Die Wirtschaftskrise bleibt heute in letzter Instanz der alles determinierende Einfluss auf den Klassenkampf, international wie in der Schweiz. Wir stehen vor einem neuen Kapitel der Klassenauseinandersetzungen, welche, genährt durch die kollektiven Erfahrungen der ArbeiterInnen und der Jugend Europas, Nordamerikas und besonders auch des arabischen Raums, international reif sind eine neue Schärfe anzunehmen.
Die Wirtschaftskrise bleibt heute in letzter Instanz der alles determinierende Einfluss auf den Klassenkampf, international wie in der Schweiz. Wir stehen vor einem neuen Kapitel der Klassenauseinandersetzungen, welche, genährt durch die kollektiven Erfahrungen der ArbeiterInnen und der Jugend Europas, Nordamerikas und besonders auch des arabischen Raums, international reif sind eine neue Schärfe anzun
Die kapitalistischen Akkumulationsbedingungen haben sich radikal verändert, was unweigerlich zu einer neuen Qualität der politischen und wirtschaftlichen Klassenauseinandersetzung führt. Die Geschwindigkeit, mit welcher sich dieser Wandel vollzieht, kann variieren, sich in einem Land rascher entwickeln, dann wieder abflauen und woanders aufflammen. Die Tatsache, dass die weltweite Situation heute bei einer ersten Betrachtung weder „als Fisch noch als Vogel“ erscheint, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Lage für den Weltkapitalismus keineswegs entspannt hat.
Jede Sparmassnahme, jede Fabrikschliessung, jede Verhandlung zu einem Gesamtarbeitsvertrag wird zu einer Kraftprobe zwischen Arbeit und Kapital, wobei letzteres im Moment eindeutig die Oberhand behält. Die Zeit der friedlichen Koexistenz zwischen Bourgeois und ArbeiterIn ist zu Ende. Dies haben die Kapitalisten schon lange verstanden. Die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung hinken den objektiven Bedingungen jedoch meilenweit hinterher, daher auch die Unfähigkeit, den Kapitalisten effizienten und organisierten Widerstand entgegenzusetzen. Die Methoden der ReformistInnen, über Verhandlungen Zugeständnisse der Bourgeoisie an die ArbeiterInnenklasse herauszuholen, funktionieren ganz offensichtlich nicht mehr.
Von einer wirtschaftlichen Stabilisierung kann nicht gesprochen werden und von einer politischen schon gar nicht. In vielen Ländern ist das politische Regime der Bourgeoisie merklich in der Krise. Die aktuelle Epoche ist gekennzeichnet durch die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Masse der Lohnabhängigen über verschiedene Wege, international und wie wir immer besser erkennen, auch in der Schweiz. Die Erfahrungen des letzten Jahres und die Perspektiven für die kommende Periode zeigen wieder einmal, dass die Schweiz keine Insel darstellt. Dennoch gibt es Besonderheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung, aber besonders auch in den Traditionen der ArbeiterInnenbewegung, welche es nicht zu unterschätzen gilt.
Unseren Anspruch mit diesem Dokument brachte Engels in seiner Einleitung der „Klassenkämpfe in Frankreich“ von Marx gut auf den Punkt: „Bei der Beurteilung von Ereignissen und Ereignisreihen aus der Tagesgeschichte wird man nie imstande sein, bis auf die letzten ökonomischen Ursachen zurückzugehen.“ Es geht vielmehr darum grob die vergangenen und zukünftigen Tendenzen des Klassenkampfes und seiner bestimmenden Elemente zu skizzieren und daraus Schlüsse für die politische Praxis ziehen zu können.
Ohne ein Verständnis der Ursachen und Wirkungen der Krise auf den Schweizer Kapitalismus und die Beziehungen zwischen den Klassen, lassen sich auch keine politischen Schlussfolgerungen für die ArbeiterInnenbewegung ziehen. Als MarxistInnen versuchen wir die der Krise zugrunde liegenden Prozesse zu verstehen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
In unserem letztjährigen Perspektivendokument führten wir aus, dass die Erhöhung des Ausbeutungsgrades der ArbeiterInnen und die Verlängerung der Arbeitszeiten die grundlegenden Probleme der Krise der Exportindustrie keineswegs lösen werden. So können Verbesserungen der Profitverwertungsbedingungen der Kapitalisten nur die von den Unternehmern erhoffte Wirkung (Erhöhung beziehungsweise Sicherung der Profite) erzielen, wenn die Waren auch tatsächlich abgesetzt und die Profite real gesichert werden können. Dies erwies sich angesichts der Krise, welche eben eine Überproduktionskrise ist, als Illusion. Die Konsequenz zeigte sich ab dem Herbst in einer neuerlichen Entlassungswelle in der Exportindustrie wie 2009 (z.B. Lonza, Tornos), sowie einem Anstieg der Kurzarbeit. Insgesamt erhöhte sich dadurch die offizielle Arbeitslosigkeit in der zweiten Jahreshälfte 2012 um 27’400 und in 638 Betrieben fielen beinahe 430’000 Stunden durch Kurzarbeit weg.
Die Wechsel in den Arbeitsbedingungen der IndustriearbeiterInnen hat eine revolutionäre Sprengkraft, welche der 3. Kongress der Kommunistischen Internationale folgendermassen auf den Punkt brachte: „Weder Verelendung noch Prosperität als solche können zur Revolution führen, sondern die Wechsel von Prosperität und Verelendung, Krisen, Schwankungen, das Fehlen jeglicher Stabilität – das sind die treibenden Kräfte der Revolution“. Nach Entlassungswellen und Kurzarbeit 2009, zu erhöhtem Arbeitsdruck 2011, zurück zu Entlassungen und Kurzarbeit 2012, dies ist die Erfahrung von Hunderttausenden von IndustriearbeiterInnen. Über kurz oder lang werden sich diese Erfahrungen in Bewusstseinssprüngen ausdrücken.
Wir sehen also, dass mit den Angriffen auf die Arbeitsbedingungen keines der Probleme für die Schweizer Bourgeoisie wirklich gelöst werden konnte. Unter Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise kann die Überproduktion nur durch eine Zerstörung von Produktivkräften überwunden werden. Unter den gegebenen Umständen ist eine Wiederankurbelung der Akkumulation in der Schweizer Exportindustrie nur schwer möglich.
Die Bedeutung der Exportindustrie für den Schweizer Kapitalismus ist mit über 50% des BIP sehr hoch. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen die Exporte im 3. Quartal 2012 zwar insgesamt um 5.6% zu. Diese Zunahme ist jedoch branchenabhängig. Die Maschinen- und Apparateindustrie exportierte seit Oktober 2011 jeden Monat weniger als im Vorjahresvergleich, während die Exporte der Chemie- und Pharmabranche in der gleichen Periode lediglich während vier Monaten schrumpften. Diese zwei Branchen machen gemeinsam über die Hälfte der Exporte aus. Es lässt sich auch erkennen, dass die Exportzahlen der Metallindustrie eher denjenigen der Maschinenindustrie gleichen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Waren in ähnlichen Produktionsprozessen benötigt werden. Die Uhren- und Luxusgüterindustrie ist auch wesentlich besser dran. Die Reichen werden nicht nur immer reicher, sondern sie leisten sich auch mehr Luxusgüter. Die einen verlieren ihre Jobs und hungern, während die Reichen sich weiter teure Spielzeuge und Statussymbole gönnen. Dies ist eben Kapitalismus. Die dargelegte Zweiteilung der Exportindustrie zeigt, dass die Frankenstärke keineswegs die zentrale Frage für die Ausfuhr sein kann.
Wichtig für das Wachstum des letzten Jahres des Schweizer Kapitalismus war die Baubranche und hier besonders der Hochbau, welcher um 7.8% zunahm. Die Bedeutung des Hochbaus für die Schweizer Volkswirtschaft ist sehr hoch. 2012 wurden Bauvorhaben im Wert von über 67 Milliarden CHF eingereicht, wovon die meisten (fast 46 Milliarden) durch Privatunternehmen finanziert wurden. Die Bauinvestitionen machten 2011 9.3% des BIP aus und im 3. Quartal 2012 wurden über 330’000 BauarbeiterInnen gezählt.
