lohnabhängigen herausgepresst wird. In Krisenzeiten verschärft sich diese Zwangslage: Die Konkurrenz nimmt zu, was noch härtere Ausbeutung verlangt.
Auf betrieblicher Ebene sind solche Angriffe gang und gäbe: Beispielsweise hat der Schaffhauser Weltkonzern Georg Fischer kürzlich ohne Lohnerhöhung die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 44 Stunden angehoben. Die Initiativen von Keller-Sutter und Graber sind v.a durch die Interessen des gesamten Schweizer Kapitals motiviert. Die Krise verschärft die Konkurrenz zwischen den «Wirtschaftsstandorten»: Der schweizerische Kapitalismus muss konkurrenzfähig bleiben, Erhöhungen der Arbeitszeit sind ein Mittel dazu.
Die Ablehnung der Keller-Sutter-Initiative durch den Ständerat ist ein Scheinsieg. Beispielsweise drängt die exportabhängige Schweizer MEM-Industrie weiter auf die «Lockerung» der Arbeitszeiterfassung. Solange die Kapitalisten die Angriffe brauchen, werden die nächsten Angriffe kommen – tatsächlich stehen ja noch die Initiativen von Graber offen. Zur Verteidigung können wir unsere Hoffnung nicht aufs Parlament setzen. Die blossen Appelle der Gewerkschaften an Parlament und Kapital verbessern die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen kein bisschen, im Gegenteil: Die bestehenden und weiter steigenden Stressquoten sind Beweis genug dafür.
Die Interessen der Kapitalisten stehen denjenigen der Lohnabhängigen direkt gegenüber. Für die Verbesserung unserer Lebensbedingungen führt kein Weg daran vorbei, den Kapitalisten direkt Druck zu machen. Dazu müssen sich die Gewerkschaften in den Betrieben verankern und dort eine aktive Basis der ArbeiterInnenschaft aufbauen. Das gilt auch für den Kampf gegen Angriffe auf Gesetze. Auch der «politische Kampf» kann nicht an die bürgerlichen politischen Institutionen abgegeben werden. Er kann nur Erfolg haben, wenn die ArbeiterInnen dort Druck ausüben, wo sie ihre Macht haben: in den Betrieben.
Die Verteidigung gegen solche Angriffe muss genutzt werden, um diese Organisierung voranzutreiben. Dann eignen sich die ArbeiterInnen das Druckmittel der kollektiven Arbeitsniederlegung an, das sie den Angriffen der Bürgerlichen entgegenhalten können. Durch die Organisierung der Lohnabhängigen in solchen «Defensivkämpfen» und das Führen dieser Kämpfe selbst, werden sich die ArbeiterInnen von einer bloss sozialen zu einer politischen Klasse entwickeln. Damit legen sie die Grundlage, um ihre Emanzipation schlagkräftig weiter zu treiben und den Kapitalismus ein für alle Mal an seinen Wurzeln auszumerzen!
Bild: Nicolas Nova, Flickr
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