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Über 700 Mio. Franken will der Kanton Genf 2016 kürzen. In Zürich sind es knapp 694 Mio., davon rund 50 Mio. in der Bildung. Zusammen mit den öffentlichen Angestellten, den LehrerInnen und den SchülerInnen haben wir uns dagegen gewehrt. Nur: auf welcher Basis machen wir das?
Wir verteidigen den bürgerlichen Staat nicht per se. Auch heute gilt noch immer, was schon Engels erklärt hat: Der Staat in der bürgerlichen Gesellschaft ist als „Gesamtkapitalist“ dafür verantwortlich, dass der Kapitalismus geschmeidig läuft. Daran hat sich bis heute nichts Grundsätzliches geändert. Allerdings konnte den Bürgerlichen während des langen Aufschwungs der Nachkriegszeit und während der Neunziger einige Konzessionen abgerungen werden. Unter dem Druck der ArbeiterInnenbewegung wurden gegen das Interesse der einzelnen Kapitalisten verschiedene Sozialwerke und die Arbeitslosenversicherung eingeführt. Heute sind wir in einer neuen Phase angekommen, in der sich die Kapitalisten diese Errungenschaften nicht mehr leisten können. Um sie verteidigen zu können, müssen wir uns darüber im Klaren sein, wieso sie in Gefahr sind.
Das Ballet ums Budget
Jeden Herbst stellen die kantonalen Exekutiven ihren Budgetentwurf vor, der dann von den Kantonsräten verändert und verabschiedet wird. Im Frühling wird die Rechnung fürs vergangene Jahr präsentiert. Diese Zahlenspielereien sind immer ein Mittel, um eine gewisse Politik zu legitimieren. Von daher das Unwort „Sachzwang“. Ein happiger Überschuss kommt in Zeiten der Austerität politisch sehr ungelegen. In Basel gingen im letzten April 5000 Staatsangestellte auf die Strasse, weil drei Monate nach einem grossen Sparpaket ein Gewinn von 180 Mio. fürs vergangen Jahr ausgestellt wurde. Das stellte die Rhetorik vom Sparsachzwang in Frage. Genau deshalb hat in Genf der Regierungsrat im letzten Moment 200 Mio. Franken in eine Rückstellung für die Pensionskasse verschwinden lassen. Die Gewerkschaften haben das übersehen. Den Zahlen unter dem Strich darf also nicht einfach so vertraut werden.
Das gleiche gilt für die Höhe des Gesamtbudgets. Die Bürgerlichen in Zürich behaupten, dieses sei in den letzten Jahren stetig gewachsen und man deshalb jetzt eine Kehrtwende begehen müsse. Schauen wir die Zahlen jedoch genau an, sehen wir, dass sich die Gesamtausgaben seit dem Höchstwert von 2011 nun bei etwa 14.5 Mia. eingependelt haben. Mit gleichzeitigem Wirtschaftswachstum (+0.69% pro Jahr) und einer Bevölkerungszunahme von über 1% pro Jahr entspricht dies aber bereits einem jährlichen Sparpaket. Denn gleich viele Funktionäre arbeiten für eine grössere Bevölkerung. Dies führt in Zürich dazu, dass auf Grund von Personalmangel im zuständigen Amt aktuell erst die Stipendienantragsbriefe von vor sechs Monaten(!) geöffnet werden.
Es summt die Lohnsumme
Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerlichen ist das Wachstum der Angestellten im öffentlichen Dienst und deren gute Entlöhnung. Im Vergleich zu 2008 beschäftigt die Bildungsdirektion knapp 5% mehr Angestellte, proportional zur Zunahme der SchülerInnen. Die Gesamtlohnsumme der Lehrpersonen hat in dieser Periode aber um 7% abgenommen. Mehr LehrerInnen teilen sich also weniger Lohn. Das gleiche gilt für den gesamten öffentlichen Dienst: 3.4% mehr Angestellte verdienen dort insgesamt nur 0.76% mehr Lohn. Das entspricht einer netto Lohnkürzung von 2.6 % (zwischen ’08 und ’14). Noch eindrücklicher wird es im Verhältnis zum Gesamtbudget. Noch 2008 wurde jeder sechste Franken (16.4%) für die Löhne der öffentlichen Angestellten ausgegeben. Dieser Anteil ist bis 2013 auf 13.9% gesunken. Auch das Verhältnis der Lohnausgaben für LehrerInnen zum Budget hat kontinuierlich abgenommen. Hier wurde also bereits gewaltig gespart, denn die Löhne sind offenbar am sinken und nicht am steigen.
Was aber noch mehr abgenommen hat, sind die Steuereinnahmen. Um die Konkurrenzbedingungen zu verbessern, wurden in der ganzen Schweiz in den letzten zwanzig Jahren massiv die Steuern gesenkt. Zusammen mit weiteren Faktoren ist dies der Hauptgrund der heutigen Sparübungen. Die Zahlen in der Graphik zeigen, wie frappant die Einbrüche der Einnahmen sind. Die Teilabschaffung der Erbschaftssteuer ist alleine für einen Verlust an Steuereinnahmen von jährlich 235 Mio. Franken verantwortlich. Insgesamt sind es über 1.24 Mia., die jährlich fehlen. Dieses Steuerloch ist doppelt so tief wie die jährlichen Sparmassnahmen, die auf Zürich zukommen.
Diese Vergleiche zeigen auf, dass die Bürgerlichen bewusst den Sozialstaat aushungern. In einer jahrzehntelangen, gezielten Kampagne senkten sie drastisch die Steuern – und natürlich wurden die reichsten Kapitalisten am meisten «entlastet». Dieser Eiertanz ging solange gut, wie es mit der Wirtschaft bergauf ging. Doch seit fünf Jahren spüren wir diesen Steuerausfall umso härter, da er konsequent auf den Rücken der Bevölkerung abgewälzt wird. Allgemeine Steuererhöhungen, wie zum Beispiel in Schwyz, bilden gerade eine Weiterführung dieser Politik, da nun die grosse Mehrheit die Geschenke an die Reichsten kompensieren muss.
„Das Finanzloch will die Regierung ausschliesslich mit Sparmassnahmen stopfen“, erklärt der Landbote und zitiert den Zürcher Finanzdirektor Stocker: „Wir signalisieren der Wirtschaft, dass der Standort Zürich stabil ist“. Denn Stabilität heisst heute Austerität für die Arbeitenden und Stabilität der Profitmarge für die Besitzenden.
Caspar Oertli
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