Seit längerem wird über die Existenz einer Blase in der Baubranche gerätselt. Die Preise auf dem Immobilienmarkt stiegen in den letzten Jahren immer weiter, so dass die UBS seit dem 3. Quartal 2012 von überbewerteten Preisen spricht. Diese sind seit dem Jahr 2000 bei Mietwohnungen um 44% gestiegen, bei Eigentumswohnungen um 66%. Zudem stieg die Hypothekarverschuldung im Vergleich zum BIP seit 2008 um 16% an. Es wird also mehr gebaut, die Wohnungen werden teurer und Baukredite nehmen zu. Die Immobilienblase wird kräftig aufgebläht. Nicht nur die UBS, sondern auch die Nationalbank (SNB) gehen von einem hohen Risiko auf dem Immobilienmarkt aus. Die aufgeführten Zahlen sprechen für sich. Solche Wertsteigerungen können nicht alleine mit der Einwanderung und verändertem „Wohnkonsumverhalten“ erklärt werden. Dies sind schlicht spekulative Preisentwicklungen. Das Immobilien- und Baumarkt Beratungsunternehmen „Wuest und Partner“ bringen es auf den Punkt, wenn sie bemerken, dass grosse Immobilieninvestoren in den letzten Jahren „risiko- und experimentierfreudiger“ geworden sind, natürlich auf der „Suche nach Renditen“.
Dabei lassen sich diese Entwicklungen durchaus mit der Periode der letzten Immobilienblase in der Schweiz Ende der 1980er Jahre vergleichen. Ein Eigenheim kostet heute soviel wie für 28 Jahresmieten gebraucht würden. Dieser Wert wurde zuletzt 1987 erreicht, 2 Jahre vor dem Platzen der damaligen Immobilienblase. Ein anderer Indikator misst die Anzahl Jahreslöhne, welche zum Kauf eines Eigenheims gebraucht würden. Dieser ist mit 5.9 Jahreslöhnen so hoch wie seit dem Höchststand bei der letzten Blase nicht mehr. Die Realität für Lohnabhängigen sieht anders aus. Der grösste Teil von ihnen gehört zu den 60%, welche ihre Unterkunft mieten. Die Mieten stiegen in den letzten 10 Jahren um 16% an, trotz der niedrigen Zinsen, welche die Eigentümer den Banken entrichten mussten und müssen. Die Mieten verschlingen einen grossen Teil des Lohns, besonders bei den 38% der ArbeiterInnen, welche ein tiefes Einkommen haben (unter 4‘610 Franken). Diese müssen rund 1/3 ihres Lohnes für die Miete aufwenden.
Der Bau ist heute eine der wichtigen Stützen des Schweizer Kapitalismus und steht, wie eben dargelegt, auf sehr wackligen Beinen. Er hat eine wirtschaftliche Bedeutung, welche über den unmittelbaren Anteil am BIP hinausgeht, wie z.B. Baumaterial-Zulieferer, welche unmittelbar von der Baubranche abhängig sind. Ausgehend von einem Platzen der Immobilienblase würde die Bauaktivität rapide abnehmen, mit all ihren Konsequenzen für die BauarbeiterInnen. Doch nicht nur das, die Banken, welche sich bei der Vergabe von Hypotheken in den letzten Jahren äusserst grosszügig zeigten und den Kredit massiv ausgedehnt haben, wären von einer Krise bedroht. Eine solche kann die Kredittätigkeit, welche im Kapitalismus auch eine reale und nicht nur eine spekulative Funktion ausübt, als Ganzes gefährden. Anhand welcher Ereignisse sich die fiktiven Wertsteigerungen der Immobilien brechen werden, ist nur schwer abschätzbar. Dass dies jedoch über kurz oder lang geschehen wird, ist unbestreitbar.
Die Ausdehnung des Baukredits wird durch die Tiefzinspolitik der SNB zur Stützung der Wechselkursuntergrenze von 1.20 CHF zum Euro zusätzlich beflügelt. Das Problem der Frankenstärke hat sich derweilen ein wenig abgeschwächt. Im Zuge des, von den Euro-Mitgliederstaaten beschlossenen, uneingeschränkten Aufkaufs von europäischen Staatsanleihen beruhigten sich die Finanzmärkte zumindest vorläufig und die Flucht in den Franken nahm etwas ab. Vielmehr ist ein Rückfluss von Kapital in Richtung Börsen und hier besonders in Richtung Rohstoffhandel zu bemerken. Dabei werden wieder spektakulär-spekulative Gewinne erwirtschaftet.
Eine Wiederaufnahme von produktiven Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, Geräte, Fahrzeuge etc.) bleibt jedoch weitgehend aus. Dies ist angesichts der prekären Profitsituation wegen der Überproduktion auch nicht weiter erstaunlich, machen doch Investitionen für die Kapitalisten nur Sinn, wenn daraus Profitsteigerungsaussichten entstehen. So haben zwar letztes Jahr beispielsweise mehr Schweizer Firmen mit Erfolg Anleihen aufnehmen können, diese stünden laut NZZ jedoch vor der Frage „wie sie neu aufgenommenes Kapital überhaupt anlegen sollen.“ (NZZ vom 28.12.) Kapitaleigner lechzen derzeit nach Renditen, wie Drogensüchtige nach dem nächsten Schuss. Nachdem sie ihre Staatsanleihen bei der EZB parkieren und mit frischem (fiktivem) Kapital versorgt wurden, wird nun die Spekulation an den Börsen wieder lanciert. Diesem Kapital liegen keine realen Werte, also keine Steigerung der Produktion, zugrunde: Sie sind einzig eine künstliche Ausdehnung der Geldmenge. Deshalb haben sie einen künstlichen, einen fiktiven Charakter. Diese Spekulationsorgie kann jedoch nicht ewig weitergehen, sondern wird sich anhand konkreter Ereignisse in ihr Gegenteil verkehren, besonders, wenn das verwendete Kapital seinen künstlichen Charakter offenbart. Massive Kapitalabzüge und ein Börsencrash mit anschliessender Bankenkrise wären die Folgen.
Durch die prekäre Profitsituation wurde im Bausektor der Ausbeutungsgrad der Ware Arbeit durch den Einsatz von Unterakkordanten erhöht. Indem ein Bauunternehmer einen im zugeschanzten Bauauftrag an einen anderen Unternehmer (Unterakkordant), welcher für weniger Geld dasselbe leisten muss, wie es der Bauunternehmer eigentlich hätte tun müssen, weitergibt, wird der Lohn gedrückt. Am Ende dieser Kette stehen meist AusländerInnen, welche für einen Hungerlohn arbeiten müssen. Der Bauunternehmer selber konnte, nur durch die Vermittlung des Auftrags, Geld einstreichen. Diese Vergabeketten haben sich massiv ausgebreitet. Zwar haben die Parlamente nun Massnahmen dagegen beschlossen, dass diese aber genügen, ist zu bezweifeln.
Unterdessen legen aber die mutigen Stimmen des Finanzkapitals weiter ihren offensiven Willen zutage, jegliche Kapitalkontrollen zu überwinden. Es mehren sich unter bürgerlichen Kommentatoren Stimmen, wonach bald ein „fairer Wechselkurs“ zwischen CHF und Euro erreicht sei. Andere wiederum sehen die Annäherung der Kaufkraftparität zwischen der Schweiz und der Eurozone als eher langsam verlaufend und noch nicht genügend, um die Wechselkursuntergrenze fallen zu lassen. Dies enthüllt ziemlich gut den wahren Charakter des fixen Wechselkurses. Die SNB kann unter dem Deckmantel der Stützung der Exportindustrie die Banken und Finanzinstitute mit billigem Kapital versorgen, mit welchem diese dann an den Börsen und auf den Devisenmärkten spekulative Gewinne erwirtschaften können. Den ArbeiterInnen bleibt der Druck auf die Löhne (interne Abwertung), den Kantonen drohen ausfallende Gewinnausschüttungen von der SNB, welche gewichtige Löcher in den Budgets zurücklassen, und in letzter Instanz droht eine Inflation, welche die Lohnabhängigen mit steigenden Lebenshaltungskosten bedroht. Und dies alles unterstützt durch die Gewerkschaftsbürokratie.
Die SNB musste letztes Jahr weiter massiv auf den Währungsmärkten intervenieren. Hatte sie 2011 im Jahresdurchschnitt etwa 258 Milliarden CHF in anderen Währungen in ihrer Bilanz, so waren es im 3. Quartal 2012 bereits 430 Milliarden. Das sind über 85% der totalen Bilanz. Davon bildeten die 211 Milliarden Franken, welche in Euro angelegt waren, den grössten Anteil der Bilanz. Interessanterweise musste die SNB im 3. Quartal 2012 auch massiv US-Dollar aufkaufen, für satte 40 Milliarden CHF. Dies deutet auf eine extreme Zuspitzung der Spannungen auf den Währungsmärkten zu (siehe weiter unten). Insgesamt bleibt jedoch die Verteidigung des Franken gegenüber dem Euro, welche im September 2011 lanciert wurde, zentral. Der hohe Anteil an Devisen sorgen für starke Schwankungen im Wert in CHF der SNB-Bilanz. So wurde zwar in den ersten 9 Monaten 2012 ein Buchungsgewinn von fast 17 Milliarden CHF verzeichnet, dieser ist jedoch äusserst fragil. Die 15% an „realen“ Werten in der Bilanz (Gold) können die durch einen Euro-Zusammenbruch zu erwartenden Buchwertverluste der Devisenpositionen niemals wettmachen. Das würde für immense Probleme sorgen, sowohl was die Währungsstabilität, als auch die Geldversorgung angeht.
