Der Wahlsieg von Andi Babler zum Vorsitzenden der SPÖ eröffnet ein neues Kapitel im österreichischen Klassenkampf. Das beweist: Auch in relativ stabilen Ländern wie Österreich wird eine turbulente Periode der Instabilität und des offenen Klassenkonflikts eingeläutet.

Spätestens mit dem SPÖ-Parteitag Anfang Juni hat die linke Welle nun auch Österreich erreicht. Zuvor schon konnte die KPÖ Salzburg ihren Wahlanteil um den Faktor 30 steigern – als Partei, die Kommunismus im Namen trägt! Nun wählte die SPÖ mit Babler einen Vorsitzenden, der im Fernsehen sagt: «Ich bin Marxist» und die EU als imperialistisches Instrument der Banken bezeichnet! Mit seinen Forderungen stellt er die gesamte Parteipolitik auf den Kopf.

Die Gemeinsamkeiten von Babler und KPÖ sind Forderungen wie die Arbeitszeitreduktion, der Mietendeckel und der Ausbau des Sozialstaates. Besonders Bablers Forderung der 32-Stunden-Woche bricht mit dem Trott des rechten SPÖ-Flügels, der die Partei über Jahrzehnte dominierte. Nach einer langen Phase von Angriffen auf die Arbeiterklasse mit Austerität, Lohndruck usw. werden endlich Forderungen zur Verbesserung Lebensstandards offen diskutiert und bekommen Massenunterstützung. Das ist ein Bruch mit der völligen Alternativlosigkeit, den wir Marxisten begrüssen und nach Möglichkeiten unterstützen.

Das Aufkommen des Linksreformismus

Die Nachkriegsperiode war geprägt von kapitalistischem Wachstum. Damit konnten Konzessionen an die Arbeiterklasse gemacht und ein relativ stabiler Kompromiss zwischen den Klassen gefunden werden. Das ist schon lange Geschichte. Die Bürgerlichen können sich nicht einmal mehr die alten Konzessionen leisten und sind seit Jahren in der Offensive.

Damit haben auch die alten Zentrumsparteien keine Möglichkeit mehr, weiter zu regieren wie bisher. Die österreichische Sozialdemokratie ist besonders stark in den bürgerlichen Staat integriert und völlig staatstragend. Darum ist sie mindestens genau so tief in der Krise wie die bürgerliche ÖVP, die im Sumpf der Korruptionsskandale und der Vetternwirtschaft versinkt. Beide können weder die Interessen der Bourgeoisie noch der Arbeiterklasse bedienen.

Der Bedeutungsverlust des politischen Zentrums drückte sich in den letzten Jahren besonders mit dem Aufstieg der FPÖ in einer Polarisierung nach rechts aus. Babler und die KPÖ beweisen aber, dass sich die Polarisierung auch nach links ausdrücken muss. Die Arbeiterklasse braucht grosse, echte Reformen, um ihren Lebensstandard zu verteidigen. In dieser Situation kann eine zufällige Figur oder Partei mit einem Programm zur Verbesserung des Lebensstandards zu einem Anziehungspunkt werden. Das ist die Basis für Phänomene wie Babler.

Was ist Linksreformismus?

Mit seinen radikal klingenden Forderungen hat Babler die Interessen der Arbeiterklasse ins politische Rampenlicht gerückt und mit seiner Kandidatur eine Welle von Enthusiasmus und Kampfgeist ausgelöst. Genau darin liegt das progressive Element des Linksreformismus. Er bietet der Arbeiterklasse nach einer langen Durststrecke erstmals Forderungen an, für die es sich lohnt zu kämpfen. Das kann eine Dynamik entfachen, in der die radikalsten Schichten der Arbeiterklasse nicht nur dabei zusehen, sondern selbst für diese Interessen einstehen wollen! Darum unterstützten wir Marxisten Bablers Kampagne. Während dieser sind 10’000 neue Mitglieder der Partei beigetreten (bei 100’000 Parteimitgliedern).

Nun stellt sich die Frage, wie die Fordeungen auch umgesetzt werden können. In Bezug auf seine populärste Forderung, die 32-Stundenwoche bei gleichbleibendem Lohn, sieht Babler folgenden Weg der Durchsetzung: Sozialpartnerschaft und staatliche Anreize. Kurz: in der Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Politikern.

Doch das ist illusorisch. Diese korrekten Forderungen können nicht mittels Sozialpartnerschaft und mit den Kapitalisten, sondern nur gegen sie, mit Streiks und Massenaktionen verwirklicht werden. Darin zeigt sich die Schwäche des Reformismus – ob links oder rechts. Er ist nicht bereit mit den Bürgerlichen und dem Kapitalismus zu brechen.

Aber Babler bietet der Alternativlosigkeit der SPÖ-Rechten die Stirn und hat eine Dynamik losgetreten. Damit werden zwei zentrale Diskussionen auf den Tisch gestellt: 1. die Ausrichtung der Sozialdemokratie: bürgerliche oder Arbeiterpartei? Und 2. die Frage, wer bezahlt: wir oder die Kapitalisten? Das ist ein wichtiger Schritt für den österreichischen Klassenkampf.

Revolutionäre und Linksreformismus

Babler ist ein Referenzpunkt für Teile der Arbeiterklasse geworden. Seine Forderungen würden reale Verbesserungen für die Arbeiter bedeuten. Dort setzen wir an und erklären: Um diese Reformen zu erkämpfen, muss mit den Bürgerlichen auf allen Ebenen gebrochen und allein auf die organisierte Arbeiterklasse vertraut werden. Nur sie kann diese Reformen erkämpfen: mit den Methoden des Klassenkampfes.

Je klarer Babler diese Linien aufzeigen kann, desto weiter wird die Babler-Bewegung kommen. In welchem Umfang das passieren wird, ist offen. Aber Bablers Kampagne hat Kräfte geweckt, die lange unter der Oberfläche geschlummert haben. Die Arbeiterklasse erwacht und sie muss lernen zu kämpfen, um ihre Interessen durchsetzen zu können.

Dafür braucht sie Einheit und Klarheit über ihren Kampf. Die Siege der KPÖ und Andi Babler sind der Anfang des Lernprozesses der gesamten Arbeiterklasse in diese Richtung. Sie legen damit das Fundament für die vielen Kämpfe, die noch kommen werden.

Nick Häfeli

Bern