Sozialismus oder Barbarei: Die Zukunft der Menschheit entscheidet sich heute, in den weltweit aufbrechenden Kämpfen. Ohne eine revolutionäre marxistische Organisation können wir nicht gewinnen. Sie aufzubauen ist unsere dringendste Aufgabe.
Sozialismus ist keine nette Idee. Er ist heute eine absolute Notwendigkeit für das Überleben der menschlichen Spezies. Die drohende Klimakatastrophe kann innerhalb dieses verrottenden Systems nicht gelöst werden. Der Kapitalismus steckt in seiner tiefsten Krise und bringt an allen Ecken und Enden nur noch soziale Misere hervor. Wir brauchen eine Revolution.
Uns wird immer wieder vorgeworfen, eine Revolution im 21. Jahrhundert sei realitätsfern. Realitätsfern ist allerdings zu denken, dieses System könne noch reformiert werden. Bürgerliche und zynische «Linke» sagen uns, die Arbeiterklasse und die Massen seien apolitisch, träge und nicht bereit für einen Wandel. Das Gegenteil ist der Fall.
In den letzten Jahren hat die Krise des Kapitalismus die Lohnabhängigen und Unterdrückten weltweit mächtig durchgeschüttelt. Die Regierungen retten die Profite einer handvoll Kapitalisten auf Kosten der grossen Mehrheit. Die harten Schläge ihrer Krisenpolitik und die fehlende Zukunftsperspektive hat insbesondere in der Jugend zu einer teils unterschwelligen, teils offenen Radikalisierung geführt. Regierungen und etablierte Parteien haben das Vertrauen breiter Teile der Massen verloren, weil sie keinen Ausweg aus der Krise zu bieten haben. Das schafft nicht nur Unzufriedenheit, sondern treibt die Massen in den aktiven Widerstand gegen asoziale Sparmassnahmen, staatliche Repression, imperialistische Kriege, Frauenunterdrückung und vieles mehr.
Dass es nicht an der Bereitschaft der Massen fehlt, zu kämpfen, haben wir in den letzten Jahren bereits in einer Vielzahl von Bewegungen gesehen – der Klimastreik ist nur eines unter den jüngeren Beispielen. Der Kapitalismus befindet sich heute in der Phase seines Niedergangs und wird noch zahlreiche Massenbewegungen und Ereignisse hervorbringen, die sich zu revolutionären Situationen zuspitzen können. Was wir MarxistInnen die «objektiven Bedingungen für eine Revolution» nennen, ist schon lange reif. Was tatsächlich fehlt ist eine politische Führung, die bereit ist, mit diesem kapitalistischen System zu brechen und ein klares Verständnis davon hat, wie das geht.
Die Massen der Arbeiterklasse und Unterdrückten müssen selber kämpfen und können sich nur selbst befreien. Eine revolutionäre Organisation kann und darf die Aktivität der Massen nicht ersetzen. Aber ohne eine Organisation bewusster Revolutionäre, die die Massen führt, werden ihre Kämpfe keinen Erfolg haben.
Die Massen lernen aus ihren Erfahrungen in den Kämpfen. In ihnen gewinnen sie Selbstvertrauen, erlangen ein klareres Bewusstsein über ihre eigene Macht, ziehen radikalere Schlussfolgerungen und gehen vorwärts. Aber sie tun das nicht im luftleeren Raum. In Phasen des zugespitzten Klassenkampfes haben sie nicht endlos Zeit, um aus den Erfahrungen alle richtigen und notwendigen Schlüsse zu ziehen. Die Massen stehen hochorganisierten Gegnern gegenüber: den Kapitalisten und ihrem bürgerlichen Staat.
Ist keine revolutionäre Führung da, ebbt die Bewegung ab und das Zepter geht wieder in die Hand der herrschenden Klasse über, die in vielen Fällen zu brutalsten Methoden greift, um die Bewegung nicht wieder aufkommen zu lassen. Hier ist nicht der Platz, dies mit Beispielen zu illustrieren. In dieser Funke-Ausgabe finden sich mit den Artikeln zum Sudan und zur Turiner Rätebewegung sowohl ein aktuelles wie ein historisches Beispiel, die diese Wahrheit eindrücklich aufzeigen.