Für 2012 geht das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO von einem erzielten Wachstum von 1% aus. Die offizielle Arbeitslosigkeit lag im Jahresdurchschnitt bei 2.9%, lag aber nach der oben erwähnten Zunahme im Dezember bei 3.3%. Die reale Arbeitslosigkeit dürfte jedoch, AVIG-Reform sei dank, wesentlich höher liegen (wohl eher gegen 5%). Für 2013 prognostiziert das SECO ein BIP-Wachstum von 1.3% und eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von 3.3%. Das BIP soll also stärker wachsen, die Arbeitslosigkeit jedoch auch. Der Reichtum der Herrschenden soll also durch eine stärkere Ausbeutung der ArbeiterInnen erwirtschaftet werden. Das SECO errechnet ihre Prognose ausserdem unter der Annahme einer weiteren Entspannung der Krise in Europa.
In letzter Instanz hängt tatsächlich alles von Europa ab. Die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz hängt, wie wir bereits öfter dargelegt haben, intim mit jener Deutschlands zusammen. Die Finanzmärkte in Europa konnten im Verlauf des letzten Jahres stabilisiert werden, was dem Schweizer Kapitalismus etwas Luft verschaffen konnte. Dieser Stabilisierung liegen sowohl wirtschaftliche wie auch politische Entscheidungen zugrunde. Erreicht wurde sie durch den oben erwähnten Entscheid die EZB uneingeschränkt Staatsanleihen aufkaufen zu lassen. Unter dem Deckmantel einer Stützung der Peripherie der Eurozone wurde und wird weiteres fiktives Kapital in den Markt gepumpt. Gleichzeitig wurden die sich zuspitzenden Klassenkämpfe zunehmend als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen. Die Bürgerlichen haben Angst und sind vorsichtiger geworden mit ihren offenen Angriffen gegen die Lohnabhängigen in Form von Sparpaketen. In letzter Analyse aber müssen sie im Rahmen des Kapitalismus weitere Sparmassnahmen durchführen.
Doch mit diesen Massnahmen ist keines der fundamentalen Probleme des Europäischen Kapitalismus gelöst. Es herrscht weiterhin eine enormes Ungleichgewicht zwischen den Waren- und Kapitalflüssen unter den verschiedenen Ländern der Eurozone. Der aus der „Stabilisierung“ der europäischen Finanzmärkte resultierende nachlassende Druck auf den Schweizer Franken ist alles andere als fix. Das Konjunkturforschungsinstitut BAK Basel errechnete die Konsequenzen eines Ausstiegs Griechenlands aus der Eurozone, sowie die eines Aufbrechen der Eurozone auf die Schweizer Wirtschaft. Bei ersterem würde das BIP im ersten Jahr um 1.1% fallen, bei letzterem um 4.2%. Dies ist ein wahrscheinlicheres Szenario, als die vom SECO herausgegebenen Prognosen.
In Anbetracht dieser Tatsache wiederholen Bundesrat Schneider-Amman und Konsorten wie ein Mantra, die Orientierung auf „aufstrebende Märkte“ würde die Abhängigkeit vom europäischen Markt abschwächen und die Krisenanfälligkeit des Schweizer Kapitalismus mildern. Real ist die Bedeutung dieser Märkte mit ungefähr 25% der Exporte für die Schweizer Exportindustrie in Relation zu den industrialisierten Ländern weiterhin gering.
Derweil spitzt sich die Konkurrenz zwischen verschiedenen nationalen Volkswirtschaften zu. Die Schweiz ist nicht das einzige Land, welches sich einer protektionistischen Währungspolitik verschreibt. Die EZB, aber auch die US-Zentralbank FED und die japanische Zentralbank werten allesamt ihre Währungen durch das sogenannte „quantitative Easing“ ab, also durch die völlig künstliche Schaffung von Geld mittels „Knopfdrücken“. Aber auch Brasilien beispielsweise pumpt kräftig Kapital in die Devisen- und Finanzmärkte um den Wert ihre Währung zu senken und Exporte anzukurbeln.
Von offenen Währungskriegen zu sprechen ist noch verfrüht, eine Zuspitzung der internationalen Konkurrenz und eine Wirtschaftspolitik im Interesse der jeweiligen nationalen Bourgeoisen lassen jedoch die Aussichten eines „sich aus der Krise exportieren“ zunehmend als schwierig erscheinen. Für MarxistInnen ist dies sowieso keine Lösung. Vielmehr enthüllt diese Tatsache die hinderliche Rolle der Nationalstaaten in der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte.
Die Schweiz war mit ihrer Wechselkursuntergrenze zum Euro die erste Industrienation, welche offen zu protektionistischer Währungspolitik überging. Heute gibt es Teile der Bourgeoisie, aber vor allem auch VertreterInnen der Gewerkschaftsbürokratie, welche eine weiter Anhebung des Wechselkurses auf 1.40 CHF zum Euro fordern. Dies ist nicht nur eine Ausrede der Gewerkschaften, um die Arbeitsplätze nicht mittels Kampfmassnahmen verteidigen zu müssen, sondern würde auch neue Widersprüche schaffen. Zudem würde eine solche Massnahme keineswegs ohne Antwort von konkurrenzierenden imperialistischen Ländern bleiben. Weitere Angriffe auf die Schweizer Banken und auch auf die Vorstellung der Schweizer Bourgeoisie, was die bilateralen Verträge mit der EU darstellen sollten, würden folgen. Sprich: ein offener Wirtschaftskrieg wäre die Folge.
Die Handelsbilanz der Schweiz betrug 2011 23.5 Mia CHF. Zudem ist der Schweizer Bankenplatz weiterhin ein bedeutendes internationales Finanzzentrum. Letztes Jahr betrug der Kapitalexport 42 Mia. Franken, was den gesamten Wert an Schweizer Investitionen im Ausland auf über 1 Billion CHF erhöhte. Beinahe 3 Millionen ArbeiterInnen werden weltweit, neben den über 4 Millionen Lohnabhängigen in der Schweiz, durch Schweizer Kapital ausgebeutet. Der Schweizer Kapitalismus spielt also als imperialistisches Land mit den Grossen mit. Dies sowohl absolut, wie auch gemessen am Kapitalexport pro Kopf, wo sie den weltweit höchsten Betrag aufweist.
Der durch und durch parasitäre Charakter der Schweizer Banken wurde auch im letzten Jahr immer deutlicher. Sei dies durch die Libor-Manipulationen der UBS, durch das spekulieren auf Nahrungsmittel (u.a. durch die CS) oder durch die Lagarde Liste mit Schweizer Bankkonten griechischer Steuerhinterzieher. Bei jeder Schweinerei war und ist die Schweiz dabei.
Die Zeit, in welcher sich die Schweizer Grossbanken durchmogeln und ihre kriminellen Machenschaften ungestraft praktizieren konnten, scheint vorbei. Der Druck aus konkurrenzierenden imperialistischen Mächten (Frankreich, Deutschland, USA) ist zu gross, als dass die aktuellen Praktiken des Bankgeheimnisses aufrechterhalten werden könnten. In diese Angriffe dürfen wir jedoch keine Illusionen hegen, vertreten doch die Regierungen dieser imperialistischen Länder lediglich die Interessen ihres nationalen Finanzkapitals. Die Verantwortung für eine ordentliche Rückführung der in Kollision von Schweizer Banken und parasitärer Bourgeoisie geplünderten Milliarden liegt bei den Lohnabhängigen der betroffenen Ländern und der Schweiz.
