Die Polizeirepression am 1. Mai erreichte in verschiedenen Städten Höhepunkte. Wie können wir zurückschlagen? Die Jugend muss die Arbeiterklasse in den Kampf ziehen und den Widerstand gegen die Krise zu einem Massenkampf machen.
Am 1. Mai kam es in verschiedenen Städten zu Polizeigewalt gegen Demonstranten. In Zürich verlor jemand ein Auge durch rücksichtsloses Abfeuern von Gummischrot. In Basel liess die Polizei es gar nicht so weit kommen: Schon vor der Besammlung wurden Demonstranten vorsorglich verhaftet. Dann kesselte die Polizei den Frontblock ein und blockierte die ganze Demo. Der 1. Mai wurde de facto unterbunden. Der billige Vorwand: Vermummte im Block. Die Polizei kann offensichtlich Grundrechte mit Füssen treten und wir sind gezwungen, tatenlos zuzuschauen. Was tun?
Die Basler Polizei wollte die Demo spalten. Sie boten eine «Alternativroute» an. Die Gewerkschaften weigerten sich jedoch, von der bewilligten Route abzuweichen und die Eingekesselten im Stich zu lassen. Diese Antwort war völlig korrekt. Sechs Stunden wich die Demo nicht von der Polizeikette zurück und zog nach Ende des Kessels zum ursprünglichen Ziel. Die Solidarität gegen die Polizei war eine positive Erfahrung für alle. Die versuchte Spaltung von «gewalttätigen» und «friedlichen» Demonstranten lief weitgehend ins Leere.
Die einzige Gewalt des Basler 1. Mai ging von der Polizei aus. Die Bourgeoisie testet, wie weit ihre Schergen gehen können.
Begleitet wird die Repression von der bürgerlichen Hetzpresse. Das einzige Thema in den Medien ist, ob der über 600’000.- teure Einsatz rechtmässig war. Nach dem harten Durchgreifen, das jegliche demokratischen Grundrechte des Schweizer «Rechtsstaates» verletzt, schieben die bürgerlichen Medien die Verantwortung auf die Demos selbst. Damit lenken sie davon ab, dass dieser 1. Mai den Höhepunkt einer über Jahre zunehmenden Polizeigewalt und rechtlichen Verfolgung von Linken markiert.
Die Schweizer Bourgeoisie hat traditionell einen undemokratischen Umgang mit Linken. Jedes wichtige Armeeübungsszenario ist auf innere Aufstände ausgelegt. Verschiedene Kantone haben zudem das Demonstrationsrecht eingeschränkt. Die heutigen Demos machen der herrschenden Klasse Angst, weil sie wissen, dass es Vorboten von zukünftigen Massenbewegungen sind. Die Bourgeoisie fürchtet sich vor kommenden sozialen Explosionen.
Der bürgerliche Staat kann sich das Brachialvorgehen nur erlauben, weil die Arbeiterklasse den Demonstrationen grösstenteils fernbleibt. Den Demos fehlt damit die kritische Grösse, was sie zu leichten Angriffszielen macht. Doch kein Polizeiknüppel kann die Radikalisierung der Jugend aufhalten. Die herrschende Klasse kann Demos nur niederschlagen, solange die Jugend keine Verbindung zu den Massen hat. Diese muss bewusst aufgebaut werden, denn die Mobilisierung der Massen ist die einzige Möglichkeit, uns vor Polizeirepression zu schützen.
Wir Marxisten müssen solche Vorfälle verstehen: Ein Angriff auf einen, ist ein Angriff auf alle. Wenn die Bourgeoisie Demos angreift, dann greift sie damit die Arbeiterklasse an.
Durch das harte Vorgehen gegen Demos und jeglichen linken Aktivismus erkennt die Jugend immer klarer die Klassennatur des bürgerlichen Staates. Jeder demokratische, neutrale Schleier fällt und dahinter kommt das wahre Wesen zum Vorschein: Der Staat verteidigt mit roher Gewalt das Interesse der Bourgeoisie.
Ein kleiner Teil der Jugend reagiert darauf mit direkter Aktion: Hauptsache Praxis auf der Strasse. Das wichtigste Ziel dieser Vorgehensweisen besteht darin, Aufsehen zu erregen. Das scheint das Maximum zu sein, was man tun kann, solange man als kleine Gruppe in der Minderheit verbleibt.
Die einzige Kraft, welche die Mehrheit der Gesellschaft, die Arbeiterklasse, mobilisieren könnte, sind ihre traditionellen Massenorganisationen, insbesondere die SP. Doch diese reformistischen Organisationen haben keinerlei Vertrauen in die Arbeiterklasse. Darum versuchen sie nicht mal, diese zu mobilisieren. So haben sie der Jugend nichts anzubieten. Die linksradikalen Methoden sind eine Reaktion auf die Untätigkeit der Massenorganisationen. Es handelt es sich um eine ungeduldige Suche nach Abkürzungen. Doch Abkürzungen gibt es nicht! Es ist eine falsche Schlussfolgerung, die (vorübergehende!) Passivität der Arbeiterklasse durch die eigene direkte Aktion ersetzen zu wollen.