Tatsächlich gibt es in jedem Kampf irgendeine Form von Führung. Die Frage ist, ob und wie gut sie organisiert ist, welche Ideen sie verteidigt und in welche Richtung sie die Bewegung führt. Eine revolutionäre Führung muss die Erfahrungen der Vergangenheit studieren und verhindern, dass die Arbeiterklasse ihre Erfahrungen immer wieder von Null an machen muss und die immergleichen Fehler wiederholt. Sie muss die Situation richtig einschätzen, ihre Ansichten und Ideen in die Bewegungen einbringen und diese vorwärtstreiben. Sie muss im entscheidenden Moment wissen, was zu tun ist und die Energie der Arbeiterklasse auf die Machtergreifung lenken, sie organisieren und durchführen.
Die Geschichte ist nicht zufällig, sie folgt gewissen Gesetzmässigkeiten, die man untersuchen und begreifen kann. Marx begründete mit dem «wissenschaftlichen Sozialismus» eine Methode, mit der sich die Gesellschaft in ihren inneren Zusammenhängen und ihrer Bewegung erkennen lässt. Sie korrekt anzuwenden ist notwendig, um sich in der geschichtlichen Entwicklung einordnen und vorausschauen zu können, um uns nicht bei jeder Wendung der Situation überraschen zu lassen. Sie ist notwendig, um den Anforderungen an eine revolutionäre Führung gerecht werden: ein Programm zu entwickeln, das die nächsten Schritte auf dem Weg über den Kapitalismus hinaus aufzeigt.
Das Potenzial der zukünftigen Gesellschaft schlummert bereits in der alten. Die revolutionäre marxistische Organisation schafft keine Ideen, um sie der Realität überzustülpen. Ihre Aufgabe ist es, dieses Potenzial zu enthüllen und dazu beizutragen, dass es freigesetzt wird. Die revolutionäre Führung wird erst geschichtlich wirksam, wenn die Massen in den Ideen der Führung nichts als die konsequenteste Form ihrer eigenen Ideen erkennen. Das zu liefern vermag nur der Marxismus, er ist die Wissenschaft der Selbstbefreiung der Arbeiterklasse. Er kommt nicht «von aussen» in die Bewegungen der Lohnabhängigen. Er zeigt der Arbeiterklasse ihre eigene Macht und findet seine Aufgabe darin, die impliziten Ideen der Arbeiterklasse offenzulegen, ihnen Form zu geben und zum Durchbruch zu verhelfen.
Kurz vor der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges schrieb Leo Trotzki: «Ohne sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht die ganze menschliche Kultur in einer Katastrophe unterzugehen. Alles hängt ab vom Proletariat, d. h. in erster Linie von seiner revolutionären Vorhut. Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung.» Diese Zeilen sind heute wieder so wahr wie damals.
Die wichtigste siegreiche sozialistische Revolution wurde in Russland 1917 durchgeführt, wo die Bolschewiki in langer Vorarbeit eine Organisation bewusster marxistischer Revolutionäre aufgebaut hatten. Dass diese Revolution später in den Stalinismus degenerierte mindert diese Leistung nicht im Geringsten. Es bestätigt im Gegenteil eine Einsicht, deren sich die Marxisten im damaligen Russland völlig bewusst waren: Dass die Revolution sich nur halten kann, wenn sie sich zur Weltrevolution ausbreitet. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die revolutionäre Organisation international aufgebaut werden muss.
Der weltweite Aufbau der revolutionären marxistischen Kräfte ist hier und heute unsere dringendste Aufgabe. Das setzt geduldige Arbeit voraus, in der das Studium der marxistischen Theorie und der Geschichte des Klassenkampfes einen zentralen Platz einnimmt. Dieser Aufgabe haben wir uns in der Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT) verschrieben. Unsere Kräfte sind heute noch klein, aber die Grösse unserer Ideen, die Grösse unseres Willens zur Lösung der Krise der Menschheit entspricht der Grösse der Aufgaben, die unsere geschichtliche Periode uns auferlegt.
Bild: IMT
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