Von den über 600 Milliarden US-Dollar angegebenen Forderungen von Schweizer Banken im Ausland sind über 345 Milliarden kurzfristig und müssen also im Verlaufe eines Jahres zurückbezahlt werden. Ebenfalls über die Hälfte aller Forderungen (316 Mia) sind gegenüber anderen Banken. Über die Mechanismen des mächtigen Geldgebers beteiligen sich die Schweizer Grossbanken an der Bereicherungsorgie der Kapitalisten und treiben Millionen an ArbeiterInnen und Junge in die Misere. In den Büchern europäischer Banken lagen Ende 2011 1.05 Billionen Euro an faulen Krediten, gegenüber Bilanzen von ungefähr 30 Billionen Euro. und Schweizer Banken haben gegen 240 Mia an Forderungen gegenüber europäischen Banken. Sogar wenn diese nicht direkt mit faulen Krediten verbunden sind, so würde eine Bankenkrise in Europa unweigerlich auch die europäischen Kredite der Schweizer Banken betreffen und die Bankenkrise in die Schweiz übertragen.
Wir sehen also, dass in den letzten Monaten keiner der grundsätzlichen Widersprüche des europäischen oder des Schweizer Kapitalismus überwunden werden konnten, im Gegenteil. Wir stehen vielmehr vor einer Verschärfung der internationalen Konkurrenz zwischen verschiedenen kapitalistischen Ländern. Die Schweizer Exportindustrie, der Bau und vor allem auch die Schweizer Banken stehen nicht vor einer rosigen Zukunft. Die Krise wird sich in der kommenden Periode noch weiter verschärfen. Mit welchem Timing dies geschieht sei den bürgerlichen Analysten überlassen, deren Metier auf der von Engels zur „Bereicherungswissenschaft“ erklärten bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft beruht. Was für uns wichtig ist, sind die Grundtendenzen festzuhalten. Der Kapitalismus wird nicht von selbst zugrunde gehen. Die herrschende Klasse wird immer wieder aus der Krise finden können. Dies wird sie jedoch nur mittels einer direkten Konfrontation mit den Lohnabhängigen um die Frage der Kontrolle über den gesellschaftlichen Reichtum tun können. Es braucht also, wollen wir nicht zu blossen „Produktionsfaktoren“ im Kapitalismus reduziert werden, die bewusste und organisierte Gegenwehr der ArbeiterInnenklasse.
„Die Schweizer Armee, die seit längerem in einer Sinnkrise steckt, besinnt sich in Zeiten der Krise auf eine ihrer traditionellen Kernaufgaben zurück: Der Aufstandsbekämpfung. „Die Armee wird bereits seit 2003 jedes Jahr zum Schutz der „Crème de la Crème“ der internationalen Bourgeoisie am WEF eingesetzt. Zudem kam es im selbigen Jahr zum Einsatz von Rekruten gegen die G8-Demonstrationen. Doch diese „Übungsmöglichkeiten“ reichen der herrschenden Klasse offenbar nicht, die Bedrohung durch die Anti-Globalisierungsbewegung ist mittlerweile abgeflaut. Es wird nun munter an weiteren Szenarien für Einsätze der Armee gegen Innen gefeilt.“ Bereits 2008 wurde im Kanton Thurgau die Ersetzung der überforderten Polizei durch die Armee geprobt. Bei dieser Brigade-Übung wurden Unruhen im angrenzenden Ausland simuliert, die sich auf die Schweiz übertragen hatten. Dieses Schreckensszenario diente auch beim letztjährigen Manöver „Stabilo Due“ als Ausgangslage, wobei nun die krisengeschüttelten Euroländer ganz klar im Visier standen. Die 2‘000 höchsten Offiziere verteidigten die Stellung „Helvetia“ gegen Unruhen, Demonstrationen und Flüchtlingsströme, wobei die gegnerischen Gruppen mit Hilfe von roten Fahnen nachgestellt wurden. Noch offensichtlicher war die Feindskizzierung bei der Übung des Militärpolizeibataillons 1 in Biberist, wo man sogar ein entwendetes Anti-WEF-Plakat zu dessen Darstellung benutzte.
Verteidigungsminister Ueli Maurer warnt im „Schweizer Soldat“ bereits vor den Auswirkungen der drastischen Sparprogramme in den europäischen Ländern. Diese könnten die nationale Sicherheit gefährden, da kein Geld mehr für die Instandhaltung ihrer Armeen vorhanden ist. Armeechef André Blattmann wollte diese günstige Bedrohungslage ausnützen und plante 1‘600 Soldaten vor „wichtigen strategischen Punkten“ wie Flughäfen, internationalen Organisationen und Industriebetrieben zu stationieren. Dies alles fand pünktlich zum Jahrestag der „Genfer Blutnacht“ (1932) statt, als Erinnerung an damals, als die Schweizer Armee wieder einmal auf demonstrierende Arbeiter schiessen liess.
Die Bourgeoisie signalisiert damit ihre gestiegene Bereitschaft, politische Unruhen mit Waffengewalt zu bekämpfen. Die Krise ebbt nicht ab, der Schweizer Finanzplatz, der sehr grosse personelle Überschneidungen mit der Armeeführung aufweist, fürchtet sich vor einem Anstieg der Klassenkämpfe. Auf welcher Seite das Militär stehen wird, unterstreicht Ueli Maurer sehr deutlich vor den versammelten Spitzenoffizieren: „Ich stelle mich vor die Schweizer Banken“.
Dies erstaunt auch nicht weiter, besteht doch eine persönliche und ideologische Verschmelzung zwischen Armeespitze und Bourgeoisie. Dieses Jahr wird das Projekt zur „Weiterentwicklung der Armee“ dem Parlament vorgelegt. Die Erneuerung der Kaderschicht steht prominent in diesem Projekt, welches mit Unterstützung der HSG, also der traditionellen Elitenschmiede der Schweizer Bourgeoisie, sowie dem Arbeitgeberverband entwickelt wurde. Die Armeekader sollen weiterhin aus dem Kreise der HSG stammen. Auch sind Armeenahe Organisationen, wie ein Blick in den Vorstand der Schweizerischen Offiziersgesellschaft zeigt, durchsetzt mit Bankern und Kadern von Versicherungsgesellschaften, mit FDPlern und Altherren von Studentenverbindungen, kurz: mit Vertretern der herrschenden Klasse.
Dies verdeutlicht den Klassencharakter der Armee als Werkzeug der Herrschenden zur Aufrechterhaltung ihrer Ordnung. Vorschnelle pazifistische Reflexe sind dennoch nicht angebracht. Angesichts der zunehmenden militaristischen Tendenzen müssen seriöse Diskussionen über die Haltung der ArbeiterInnenbewegung und besonders der Juso zur Armee und zum Wehrdienst her. Dafür haben die Lohnabhängigen und die Jugend dieses Landes einen reichen Erfahrungsschatz aus der Geschichte. Wir stehen in den Traditionen des revolutionären Antimilitarismus, wie sie die sozialistische Jugend während dem 1. Weltkriegs entwickelte und treten in der ArbeiterInnenbewegung für ein Anknüpfen an diese Traditionen ein.
Gegen Ende des letzten Jahres wurde für alle merklich der schlafende Riese des öffentlichen Dienstes geweckt. Demonstrationen in St. Gallen, Luzern und Bern, Streiks im Tessin und in Genf stellten dabei die Höhepunkte dar. Tausende öffentlicher Angestellter traten landesweit in Bewegung. Auch wenn es 2011 bereits in einigen Kantonen Proteste gegen Sparmassnahmen gab, stellen die aktuellen Bewegungen eine neue Qualität im Klassenkampf in der Schweiz dar. Dabei spiegelt sich in den Kämpfen ein gewisser Föderalismus, womit sich diese Qualität vor allem in Form von mobilisierten Lohnabhängigen auf Kantonsebene ausdrückt. Auf Bundesebene hingegen wird das gesteigerte Bewusstsein bei Referenden der ArbeiterInnenbewegung ersichtlich.
Gekämpft wird gegen die, von den bürgerlichen Mehrheiten in den jeweiligen Kantonsparlamenten vorgeschlagenen Budgets, welche beachtliche Sparmassnahmen beinhalten. In erster Linie werden diese auf dem Buckel der Angestellten abgewälzt und auf Kosten des Öffentlichen Dienstes, wie dem Gesundheitswesen oder der Bildung, umgesetzt.
Zentral für die Löcher in den Kantonsbudgets sind die Steuergeschenke an Unternehmen und Reiche, welche im Zuge des Steuerwettbewerbs zwischen den verschiedenen Kantonen gemacht wurden. So wurden beispielsweise im Kanton Genf über die letzten 10 Jahre Steuergeschenke in der Höhe von 1 Mia CHF erlassen und nun soll noch ein zusätzliches Loch von 500 Mio durch eine Senkung der Unternehmenssteuer ins Budget klaffen. Die Profite der Unternehmer werden mit Personalabbau vor allem bei Bildung und Gesundheit, sowie über Lohnkürzungen, sichergestellt.
