Trotz vieler Schönfärberei; die Schweiz steckt in der Krise. In der Exportindustrie hat die dritte Krisenphase eingesetzt. Nachdem 2008/2009 über 40’000 Stellen in der Industrie gestrichen wurde und in vielen Betrieben Kurzarbeit eingeführt wurde, folgten letztes Jahr längere Arbeitszeiten und härterer Arbeitsdruck. In den letzten Monaten sind nun Massenentlassungen wieder an der Tagesordnung. SMA Solar streicht 10% der 5500 Stellen, Elmex 98 Stellen, Electrolux streicht 80 Stellen im Glarnerland, Hewlett Packard (HP) schweizweit 232 und Siemens 220. Dies ist nur eine kleine Auswahl der Meldungen über die Vernichtung von Arbeitsplätzen. In den letzten Monaten wurden Tausende von Stellen gestrichen.
Besonders krass ist der Fall des Pharmazulieferers Lonza in Visp im Wallis. Diese Belegschaft hatte bereits 2008 die Aufkündigung des GAVs durch den Konzern mit dem Zweck die Arbeitszeit zu verlängern erfolgreich verhindert. Später wurde in diesem Werk als eines der ersten die Arbeitszeitverlängerung unter Inanspruchnahme der Notstandklausel im GAV, welche es den Unternehmen in schweren Wirtschaftlichen Zeiten ermöglicht einseitig die GAV-Bedingungen zu unterlaufen, durchgesetzt. Dies wurde durch die Belegschaft akzeptiert, da man dafür die Stellen zugesichert bekam. Nun sollen aber trotzdem 400 Stellen gestrichen werden. Durch die Drohung eines Warnstreiks hatte man nun zumindest eine Verlängerung der Konsultationsfrist erreicht. Ohne einen erbitterten Kampf werden die Kündigungen nächstes Jahr wohl trotzdem Realität werden.
Eher für Erheiterung in der Linken hat die Ankündigung der UBS, 2500 Stellen in der Schweiz streichen zu wollen, gesorgt. Die UBS will ihr Investmentbanking runterfahren. Dies natürlich nicht aufgrund ?moralischer“ Skrupel, sondern, weil das Investmentbanking momentan schlicht und einfach nicht wirklich profitabel ist. Praktisch alle grossen Banken bauen diesen Bereich momentan massiv ab. Dies sagt sehr viel über den Zustand der Weltwirtschaft aus: Es lassen sich kaum noch profitable Investitionsmöglichkeiten finden. Vor allem die europäischen Bankenlandschaft hängt momentan an einem seidenen Faden, oder genauer am Tropf. Nämlich am Tropf der Zentralbanken und vor allen Dingen der Staaten. Die Mehrheit finanziert die Profite der Banken, also hauptsächlich der Vermögen einer kleinen, sehr reichen Minderheit. Dafür müssen Renten gekürzt, Löhne gesenkt und Menschen entlassen werden. Ihren Unmut darüber hat die europäische ArbeiterInnenbewegung am 14. November mit einem europäischen Generalstreik Ausdruck verschafft. Millionen europäische ArbeiterInnen gingen in den Streik. Dies war der erste europäische Generalstreik seit den 70ern. An der vorherrschenden Politik für die Reichen, wird das jedoch wenig ändern. Trotz der Staatsgarantien, Geldspritzen, Bankenreformen und des praktisch zinslosen Geldes für Banken scheint eine weitere Bankenkrise vor der Türe zu stehen. Für die Schweiz heisst dies, dass auch die UBS und die CS wieder gerettet werden. Hatte die Nationalbank letzten Sommer doch vorgerechnet, dass die Grossbanken keinesfalls einen grösseren Schock überleben könnten. Die Schweiz ist nicht nur aufgrund der Wichtigkeit der Grossbanken von den Entwicklungen in Europa abhängig, sondern vor allem ist sie dies auch wegen der Exportwirtschaft. Das Abflauen der kleineren Aufschwünge in Deutschland und den USA sowie die anhaltend schwere Situation aufgrund der Stärke des Schweizer Frankens drücken sich nun in Entlassungen und dem Wiederaufkommen der Kurzarbeit aus. Zusätzlich scheint auch das dritte Standbein der Schweizer Wirtschaft vor einer unsicheren Zukunft zu stehen. Erstmals seit der Immobilienblase in den 90er Jahren ist der Immobilienmarkt, laut der UBS, wieder in der Risikozone. Dies deckt sich auch mit den Feststellungen der Nationalbank in den letzten Monaten. Die durchschnittlichen Preissteigerungen innerhalb von 6 Monaten waren beispielsweise in den Gemeinden Davos 7.6%, Zug 5.1%, Zürich und Lausanne 3.8%. Der Kommentar eines ?Experten“ in der Tageschau, dass die Preise vielleicht auch ewig steigen werden, bestätigt die Blasentendenzen und ist selbstverständlich nichts mehr als Wunschdenken der Profiteure der steigenden Preise Das erinnert an die Stimmung vor dem Platzen der US-Immobilienblase.
Wer glaubte, die Schweiz sei eine „?Insel“ – und dieser Glauben war auch in der ArbeiterInnenbewegung und er Sozialdemokratie sehr verbreitet – wird zunehmend eines besseren belehrt. Die Schweiz wird von der Krise in naher Zukunft noch wesentlich härter getroffen werden. Das bedeutet für die Lohnabhängigen grösseren Druck, härtere Arbeit, weniger Lohn und verstärkte Zukunftsängste. Dies gilt nicht nur für die Privatwirtschaft. Auch der Druck auf die öffentlich Angestellten steigt in den meisten Kantonen beständig. Unter dem Vorwand der Wirtschaftsförderung wurden in den letzten Jahrzehnten, und besonders seit Ausbruch der Krise, die Steuern für Unternehmen, hohe Löhne und Vermögen massiv gesenkt. Das fehlende Geld muss natürlich kompensiert werden und dies wird durch Sparpakete in allen wichtigen Bereichen der Öffentlichen Leistungen gemacht. Das bedeutet vielerorts für die Angestellten Lohnstop, oder sogar weniger Lohn, und weniger Stellen, also höherer Arbeitsdruck. Einen Tag nach dem europäischen Generalstreik, also am 15. November, fand gegen diese Politik in St. Gallen eine der grössten Demonstrationen der letzten Zeit statt. 5000 Menschen demonstrierten gegen das geplante Sparpaket, welches im November vom Kantonsparlament verabschiedet werden soll. Das Parlament plant unter anderem das Budget für die Berufsschulen zu kürzen, im Gesundheitswesen zu sparen, Kulturelle Angebote abzubauen und die Studiengebühren zu erhöhen. Diese Demonstration ist, bis jetzt, die erste grosse, über einzelne Bereiche hinausgehende Antwort auf die Angriffe der Bürgerlichen und deshalb von unschätzbarem Wert für die ganze Schweiz. Es ist die Antwort, die wir auch in anderen Kantonen und auch national brauchen. Das Parlament wird nun zwar möglicherweise einige Sparmassnahmen fallen lassen, doch im Kern den Forderungen der Protestierenden nicht nachkommen. Deshalb war dies für viele öffentliche Angestellte nicht nur die erste Demonstration, sondern wird möglicherweise, wie auf einem Schild zu lesen war, auch bald der erste Streik.
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