Am 21. September haben die Stimmberechtigen beider Basel die Möglichkeit, über die Vorlage „Prüfung einer Kantonsfusion“ abzustimmen und damit einen erneuten Anlauf einer längst überfälligen Fusion der zwei Halbkantone in die Wege zu leiten. Trotzdem besteht bei diesem grundsätzlich unterstützenswerten Anliegen einiger Grund für linke Skepsis.
Vor über 180 Jahren kam es im Kanton Basel vor dem Hintergrund der bürgerlichen Revolution in Europa zu einem Konflikt zwischen Stadt und Land. Die ursprüngliche Auseinandersetzung zwischen den städtischen Patriziern und dem fortschrittlichen Bürgertum der Landschaft um demokratische Repräsentation im Parlament wurde damals von der Eidgenössischen Tagsatzung mit der Kantonsteilung gelöst. Diese Probleme sind längst nicht mehr aktuell, auch die Unterscheidung zwischen „Landschäftlern“ und „Städtern“ ist nur noch ein historisches Relikt. Die Konsequenzen der Trennung sind jedoch heute noch im verstärkten Föderalismus in der Nordwestschweiz spürbar.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden diverse Wiedervereinigungsbemühungen unternommen, die alle scheiterten – teils an der eigenen Bevölkerung, teils am Widerstand anderer Kantone. Trotzdem sind die Stadt und das Land sozial, wirtschaftlich und kulturell zu einer Einheit verwachsen. Der neueste Versuch, die beiden Halbkantone zu fusionieren, stammt aus dem Jahr 2012 und fordert von den Kantonen die Einrichtung eines gemeinsamen Verfassungsrats, der eine Verfassung sowie die vier wichtigsten Gesetze des Kantons Basel ausarbeiten soll.1 Während die ursprüngliche Initiative eine paritätische Verteilung der Verfassungsratssitze vorsah, wird nun mit dem Gegenvorschlag über eine Sitzverteilung nach Bevölkerungszahl abgestimmt.
Föderalismus als Hindernis
In der euphorischen Anfangsphase des Projekts „ein Basel“ war gar von der Gründung eines Kantons Nordwestschweiz die Rede. Die Forderung nach grösseren, demokratischeren Strukturen ist grundsätzlich progressiv. Die föderalistische Kleinstaaterei, wie sie konservative, reaktionäre Parteien beschwören, entspricht schon lange nicht mehr den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Realitäten. Mit den technologischen Quantensprüngen in den Bereichen Mobilität, Kommunikation und Information bedürfen die bestehenden Grenzen einer Korrektur. Schon Friedrich Engels schrieb in seiner Kritik des Erfurter Programms 1891:
„Sie [die Föderativrepublik] ist in der kleinen Schweiz schon längst ein Hindernis geworden, erträglich nur, weil die Schweiz sich damit begnügt, ein rein passives Glied des europäischen Staatensystems zu sein.“2
Heute ist die Schweiz unvergleichlich viel stärker in die Welt eingebunden, das Hindernis ist längst unerträglich geworden. Die negativen Auswirkungen des Föderalismus in unserer Zeit bekommen die Lohnabhängigen direkt zu spüren: der ruinöse Steuerwettbewerb hat zu Millionenausfällen in den Kantonshaushalten geführt. Resultate sind Einsparungen in der Bildung, im Gesundheits- und Sozialwesen. Der „Kantönligeist“ produziert zudem unnötige bürokratische Hürden, die in sinnlosen Leerläufen und Ungleichheiten resultieren. So muss zum Beispiel ein Arbeitssuchender, welcher in Allschwil wohnt, regelmässig quer durch den Halbkanton nach Liestal zum regionalen Arbeitsvermittlungszentrum reisen. Bezeichnend für den Föderalismus in der Nordwestschweiz ist zudem ein Gewirr von über hundert Staatsverträgen, welche die Zuständigkeiten und Verpflichtungen der beiden Kantone regeln sollen. Bei der Neuaushandlung dieser Verträge kommt es regelmässig zum Kampf um die Verteilung der Zentrumslasten, obwohl alle von der städtischen Infrastruktur profitieren.
Die Überwindung dieser Probleme durch die Bildung grösserer, demokratischer Strukturen sind also zweifellos linke Anliegen für die es zu kämpfen lohnt. Folgerichtig steht die JUSO – vor allem die Sektion Baselland – in der ersten Reihe. Von den Jungparteien im Jugendkomitee für ein Basel ist sie mit Abstand die kreativste und engagierteste.
Diskussion um Inhalte statt um Form
Die Initiative vermochte allerdings nicht die breite Debatte anzureissen, welche sich die InitiantInnen erhofften. Während im Landkanton die Emotionen von rechts mit rückwärtsgewandten Geschichtsmythen und Kuhstallrethorik befeuert werden, versäumt es die vorsichtige, sachlich geführte Ja-Kampagne, die breite Masse der potenziellen BefürworterInnen zu mobilisieren. In der Stadt ist die Debatte ausserhalb der Parlamente und Kommissionen inexistent. Die SVP BS hat es nicht einmal für nötig befunden, eine Gegenkampagne zu lancieren. Andererseits gibt es auch keine entschiedenen BefürworterInnen. So scheint die Vorlage nicht nur am bürgerlichen Widerstand in Baselland zu scheitern, sondern auch an der Passivität in der Stadt.