Die Jugend muss verstehen, dass die Mobilisierung der Arbeiterklasse die Bedingung ist, um den Kampf richtig zu führen. Dieser Aufgabe müssen sich alle annehmen, die etwas verändern wollen.
Die Bourgeoisie greift bereitwillig zum Knüppel und drischt zunehmend auf die Jugend ein, was deren Verzweiflung über die Krise weiter steigert. In der Folge werden dann die Methoden der direkten Aktion zum Prinzip und im ständigen Kleinkrieg mit der Polizei angewandt. Klar liegt die Schuld an dieser Situation beim Staat, der im Interesse der Bourgeoisie handelt. Doch es ist ein Fehler, wenn die linksradikalen Gruppen auf diesen Kleinkrieg eingehen. Die Bourgeoisie fürchtet sich nicht vor Individuen, sondern einzig und allein vor der Aktion der Masse.
Linksradikale Methoden bringen die Jugend eben nicht näher an die Arbeiterklasse, sondern isolieren die Jugend. Das erleichtert der herrschenden Klasse die Spaltung und die vorübergehende Ruhigstellung der Arbeiterklasse. Linksradikale Methoden bewirken also das Gegenteil der notwendigen Mobilisierung der Arbeiterklasse.
Wir leben in der Periode einer harten Krise, die sich weiter verschärft. Unter der Herrschaft der Kapitalisten stehen alle Zeichen auf Verschlechterung und bedrohen jegliche soziale Absicherung. Die Bourgeoisie ist in der Sackgasse. Sie hat nur einen Ausweg: Den Angriff auf die Arbeiterklasse. Nur so kann die Bourgeoisie ihre Stellung und ihre Profite sichern. Die Arbeiterklasse erlebt aktuell die Inflation und die grössten Angriffe seit 40 Jahren. Diese Attacken treffen nicht mehr Einzelne, sondern die grosse Masse der Lohnabhängigen. Das bedeutet, Armut, Stress, psychische Krankheiten etc. nehmen zu, während hässlichste Formen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus etc.) Auftrieb erhalten.
Diese Verschlechterungen sind Teil eines objektiven Prozesses, der auch die starke Radikalisierung in der Gesellschaft, besonders in der Jugend, mit sich bringt. Frust und Wut stauen sich an. Damit nimmt das Potenzial, gegen die Herrschaft der Kapitalisten zurückzuschlagen, mit jedem Tag zu. Doch um es zu verwirklichen, muss die Arbeiterklasse selber aktiv werden.
Mit den zunehmenden sozialen Spannungen wird sich die Repression noch weiter zuspitzen. Der einzige Weg, sich dagegen zu wehren ist die Aktivierung der Mehrheit der Lohnabhängigen selbst. Die geeinte, mobilisierte Arbeiterklasse ist stärker als jede Polizei. In der aktuellen Periode der Permakrise hat jeder Arbeiter allen Grund zu kämpfen. Um dieses Potenzial in wahre Kampfkraft zu übersetzen, braucht es ein Programm, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Lenin erklärte, dass unsere Radikalität im Programm liegen muss, nicht in der Aktionsform. Das Programm muss von den tagesaktuellen Problemen und Forderungen der Arbeiterschaft ausgehen. Doch um der heutigen Situation der Sackgasse des Kapitalismus gerecht zu werden, muss es eine Brücke von den drängendsten Forderungen zur sozialistischen Revolution schlagen.
Die Antwort der Arbeiterbewegung auf die Krise kann niemals sein, mit der Bourgeoisie einen Kompromiss zu suchen. Denn die Bürgerlichen müssen die gesamte Krise auf den Rücken der Arbeiterklasse abladen. Die einzige Lösung ist der Klassenkampf und die eigenständige Aktion der Arbeiterklasse. Um ihre Interessen zu verteidigen, kann die Arbeiterklasse nur auf ihre eigene Kraft vertrauen. Ihre Kampfmittel sind Streiks, Massendemonstrationen und Betriebsbesetzungen. Das ist der einzige Ausweg aus der heutigen Situation der Ohnmacht gegenüber den Angriffen und der Repression. Die Arbeiterklasse wird den Kampf für dieses Programm unterstützen, wenn sie ihre Interessen darin wiederfindet und wenn es einen wirklichen Weg im Kampf aufzeigt.
Die Aufgabe der «radikalsten» Schichten ist es weder einen Stellvertreterkleinkrieg gegen die Polizei zu führen noch sich in den Massenorganisationen in ihrem heutigen Zustand zu verlieren. Die kommenden Klassenkämpfe werden diese Organisationen von Grund auf verändern. Unsere Aufgabe heute ist es, aufzuzeigen, dass Widerstand gegen die Krisenpolitik möglich ist und was dafür nötig ist. Die Krise drängt die Arbeiterklasse allmählich zur Aktivität. Doch ob und wie sie wirklich aktiv wird, darüber entscheiden das Programm und die Kampfmethoden, welche ihr für den Kampf angeboten werden. In der heutigen Situation muss dies ein revolutionäres Programm sein, welches den Kampf gegen die täglichen Angriffe der Kapitalisten mit der Überwindung des Systems kombiniert. Der Kampf gegen die Gewalt des bürgerlichen Staates ist der Kampf der Arbeiterklasse für die Revolution!
Michael Wepf, Basel
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