In den Ursachen der Defizite in den Schweizer Budgets und denjenigen europäischer Staaten bestehen Unterschiede. In den Peripheriestaaten Europas erfüllt die Staatsverschuldung den Zweck, die Staatshaushalte zu plündern. Marx brachte es folgendermassen auf den Punkt: „Die Verschuldung des Staates war vielmehr das direkte Interesse der durch die Kammern herrschenden und gesetzgebenden Bourgeoisfraktion. Das Staatsdefizit, es war eben der eigentliche Gegenstand ihrer Spekulation und die Hauptquelle ihrer Bereicherung. Nach jedem Jahre ein neues Defizit. Nach dem Verlaufe von vier bis fünf Jahren eine neue Anleihe. Und jede neue Anleihe bot der Finanzaristokratie neue Gelegenheit, den künstlich in der Schwebe des Bankerotts gehaltenen Staat zu prellen – er mußte unter den ungünstigsten Bedingungen mit den Bankiers kontrahieren.“ (K. Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-1850)
„In der Schweiz sieht dies etwas anders aus, sind doch hier die Möglichkeiten zur Plünderung der Staatshaushalte wegen der tiefen, ja teils sogar negativen Zinsen auf Staatsanleihen beschränkt. Schweizer Staatsanleihen, wie auch der CHF sind vielmehr ein Fluchtwert für Kapitalien aus aller Welt. Die Löcher in den Kantonsbudgets sind die Konsequenz des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen mit anschliessender Aushöhlung des öffentlichen Dienstes. Damit wird der Anteil der Kapitalisten in der Finanzierung der durch den Staat geleisteten Reproduktionsarbeit verringert. So wurden letztes Jahr in 19 Kantonen Steuergeschenke verteilt und gleichzeitig in 18 Kantonen Sparmassnahmen beschlossen. Doch auch wenn die Ursachen unterschiedlicher Natur sind, so ist die Wirkung doch dieselbe.“
Am eindrücklichsten war in der Serie an Kämpfen im öffentlichen Dienst wohl der Widerstand der St. Galler Staatsangestellten und Jugend. Mit einer sehr starken Demonstration von über 5’000 Angestellten wehrten sich diese im November kollektiv gegen die pauschale Lohnkürzung von 1.5% auf alle Löhne – mit Erfolg. Diese Massnahme wurde zurückgenommen, da sie, wie die NZZ berichtete, laut dem Grossen Rat den „sozialen Frieden gefährde“ (NZZ online 27.11). Ersetzt wurde sie durch ein Senken des totalen Lohnvolumens von 1% und einer Erhöhung des Steuerfusses auf 10%. Es ging der bürgerlichen Mehrheit in St. Gallen offensichtlich darum, Zeit zu gewinnen und nun mittels Stellenabbau die Einsparungen vorzunehmen. Auch ist die Steuererhöhung kritisch zu betrachten, betrifft diese doch die gesamte Bevölkerung und überproportional stark die tiefen Einkommen. Dennoch ist die St. Galler Erfahrung äusserst wichtig, zeigt sie doch dass Sparmassnahmen erfolgreich bekämpft werden können. So war die erwähnte Demonstration der eigentliche Höhepunkt und letztendliche Todesstoss für die asozialen Sparmassnahmen. Dem gingen Aktionen und Demonstrationen seit dem Frühling voran. Vorreiter waren die HSG-StudentInnen und später die Kanti-SchülerInnen, welche ab Mai auf die Barrikaden gingen. Und dies im historisch katholisch-konservativen Kanton St. Gallen!
Was in St. Gallen, wie in anderen Kantonen fehlt, ist jedoch die konsequente politische Übersetzung dieser Kämpfe. Es sind durchaus Margen für Steuererhöhungen bei den Reichen und Unternehmen vorhanden, ohne dass die Profitbedingungen der Unternehmen gravierend eingeschränkt würden. Dafür muss jedoch ein politisches Kräfteverhältnis zugunsten der Lohnabhängigen aufgebaut werden. Dass dies mit kämpferischen politischen Forderungen möglich ist, bewies Paul Rechsteiner eben im katholisch-konservativen St. Gallen im Herbst 2011, als er der SP einen Ständeratssitz erobern konnte.
Unter den Bedingungen der Krise des Kapitalismus werden sich die Kapitalisten jedoch mit allen Mitteln gegen Steuererhöhungen zur Finanzierung von Bildung, Gesundheit und Sozialwesen wehren und mit Kapitalabzug, Betriebsverlagerungen und Wohnsitzwechsel drohen. Dass sie sich einen Deut um demokratische Regeln scheren und diese Drohung auch wahrmachen können, zeigten uns mal um mal historische, aber auch gegenwärtige Erfahrungen. Einen wahren Service Public im Interesse der Lohnabhängigen und der Jugend kann nur die direkte Kontrolle der ArbeiterInnen und der Angestellten des öffentlichen Dienstes über diesen gesellschaftlichen Reichtum bedeuten. Welcher Kapitalist seinen Betrieb dann verlagern will, wird enteignet, wer nach Singapur oder auf die Bahamas ziehen will, muss sein Vermögen abgeben. Dies wären wirksame Methoden gegen die Erpressung der Kapitalisten.
Empörend ist vor allem, dass auch linke Kantons- oder Stadtregierungen (Basel, Genf, Zürich) den Steuersenkungs- und Sparmassnahmenkurs verfolgen. Dies gehört von der Juso und der SP-Basis auf schärfste kritisiert. SP- und Juso-ParlamentarierInnen müssen jegliche Sparmassnahmen in den Kantons- und Gemeinderäten ablehnen und ihre Regierung öffentlich kritisieren.
Im (bürgerlichen) Kanton Luzern taten einige SP-Kantonsräte genau das Richtige. Als eine 2’000- SchülerInnen- starke Demonstration vor dem Parlament demonstrierte, verliessen sie den Saal um sich mit der Jugend auf der Strasse zu solidarisieren. Die SP-ParlamentarierInnen sollen der Strasse rechenschaftspflichtig sein und nicht dem bürgerlichen Staat.
In Genf wurde deutlich, dass es für einen Streik mehr braucht, als den blossen Aufruf dazu. Ein Streik muss organisiert werden. Dies wurde durch den Genfer Vpod und die lokalen Verbände mehr schlecht als recht getan, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Beim Vpod waren es linksradikale Tendenzen. Sie hatten eine messianische Herangehensweise und erwarteten nach dem Ausrufen des Streiks eine Massenteilnahme. Die Verbände sabotierten die Mobilisierung, um ihre Stellung als „verlässliche Verhandlungspartner“ nicht zu gefährden. Die Teilnahme an den zwei Streiktagen war daher mit jeweils ungefähr 600 Leuten relativ bescheiden. Linkradikalismus und Opportunismus in der ArbeiterInnenbewegung zeigen sich in ihrer Wirkung als gleich.
Der Kampf ist jedoch in Genf, wie auch in St. Gallen, noch nicht abgeschlossen. Es wird vorläufig mit einem provisorischen Budget das neue Jahr begonnen. Es stehen den öffentlichen Angestellten also noch Kämpfe bevor. Diese gehören konsequent organisiert.
In praktisch allen Kantonen greifen dieses Jahr Sparmassnahmen und auch auf Bundesebene wird es zu Angriffen, besonders gegen die Sozialversicherungen kommen. Es gilt sich in den verschiedenen Kantonen auch bereits auf den Kampf um die Budgets für 2014 vorzubereiten. Ein systematischer Aufbau des Vpod in Richtung einer Kampfgewerkschaft ist nötig. Dafür müssen funktionierende Gewerkschaftsgruppen in allen Schulen und in allen Spitalabteilungen aufgebaut werden, wo die Veränderung der Arbeitsweise und die Aussichten fürs nächste Budget diskutiert werden. (nationale Ebene und Aufklärungsarbeit)
In der Schweiz haben 8 Kantone Schuldenbremsen und auf Bundesebene wurde sie 2003 eingeführt. Sie diente als Vorbild für Deutschland und schlussendlich für den europäischen Fiskalpakt, welcher letztes Jahr eingeführt wurde und bei Defiziten automatische Ausgabenkürzungen beinhalten. Diese sind nichts weiter als die Diktatur des Finanzkapitals über ganze Staaten. Die Brücke zur internationalen Situation zu schlagen und aufzuzeigen, dass die Sparmassnahmen im öffentlichen Dienst hierzulande Teil derselben Prozesse wie in Portugal, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, etc. sind, ist sehr wichtig. Es ist die Krise des Kapitalismus und die Abwälzung ihrer Konsequenzen auf die Lohnabhängigen und die „KonsumentInnen“ öffentlicher Dienstleistungen.