Ein zentraler Kritikpunkt an der Ja-Kampagne ist die Stilisierung der Fusionsfrage zu einer rein technischen Angelegenheit. Die politische Debatte um die Inhalte und Bedingungen einer Fusion wird nicht geführt. So verpasst es die Linke, eine eigene Perspektive des gemeinsamen Kantons zu entwickeln, welche die Lebenswirklichkeit der Lohnabhängigen und der Jugend aufgreift. Und das, obwohl die Anpassung der (Halb-)Kantone an eben diese Lebensrealität das erklärte Anliegen der BefürworterInnen ist. Mit der „Prüfung einer Fusion“ wird jedoch bereits beim Namen der Initiative klar, dass es mehr um die Form als um den Inhalt geht. Damit lassen sich nur schwer Stimmen gewinnen.
Wie die 1:12-Initiative beispielhaft aufgezeigt hat, besteht unserer Ansicht nach der Hauptzweck einer linken Initiative darin, eine Alternative zum neoliberalen Einheitsbrei zu präsentieren und dadurch den öffentlichen Diskurs in unsere Richtung verschieben. Ziel dabei sollte immer sein, die sozialistische Bewegung aufzubauen und mehr Menschen von unseren Ideen zu überzeugen. Dies verpasst die Fusionsinitiative leider. Wenn die Linke bei der potentiellen Basis den Eindruck verstärkt, dass sie bürokratisch an ihren Interessen vorbeipolitisiert, kann das nichts nützen. Unsere Aufgabe ist es, die Fusionsfrage mit einem sozialistischen Programm zu verbinden, die Betroffenen damit abzuholen und in den Prozess einzubinden. Eine mögliche Linie für eine solche Fusionspolitik ist im nationalen Aktionsprogramm der JUSO Schweiz gegeben und wird zurzeit in der JUSO BL in der Programmdebatte diskutiert. Darin schreiben GenossInnen der marxistischen Strömung, dass wir „nicht bereit sind, Kürzungen im Bildungssystem, bei den Löhnen der Staatsangestellten, in der Gesundheit oder im Sozialsystem hinzunehmen.“ Mit solchen Forderungen kann die JUSO an Profil gewinnen. Damit geben wir den VerliererInnen der bürgerlichen Abbaupolitik ein Werkzeug in die Hände um sich zu wehren, egal ob sie in zwei oder in einem Kanton wohnen.
Gegen einen neoliberalen Modellstaat
Ein weiterer Aspekt sollte der Linken in der gegenwärtigen Kampagne zu denken geben. Mit der Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien im Ja-Komitee gewinnen nicht linke Positionen an Aufmerksamkeit. Das Gegenteil passiert. Ein gutes Beispiel ist Gabriel Barell, Direktor des Gewerbeverbands BS und Unterstützer des Ja-Komitees. In einem Interview zur Fusion meinte er kürzlich, es bestünde hier die Chance, einen effizienten Modellstaat zu errichten.3 Offensichtlich widerspricht dies unserer Vorstellung eines fusionierten Kantons diametral. Eine neoliberale Kantonsfusion, wie es der feuchte Traum der bürgerlichen Wirtschaftsvertreter im Ja-Lager ist, kommt für uns nicht in Frage.
Die ExponentInnen des Komitees „Jugend für ein Basel“ werden nicht müde zu betonen, dass insbesondere die Jugend beider Kantone gemeinsame Interessen verbindet. Während dies zweifellos zutrifft, verläuft die Grenze in dieser Frage nicht zwischen Jung und Alt, sondern wie so oft zwischen Oben und Unten. Bürgerliche, egal welchen Alters, stehen für den Kapitalismus. Deshalb haben wir keine weitere Grundlage für eine Zusammenarbeit mit Barell und Konsorten, keine weitere Grundlage für die Unterstützung dieses Abbaus auf Ansage. Statt die Klassengegensätze zwischen Arbeit und Kapital zu überdecken, ist es die Aufgabe der JUSO, diese der Jugend durch ihre unabhängigen Positionen ins Bewusstsein zu rufen.
Leider verpasste es die Linke sich zu überlegen, wie sie mit einer unabhängigen, sozialistischen Politik eine starke Kampagne zur Kantonsfusion organisieren kann. Nach der Abstimmung müssen wir die Lehren aus dieser Kampagne ziehen und umsetzen.
1 http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/baselbiet/basel-stadt-und-baselland-stimmen-ueber-pruefung-von-kantonsfusion-ab-128273706
2 http://www.mlwerke.de/me/me22/me22_225.htm
3 http://www.tageswoche.ch/de/2014_30/basel/664798/Der-heimliche-Innovator.htm
http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/baselbiet/basel-stadt-und-baselland-stimmen-ueber-pruefung-von-kantonsfusion-ab-128273706, (24.08.2014)
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