Unsere österreichischen GenossInnen berichteten kürzlich auf ihrer Webseite über die Missstände in der Lehre, welche es auch in Österreich gibt.
Dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind, ist schon seit dem Mittelalter bekannt. Wie schlimm die Situation für manche Lehrlinge sein kann und mit wie viel Sexismus man als Frau konfrontiert wird, darüber berichtet Aynur Alilovski.
Das Alltagsleben für uns Lehrlinge ist meist sehr hart. Wir haben nicht viele Rechte und die, die wir haben werden oft mit Füssen getreten. Der gelockerte Kündigungsschutz erschwert es uns noch mehr uns gegen Rassismus und Sexismus zu wehren und für Gleichberechtigung und Faire Löhne in der Ausbildung zu kämpfen.
Und es gibt ihn, den „Arsch Chef“, wie aus dem Buche beschrieben, wohlhabend, keine Empathie für Mitarbeiterinnen, man möchte einfach nie so einen vorgesetzten haben. Leider hatte ich einen solchen Vorgesetzten und es war schrecklich. In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen schildern:
Als einzige weibliche Person in einem Betrieb zu arbeiten war eine Überwindung für mich. In den ersten Monate musste ich meinen Kollegen die Grenzen aufzeigen, da hat man dann aber gleich den Ruf als die Zicke im Betrieb und wird als solche abgestempelt. Nein, mir hat es gar nicht gefallen als mir mein Kollege auf den Hintern gegriffen hat und meinte, dass es mir doch eh gefalle. Als ich mich daraufhin an unseren Vorgesetzten wandte, war sein Vorschlag ich solle doch bitte keine engen Leggins mehr tragen dann kommt soetwas nicht vor. Und ausserdem sei es in Österreich keine Straftat mir an den Hintern zu fassen. Wie soll man sich nach so einer Aussage anders fühlen als total herabgesetzt?
Dabei handelt es sich bei einem solchen Verhalten ganz klar um sexuelle Belästigung und sollte auch als soche geahndet werden, anstatt der Frau die Schuld dafür zu geben. Sexismus ist Teil unserer Gesellschaft und wird auch nicht dadurch verschwinden, dass sich Frauen anders kleiden.
Wenn der Umsatz, das wichtigste für den Vorgesetzten, nicht den gewünschten Betrag enthalten hat, damit er glücklich in seinen neuen Masarati steigen kann, dann haben wir uns viel anhören müssen. Die Beschimpfungen gingen bis zu Aussagen wie: „Ich fick dich und deine ganze Familie du Miststück!“
Als Lehrlinge müssen wir manchmal auch Sachen machen die absolut nicht mit der Ausbildung selbst in Verbindung stehen. Wir tun das eigentlich immer ohne uns zu beschweren, aber bei -15 Grad draussen zu stehen und Flyer zu verteilen ist inakzeptabel. Als Folge davon musste ich mich am nächsten Tag krank melden.
Geschichten die die Lehrzeit prägen gibt es zu Hauf, wie die einer meine Freundinnen. Sie musste zum Beispiel durch die halbe Stadt fahren um der Chefin ein Geschenk zu besorgen, dass für deren Mann gedacht war. Oder auch mit dem Hund des Lehrherren spazieren gehen, obwohl man eine Allergie gegen Hunde hat.
Diese Einzelfälle häufen sich, wir die Lehrlinge werden nicht als Auszubildene angesehen, sondern als Fussabtreter. Obwohl wir meistens 38,5 Stunden die Woche arbeiten, also eine Vollzeit Arbeitskraft sind, werden wir bezahlt wie geringfügige Arbeiterinnen.
Ich wurde teilweise um zwei Uhr morgens angerufen und ziemlich häfig schikaniert und niedergemacht. Das hatte auch psychische Folgen, nach den ersten Wochen musste ich jeden Tag beim nachhause fahren weinen. Doch anstatt in die Offensive zu gehen, hab ich mich selbst bemitleidet und darauf gehofft, dass mich wer aus der Abhängigkeit rausholt.
Nicht nur mir ergeht es so. Natürlich stellt sich die Frage wieso man nicht kündigt, das hatte ich mir damals auch schon oft überlegt. Aber durch die steigende Jugendarbeitslosigkeit erhöht sich der Druck auf uns junge ArbeiterInnen scheinbar noch mehr aushalten zu müssen um den Ausbildungsplatz zu behalten.
Sich zur Wehr zu setzten ist mir damals noch nicht in den Sinn gekommen, die Ängste waren einfach viel zu gross. Was ist wenn ich keine Lehrstelle mehr bekomme? Was ist wenn die Menschen denken ich wär zu faul um zu arbeiten? Was passiert nach dem Kündigen? Wieder abhängig sein von den Eltern?
Und wenn man, so wie ich, zur Arbeiterkammer geht und sie um Rat bittet, dann bekommt man dort nur den Ratschlag man solle es doch die zwei Lehrjahre noch im Betrieb aushalten. Ist ja nicht so als wäre ich die erste die eine Lehre mit einem schwierigen Chef zu überwinden hätte.
Das unterdrückt uns Lehrlinge in der Arbeitswelt noch mehr. Wir sollen den Mund halten und den Lehrherren nicht zurück reden, das ist es was uns damit klar gemacht wird.
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024