Der Druck der objektiven Bedingungen ist in den Gewerkschaften, als wirtschaftliches Kampforgan der ArbeiterInnenklasse, am stärksten. Sie sind der Konzentrationspunkt, an welchem sich Widerstände gegen die Angriffe des Kapitals am unmittelbarsten formulieren können. Es sind jedoch Unterschiede zwischen den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (Vpod) und der Unia zu erkennen.
Dies ist kein Zufall, sondern Ausdruck der Perspektiven für Arbeitskämpfe, welche sich für den Apparat in den unterschiedlichen Branchen eröffnen. In Kämpfen gegen Sparmassnahmen, welche aus Steuergeschenken resultieren, Forderungen zu formulieren ist für den Gewerkschaftsapparat wesentlich einfacher, als der offensive Angriff auf die Industrieunternehmen, welche sich auf Dinge wie die Frankenstärke und andere „objektive Bedingungen“ beziehen um Arbeitsplätze abzubauen oder den Lohn zu drücken. Hier wird deutlich, wie wichtig eine politische Perspektive für die Gewerkschaftsbewegung ist.
Im vergangenen Jahr waren für die grösste Gewerkschaft der Schweiz Unia zwei Ereignisse bedeutend: Im September die grosse Industriedemonstration in Bern und im Dezember der 2. ordentliche Kongress. Beide Ereignisse zeigen die enorme Widersprüchlichkeit der Gewerkschaften heute bestens auf.
Der Unia-Kongress stand, wieder einmal unter dem Zeichen einer Stärkung der Basis. Die während dem Kongress durchgeführte Aktion auf dem Paradeplatz spricht jedoch Bände für die wirkliche Stellung der Basis. So war diese Aktion lediglich durch den Apparat vorbereitet und inszeniert worden. Die aktive Basis musste als blosse Manövriermasse herhalten, welche man sauber anordnet. Auch ist es kein Zufall, wenn man sich als Feindbild für die Aktion suchte. Die „gierigen Banker“ waren es und nicht etwa die MEM-Unternehmer, mit welchen man ja im Moment den neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) aushandelt.
Auch inhaltlich war der Kongress durchzogen. Es gab eine Flut an Anträgen zu den Dokumenten, welche grösstenteils durchgewunken wurden. Lang- und mittelfristige Fragen wurden diskutiert. Die akuten Fragen, mit welchen sich die ArbeiterInnenbewegung unmittelbar konfrontiert sieht, wurden jedoch grösstenteils auf Delegiertenversammlungen verschoben. Dies lässt ein seriöses Diskutieren der aktuellen Perspektiven für die organisierte ArbeiterInnenbewegung kaum zu.
Dass die Demokratie in der Unia zu wünschen übrig lässt, wurde bei der Wahl der neunen Geschäftsleitung und des Präsidiums wieder deutlich. Es wurde der Basis deutlich gemacht, dass sie entweder Renzo Ambrosetti und Vania Alleva im Doppelpack ins Co-Präsidium wählt, oder, dass sonst keine der beiden das Präsidium selbst annehmen würde. Da sich im Moment keine alternative Führung abzeichnet, welche sich an die Spitze hätte stellen können, hatte die Basis keine Wahl und musste sich dieser Erpressung fügen. Dabei kam es jedoch im Vorfeld zu ersten Konflikten in der GL um die Führung.
In Teilen der Gewerkschaftsbürokratie ist die Erkenntnis, man müsse wieder streikfähig werden, seit den 90er Jahren und den damaligen Offensiven des Kapitals fest verankert. Zwischen dem Diskurs um die Streikfähigkeit, welcher sich mittlerweile so gut wie im ganzen Apparat durchgesetzt hat, und der Realität klafft jedoch, wie wir an den konkreten Erfahrungen sehen können, ein grosses Loch. So wurden in der Industrie, trotz nunmehr 1.5 Jahren permanenter Angriffe auf die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Formen, kaum Streiks oder andere Kampfmassnahmen geführt. Und wenn solche geführt wurden, dann ging es nicht um die bedingungslose Verteidigung der Arbeitsplätze, sondern meist um verbesserte Sozialpläne. Dies entspricht voll der politischen Ausweglosigkeit der Gewerkschaftsbürokratie heute.
Bestes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Kampfes um den MEM-GAV. Dieser läuft Ende Juni dieses Jahres aus. Nach der Demo vom 22. September letzten Jahres, welche mit 5’000 Menschen die grösste IndustriearbeiterInnendemonstration seit langem war, hört man nun nichts mehr. Dabei verabschiedeten die Industriedelegierten Forderungen, um welche durchaus Mobilisierungen organisiert werden könnten. Das streichen des Krisenartikel 57, welcher Arbeitszeiterhöhungen zulässt, die GAV-Unterstellung von Lehrlingen und Temporären, Anschlussgarantie für Lehrlinge, Kündigungsschutz für gewerkschaftliche Vertrauensleute, all dies sind wichtige Forderungen, welche wir vollauf unterstützen. Diese Forderungen ohne mobilisierte ArbeiterInnenbewegung durchzusetzen, ist jedoch angesichts der objektiven Bedingungen unmöglich. Seit September wurden nun auch keinerlei Informationen betreffend Stand der Verhandlungen zum MEM-GAV mehr rausgegeben. Die ArbeiterInnen sind mehr als blosse Manövriermasse der Bürokratie, welche diese punktuell in Bewegung setzen kann. Geheimverhandlungen sind inakzeptabel und widersprechen einer demokratischen Gewerkschaft.
Wenn die akuten Angriffe der Unternehmer, wie z.B. bei Tornos im Jura, bereits nicht durch Kämpfe abgewehrt werden, wie sollen dann die offensiven Forderungen der Industriedelegierten durchgesetzt werden? Die ArbeiterInnenklasse nährt ihre Kampfbereitschaft grösstenteils durch positive Erfahrungen und durch die Erkenntnis, dass es ihre „Führer“ ernst meinen. Bleiben konkrete Kämpfe aus, so bleibt auch das Kampfniveau weiter tief. Dies hat Konsequenzen auf die politische Orientierung der Gewerkschaften.
Anstatt die ArbeiterInnen überall in den Fabriken zu verteidigen, wo sie angegriffen werden, erhebt die Gewerkschaftsbürokratie, auch im Zug der MEM-Kampagne, die Forderung nach einer „aktiven Industriepolitik“, sowie der Anhebung des CHF-Euro Wechselkurses auf 1.40 zu zentralen Forderungen. Den Charakter der „aktiven Industriepolitik“ als Instrument, welches eine Wiederherstellung der Profite für die Unternehmer abzielt, haben wir an anderer Stelle bereits ausgeführt (sie der Funke 23 vom September 2012). Und auch die Anhebung des Wechselkurses ist keineswegs eine fortschrittliche Forderung und löst die Widersprüche der Exportindustrie keineswegs.
Wir sehen heute, dass jegliche Arbeitskämpfe, die geführt werden, sogleich einen politischen Charakter einnehmen. Sei dies bei Novartis in Nyon, bei Merck-Serono in Genf oder bei Swissprinters in Lausanne. Diese Entwicklung ist widersprüchlich. Auf der einen Seite nehmen Arbeitskämpfe rascher einen politischen Charakter ein und erlauben es den ArbeiterInnen demnach auch politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Unter dem Druck der Belegschaften findet jedoch auch eine Substituierung des Kräftemessens auf der Betriebsebene in Richtung der politischen Sphäre statt. Dies kann für die Formulierung eines unabhängigen Klassenstandpunkts hinderlich sein und Illusionen in die bürgerliche Demokratie und die „Schweizer Konsenspolitik“ schüren, obwohl dabei nur faule Kompromisse rauskommen (u.a. Steuergeschenke an die betroffenen Unternehmen).
Dass es dennoch zu „Wirtschaftskämpfen“ kommen kann, haben drei kleinere Streiks in den letzten zwei Monaten, von der Unia angeführt, gezeigt. Bei EP Systems in Neuenburg, Kontron AG in Luterbach und Berger & Co. in Delémont konnten Forderungen der Belegschaft dank Kampfmassnahmen durchgesetzt werden.
Die Gewerkschaften und besonders die Unia, nehmen jedoch weiterhin einen fortschrittlichen Charakter ein. Sie ist der wichtigste politische Orientierungspunkt der Lohnabhängigen und wird dies auch in der kommenden Periode weiter bleiben.
