Die Vorlagen, welche das neugewählte Parlament beschäftigen, zeigen: Die Bourgeoisie drängt auf Angriffe auf die Lohnabhängigen. Wie muss die Linke diesen begegnen?
Bei den letzten National- und Ständeratswahlen gab es einige Verschiebungen. Grundlegendes hat sich jedoch nicht verändert. Als Institution bleibt es ein bürgerliches Parlament. Und es gibt immer noch keine Partei, welche dort konsequent die Interessen der grossen Mehrheit der Gesellschaft, der Klasse der Lohnabhängigen, verteidigt. Um uns auf die grossen Kämpfe der nächsten Legislaturperiode vorzubereiten, müssen wir zuerst die Rolle des Parlaments im bürgerlichen Staat klären. Danach schauen wir, was die Bürgerlichen für diese Legislatur bereits geplant haben und was die Linke dagegen tun muss.
Wo befinden wir uns?
Der Staat hat als Institution in der kapitalistischen Gesellschaft die Aufgabe, das System zu verwalten. Er soll garantieren, dass der Rubel rollt, dass der Kapitalismus funktioniert – für die Kapitalisten. Ihr System steckt jedoch seit über 10 Jahren in einer tiefen Krise. In dieser Situation ist es die Aufgabe des Parlaments, Lösungsvorschläge für die dringendsten Probleme auszuarbeiten. Die wichtigste Frage für die Schweizer Bourgeoisie ist seit Beginn der Krise – und auch in der bevorstehenden Legislaturperiode – , wie man die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen auf einem Weltmarkt mit verschärftem Wettbewerb aufgrund globaler Überproduktion sichert.
Hinzugekommen ist noch – dank Druck des Klimastreiks – Die Klimafrage. Doch alle wirksamen Massnahmen sind teuer! Solche Ausgaben können sich die Kapitalisten in der heutigen Situation nicht leisten. Die Show rund ums CO2-Gesetz soll uns vorgaukeln, dass das Parlament etwas tut. Nur kosten darf es nichts, oder zumindest nicht die Kapitalisten. Und deswegen wird es auch nichts verändern.
Die Menukarte der Parlamentarier
Die obigen Feststellungen erklären bereits zu einem grossen Teil die Zusammenseztung des heute bekannten Legislaturprogrammes. Die Menukarte besteht – neben der lästigen Fliege des CO2-Gesetzes – aus vier Punkten:
Erstens die Absicherung der Exportmärkte
Zweitens die grossen Konterreformen
Drittens Steuersenkungen
Viertens Erleichterungen der direkten Ausbeutung der Lohnabhängigen
Ausnahmslos alle Vorlagen enthalten Angriffe auf die Lohnabhängigen und ihren Lebensstandard. Es ist wichtig, den Zusammenhang der Rentenreformen, der Sparmassnahmen und der Steuersenkungen zu sehen. Jegliche Lohnabgaben und Steuern sind für die Kapitalisten einfach Kosten. Werden diese gesenkt, erhöht sich ihr Profit – auf Kosten der Lohnabhängigen. Auch für die Steuersenkungen müssen diese mit Sparmassnahmen bezahlen. All dies soll die Profitabilität, respektive die internationale Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen sichern. Bei den Diskussionen um die Arbeitszeit sieht man das direkt: Alle Vorlagen haben zum Ziel, die Angestellten länger arbeiten zu lassen, also die Ausbeutung zu vergrössern.
Klassenstandpunkt
In der heutigen Periode ist jede Verbesserung für die Kapitalisten ein schmerzhafter Einschnitt für die Lohnabhängigen. Die Zeit der grossen Reformen durch Kompromisse im Parlament ist definitiv vorbei. Jeglicher Kampf um noch so minimale Verbesserungen des Lebensstandards kollidiert mit den Interessen des Kapitals. Eine Linke, welche auf Seiten der Lohnabhängigen steht, muss also in all diesen Vorlagen eine konsequente Klassenposition einnehmen und jegliche Angriffe auf die Lohnabhängigen entschlossen bekämpfen. Nicht nur im, sonder vor allem ausserhalb des Parlaments mittels Mobilisierungen und Streiks. Seit über zehn Jahren befinden wir uns weltweit in einer Ära der Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse. Die weltweite Welle an Massenprotesten im letzten Jahr – angefangen mit den Gilet Jaunes – hat uns gezeigt, dass die Basis für diesen Kampf existiert.
Nehmen wir das Beispiel des Rahmenabkommens: Eine Klassenposition bedeutet hier, die Flankierenden Massnahmen zu verteidigen und gleichzeitig zu erklären, dass der Kampf gegen Lohndumping nicht dem Staat überlassen werden darf, sondern die organisierte Arbeiterklasse braucht. Zweitens darf keine Allianz mit den pro-europäischen Kapitalisten eingegangen werden. Sie sind zwar ebenfalls gegen die SVP-Kündigungsinitiative, jedoch aus komplett unterschiedlichen Gründen: Ihr Interesse besteht in der Sicherung des Zugangs zum EU-Binnenmarkt. Die von der SVP rassistisch-demagogisch genutzten, aber durchaus realen Probleme wie Lohndumping, steigende Mieten und überlasteter ÖV werden von ihnen in Kauf genommen. Genau diese Probleme müsste die Linke aufgreifen und dabei die wahren Verantwortlichen für diese Probleme aufzeigen: die Kapitalisten, sowohl der EU als auch der SVP. Sie sind es, die Löhne durch Anstellung von ausländischen Arbeitskräften drücken, Mieten erhöhen und die Finanzierung eines gut ausgebauten ÖV-Netzes verhindern. Mit FDP und Économiesuisse eine Allianz einzugehen, verschleiert die wahren Konfliktlinien in der Gesellschaft und die Ursachen dieser sozialen Probleme.
Wir brauchen eine sozialistische Arbeiterpartei!
Ein konsequenter Klassenstandpunkt ist notwendig, um das Vertrauen der ArbeiterInnen zu gewinnen. Doch Vertrauen alleine genügt noch nicht, um etwas zu verändern. Dazu braucht es eine organisierte Antwort. Die Bürgerlichen von linker Politik überreden zu wollen ist sinnlos, weil sie auf der anderen Seite des Klassengegensatzes stehen. Linke Parlamentsarbeit hat als einziges Ziel, die Kräfte der Arbeiterklasse ausserhalb des Parlaments aufzubauen. Tut sie dies nicht, hat sie keine Existenzberechtigung. Auf der Grundlage eines sozialistischen Programms müssen die verschiedenen Sektoren und Schichten der Lohnabhängigen organisiert werden.
Das Parlament wird in den nächsten Jahren härteste Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse ausbrüten. Sitzt man da drin, gilt es genau diesen Charakter des Parlaments offen und ehrlich unserer Klasse zu erklären. Statt den Lohnabhängigen zu erklären, dass man im Parlament bestmöglich «für sie» einstehen wird, muss man aufzeigen, dass nur der Kampf der Lohnabhängigen und der Jugend selbst – in den Schulen und gemeinsam mit den Gewerkschaften in den Betrieben und auf der Strasse – überhaupt erst ermöglicht, der Krisenpolitik der Kapitalisten die Stirn zu bieten. Betteln, Verhandeln und Labern im Parlament ist dazu schon lange nicht mehr in der Lage.
Schlussendlich brauchen wir also eine Partei, welche konsequent unsere Klasse verteidigt und dafür bereit ist, mit dem Kapitalismus zu brechen – eine revolutionäre Partei.
(Bild: Pixabay)
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