Die marxistische Strömung tritt in den Gewerkschaften für eine konsequente Verteidigung der Arbeitsplätze ein. Dafür brauchen wir kämpferische und demokratische Gewerkschaften, welche die Interessen der Lohnabhängigen über die Interessen des Apparats, seine Position als valablen Sozialpartner die Legitimität gegenüber den Kapitalisten zu wahren, stellt.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Zeitschrift Economist ist die Schweiz das beste Land um 2013 geboren zu werden. Das Leben der Jugend in diesem Land findet jedoch in der Studie keine Erwähnung: Hier geboren zu werden scheint besser zu sein, wie wenn man als junger Mensch hier lebt.
Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit lag im August 2012 bei 3.5% und war somit im Vergleich zum August 2011 fast 10% höher. Die reale Jugendarbeitslosigkeit dürfte jedoch um einiges höher sein, sind doch Schul- und UniabgängerInnen von der Arbeitslosenversicherungsreform von 2011 besonders stark betroffen und können sich von dieser kaum materielle Unterstützung erhoffen. So fielen damals auf einen Schlag 3’000 Jugendliche aus der ALV. Und wer doch eine Lehre findet, schuftet während 3 oder 4 Jahren für einen miesen Lohn, ohne eine Anschlussgarantie im Betrieb, geschweige denn Aussichten auf eine Stelle in einem anderen Unternehmen zu haben.
Auch für die studentische Jugend werden die materiellen Lebensbedingungen immer schwieriger. Steigende Studiengebühren, horrende Mieten und steigende Krankenversicherungsprämien, all dies lastet überdurchschnittlich schwer auf dem Budget der Jugend. Studierende aus ArbeiterInnenfamilien ziehen für ihr Budget beinahe soviel aus der eigenen Arbeit, wie aus der Unterstützung durch die Familie. Bei den Studierenden aus reicheren Familien ist es eher ein Verhältnis von 1 zu 2. Dabei bleiben die Budgets mit um die 1’800 CHF gleich tief. Das Privileg der Studenten aus reicheren Familien liegt also nicht darin, dass sie ein höheres Budget hätten, sondern lediglich weniger arbeiten müssen. Schlussendlich sind jedoch die StudentInnenbudgets durchs Band prekär.
Die Lebensbedingungen der Jugend sind also keineswegs rosig, auch wenn sie doch noch wesentlich besser dasteht als ihre AltersgenossInnen im übrigen Europa. Die Jungen sind oft die ersten, welche auf Veränderungen der objektiven Bedingungen reagieren können. Ihr Bewusstsein ist (noch) nicht durch den allgemeinen Routinismus geprägt, wie dies bei älteren Lohnabhängigen öfters der Fall ist. „Ungerechtigkeit“ wird viel stärker wahrgenommen und weniger akzeptiert. So waren, wie bereits erwähnt, die StudentInnen der HSG die ersten, welche sich gegen das St. Galler Sparpaket mobilisierten. Auch die „Gymeler“ Luzerns waren eine treibende Kraft in der Mobilisierung der Luzerner öffentlichen Angestellten. Oder in Genf war auch der Druck der Jugend entscheidend, um angesichts der militaristischen Tendenzen der herrschenden Klasse und der 80. Jährung des ArbeiterInnenmassakers in Genf 09.11.1932 eine Demonstration zu organisieren. Die Jugend ist ein wichtiger Faktor in der Dynamik des Klassenkampfes.
Die Ereignisse in Europa wirken um einiges stärker auf die Jugend als auf die älteren ArbeiterInnen. Bei einem neuerlichen Anstieg des Klassenkampfniveaus in anderen europäischen Ländern werden junge ArbeiterInnen sowie SchülerInnen und StudentInnen als erste reagieren können. Die Jugend ist intuitiv internationalistisch. Das Schicksal der Jugend Spaniens und Griechenlands ist der Schweizer Jugend nicht egal, sie hat Mitgefühl. Ausgehend von dieser Feststellung gilt es, das Schicksal der AltersgenossInnen in Europa als Konsequenz der kapitalistischen Produktionsweise zu entblössen und das Mitgefühl in aktive Solidarität umzuwandeln.
Dass die Jugend unabhängige Forderungen entwickeln kann und ein beachtliches Mobilisierungspotential vorhanden ist, wurde in letzter Zeit überdeutlich. Nicht nur die Occupy-Bewegung in verschiedenen Städten und die Ausschreitungen in Zürich bei den wilden Parties, sondern besonders auch die „Tanz dich Frei“ Umzüge, waren starke Kraftdemonstrationen der Jugend in der letzten Periode. Es kündigt sich nun eine dritte „Tanz dich Frei“ Demo für Ende Mai in Bern an, wo wieder mit einem Massenauflauf der Jugend zu rechnen ist. Dabei geht es um mehr als nur um Party machen. Heranwachsende sind auf Freiräume angewiesen, um sich untereinander auszutauschen, ihre Identität zu entwickeln und sich von den Alltagsstrapazen zu erholen. Doch gerade diese sozialen Treffpunkte wurden vielerorts eingeschränkt oder einer massiven Gewinnmaximierungspolitik unterzogen, sodass sie für die meisten Jugendlichen einen der gewichtigsten Kostenpunkte darstellen. Es ist wichtig zu verstehen, dass es der kapitalistische Wachstumszwang ist, der dazu führt, dass solche gemeinschaftliche Freiräume immer stärker unter Druck geraten, sich aufzulösen oder sich der Profitlogik zu unterwerfen beginnen.
Die Juso spielt weiterhin eine treibende Kraft in der Jugend. Sie ist die einzige linke Organisation mit einer Massenbasis und mit nationaler Kampagnenfähigkeit. Dieses Potential gilt es aktiv umzusetzen mit dem Ziel es weiter zu steigern. Sie muss aktiv und unter ihrem eigenen Banner in den Kämpfen gegen Sparmassnahmen an den Schulen und Unis intervenieren. Sie muss eine treibende Kraft in der internationalen Solidarität werden. Und vor allem muss sie ein Programm entwickeln, welches auf konkrete Art und Weise die Notwendigkeit eines Umsturzes der herrschenden Produktionsweise erklärt und gleichzeitig den Weg zum Sozialismus aufzeigt.
Auf politischer Ebene steht uns eine Phase quasi-permanenter Angriffe bevor. Darüber können die vermeintlich offensiven Forderungen in Form von Gewerkschafts- und SP-Initiativen nicht hinwegtäuschen. Ob Ausländer- und Asylpolitik, ob Sozialversicherung oder Militär, in allen Bereichen setzt sich die bürgerliche Mehrheit durch.
Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass die Bürgerlichen in der Schweiz seit jeher klipp und klar in der Mehrheit sind. Momentan hat die Sozialdemokratie nicht einmal den Anspruch, neue Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Vielmehr haben wir es mit einer krassen Selbstgefälligkeit der SP-ExponentInnen auf ihren Sesseln zu tun. Die SP konzentriert sich voll und ganz auf die Parlamente, dies ist die Konsequenz aus der Dominanz der ReformistInnen. Die Initiativen, welche in letzter Zeit aus dem Umfeld der SP kamen, hatten meist nur ein Ziel, die Mobilisierung für Wahlen oder das Ausüben von Druck auf die Räte der bürgerlichen Demokratie. Das Instrument der Initiative ist zwar klar beschränkt und kein Wundermittel, trotzdem muss es eingesetzt werden, um das sozialistische Gedankengut in die Gesellschaft zu tragen. Die Initiativen der Linken müssen an die Grenzen des kapitalistischen System stossen und darüber hinausweisen. Die sogenannte Realpolitik muss mit dem einzigen Weg aus der Krise, dem Sozialismus, verbunden werden. Die politische Orientierungslosigkeit des Reformismus wird sofort klar, wenn man die Umstände, unter welchen für die Reformen gekämpft wird, betrachtet. Jeglichen reformistischen Konzepten wurde durch die Wirtschaftskrise für die kommenden Jahre, oder sogar Jahrzehnte, die materielle Basis entzogen. Es existieren kaum noch wirtschaftliche Spielräume für das Erkämpfen fortschrittlicher Sozialreformen. Ohne eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung kann sowieso, selbst in der reichen Schweiz, nichts herausgeschlagen werden. Es ist die Verbindung zwischen den objektiven Bedingungen und dem Kampfniveau, welche die Marge für Reformen bestimmen.
Daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen. Für uns MarxistInnen ist klar, dass wir eine Mehrheit der Lohnabhängigen mobilisieren müssen, um eine radikale Veränderung der Gesellschaft zu erreichen. Doch das Erringen einer politischen Mehrheit der Lohnabhängigen hinter der SP wäre abstrakt keine Lösung, sondern eine solche muss vielmehr mit politischen Inhalten gefüllt werden. Das Beispiel der Präsidentschaft Hollandes in Frankreich zeigt es gut auf. Im Rahmen des Kapitalismus ist keine fortschrittliche Politik im Interesse der Lohnabhängigen möglich.
Dass die SP in ihrem Parteiprogramm die Perspektive eines Bruchs mit dem Kapitalismus verankert hat, ist begrüssenswert. Sie verschiebt diesen jedoch auf irgendwann in der Zukunft, anstatt ausgehend von der aktuellen Situation diesen Bruch in der unmittelbar kommenden Periode auf der Grundlage der ArbeiterInnenbewegung konkret vorzubereiten. Doch es wurde schon nach dem Programm- Parteitag deutlich, dass sich die Führung einen Deut um diese von der Basis vorgegebene Orientierung in Richtung eines Bruchs mit dem Kapitalismus schert. Die ParlamentarierInnen und ExekutivpolitikerInnen in der Partei dominieren die Linie in der Praxis voll und ganz.
Die zentrale Eigenschaft der Schweizer Politik ist und bleibt die Regierungsbeteiligung der SP an bürgerlichen Regierungen. Dies hat eindeutige Konsequenzen auf die Positionen der Partei. Das Zusammenfallen der Anpassung an die Bürgerlichen betreffend Ausländerpolitik und das Amt von SP-Bundesrätin Sommaruga, die dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement vorsteht, ist kein Zufall. Die in Regierungen sitzenden SozialdemokratInnen sind zuständig für den Druck in Richtung Anpassung der SP an bürgerliche Positionen. Sie sind eigentliche Agenten der Bourgeoisie in der ArbeiterInnenbewegung.
Wir sind der Überzeugung, dass die ArbeiterInnenbewegung einen unabhängigen Klassenstandpunkt einnehmen muss, besonders auch auf politischer Ebene. Dafür ist ein Bruch der SP mit den bürgerlichen und eine Perspektive zur Eroberung einer politischen Mehrheit auf Grundlage eines sozialistischen Programms, welche nicht bloss die Demokratisierung der Wirtschaft, sondern auch deren Vergesellschaftung, auf Grundlage der mobilisierten Lohnabhängigen, unbedingt notwendig. Eine solche Demokratisierung ist letztendlich nur durch einen Bruch mit den Eigentumsverhältnissen und mit dem bürgerlichen Staat möglich. Dafür kämpft die marxistische Strömung der Funke in der Juso.
Dies heisst jedoch nicht, dass wir die Kämpfe der ArbeiterInnenbewegung ignorieren, welche sich im Rahmen der politischen und wirtschaftlichen Herrschaftsverhältnisse bewegen – im Gegenteil. Die kommende Periode wird politisch durch die Angriffe auf die AHV, auf die MigrantInnen, aber auch durch die 1:12 und durch die Mindestlohninitiative geprägt sein. Diese können in der kommenden Periode wichtige Punkte der Bewusstseinsbildung der ArbeiterInnenklasse sein, an welchen sich das Verständnis der Trennung der Gesellschaft auf einer Klassengrundlage stärken kann. An diesen Prozessen müssen wir natürlich teilnehmen. Wo immer die Errungenschaften der ArbeiterInnen angegriffen werden, wo immer die Bürgerlichen uns in In- und AusländerInnen, in Junge und Alte, in Kranke oder Gesunde oder auf Grundlage unseres Geschlechts spalten wollen, sind wir zuvorderst am Kampf beteiligt und füllen diesen mit Klasseninhalt.
Die hier aufgestellten Perspektiven sind kein Selbstzweck. Wir haben keinen Fetisch an langen Dokumenten, welche die sozialen Gegensätze der Schweizer Klassengesellschaft aufzeigen. Stattdessen stellen wir sie in den Dienst der ArbeiterInnenbewegung und wollen mit ihnen der inhaltlichen Orientierungslosigkeit des Reformismus die theoretische Klarheit der marxistischen Methode entgegenstellen. Dies tun wir besonders auch mit unserer Zeitung, in welcher wir anhand konkreter Beispiele unsere Methodik mal um mal geduldig erklären.
Aus dieser theoretischen Klarheit müssen wir jedoch die praktischen Konsequenzen ziehen. Darin liegt eben das Ziel unserer Organisierung als marxistische Strömung innerhalb der Juso im besonderen, aber auch innerhalb der Gewerkschaften und der ArbeiterInnenbewegung als Ganzes. Wir müssen dort präsent sein, von wo aus sich Klassenkämpfe, sowie Differenzierungsprozesse innerhalb der ArbeiterInnenbewegung abzeichnen und aktiv in diesen eingreifen.
Wir sind der Überzeugung, dass jede seriöse Organisation der ArbeiterInnenbewegung ein Programm ausarbeiten muss, welche auf der Höhe der objektiven Bedingungen ist und dem Kampfwillen der ArbeiterInnenbewegung Vorschub leisten kann. Ein solches muss die Perspektiven zum Aufbau einer gesellschaftlichen Kraft mit einer Massenbasis entwickeln, welche unter vollem Bewusstsein die aktuellen Herrschaftsverhältnisse bekämpft und über kurz oder lang stürzen kann. Die Juso nimmt dabei eine zentrale Rolle ein.
Dafür muss die Schweizer ArbeiterInnenbewegung noch viele Erfahrungen sammeln. Daher sind die Konsequenzen, welche wir unmittelbar aus der aktuellen objektiven Situation und dem heutigen Zustand der ArbeiterInnenbewegung ziehen, solche, die in Richtung eines Aufbaus des Kampfniveaus abzielen.
Wir müssen konsequent jegliche Fabrikschliessungen und Massenentlassungen aktiv bekämpfen. Streikfähigkeit ist nichts, wenn nicht gestreikt wird. SP- und Juso-ParlamentarierInnen müssen unbeirrt Sparmassnahmen ablehnen und gemeinsam mit den öffentlichen Angestellten an Mobilisierungen teilnehmen. Dafür ist ein Bruch mit den Bürgerlichen nötig, sowohl in den Regierungen, wie auch in den Parlamenten. Die Schweizer ArbeiterInnenbewegung muss seine Tradition des Internationalismus wieder aufbauen. Wir lassen uns nicht auf Wirtschaftskriege mit anderen imperialistischen Mächten ein, sondern vertreten den Standpunkt des proletarischen Internationalismus. Dies sind grobe Leitplanken für ein Programm, welches sich die Juso, sowie der Rest der organisierten ArbeiterInnenbewegung, ausgehend von einem Verständnis der, dieser Krise zugrundeliegenden und aus ihr resultierenden, Prozesse geben muss.
Die Zeit des „Realismus“ ist vorbei, wir treten vielmehr in eine Phase des „Irreseins“. Trotzki brachte dies in seinem Versuch einer Autobiographie treffend auf den Punkt: „Die Revolution erscheint dem Konservativen nur deshalb als ein kollektives Irresein, weil sie den „normalen“ Wahnsinn der sozialen Gegensätze aufs höchste steigert. (…) (D)ie gesamte moderne Entwicklung verdichtet intensiviert, verschärft die Gegensätze bis zur Unerträglichkeit und bereitet damit jenen Zustand vor, wo die große Mehrheit „verrückt wird“.“ (L. Trotzki Mein Leben) Die ReformistInnen und Bürokraten der ArbeiterInnenbewegung zählen heute zu den konservativsten Teilen der Gesellschaft. Sie sehnen sich nach einer längst vergangenen Zeit, welcher heute jegliche Grundlage fehlt.
In Europa haben wir in den vergangenen Monaten gesehen, wie inspirierend der „kollektive Wahnsinn“ von politischen Massendemonstrationen und –streiks aussieht. Diese Erfahrungen zeigten jedoch genau die Wichtigkeit einer klaren Orientierung, gruppiert um eine revolutionäre Führung mit einem sozialistischen Programm. Heute bereitet sich nun eine neue Qualität an politischen Klassenkämpfen unter der scheinbar ruhigen Oberfläche vor. Der vergesellschaftete Charakter der Produktion auf einer Weltstufe ist in der Schweiz besonders krass. Unweigerlich sind die sozialen Gegensätze hierzulande mit denen auf der ganzen Welt verbunden. Die Schweizer ArbeiterInnenbewegung wird über kurz oder lang Teil des Prozesses der Weltrevolution werden. Voller Zuversicht müssen wir den Kampf für den Aufbau der marxistischen Strömung führen und in der ArbeiterInnenbewegung für ein sozialistisches Programm eintreten, welches diesen Namen auch verdient.
Winterthur, 16. Februar 2013
Nordamerika — von Alan Woods, marxist.com — 27. 11. 2024
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024