Es war nicht nur einfach untypisch, was am 13. Dezember 2014 an der Delegiertenversammlung der Juso Schweiz in Schaffhausen geschah. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Partei verlor die Geschäftsleitung mit ihrem vorgeschlagenen Langzeitprojekt vor der Basis. Die Mehrheit der Delegierten votierte im letzten Wahlgang nicht für die 50/50-Initiative der Parteileitung, die ein Mitspracherecht für Angestellte ähnlich dem System von Betriebsräten in Deutschland forderte, sondern – und hier haben wir es mit einer weiteren Ausnahmeerscheinung zu tun – für ein Projekt der marxistischen Strömung „der Funke“.
Die Partei sprach sich damit dafür aus, dass man mit dem Kampf für die Rechte von Lernenden wieder zu einem Themenschwerpunkt zurückkehrt, der eine Konstante in der politischen Arbeit der Juso und ihrer Vorgängerorganisationen seit ihrer Gründung vor rund 110 Jahren gewesen ist. In den letzten Jahren hatte das Arbeitsfeld aber gehörig gelitten. Zwar war man noch 2003 mit der Lehrstellen-Initiative in den politischen Ring gestiegen, seither war auf nationaler Ebene aber so gut wie nichts zum Thema Lernendenkampf geschehen. Dieser Umstand schlug sich auch im inneren Aufbau der Partei nieder: Lernende und junge ArbeiterInnen sind gegenüber Studierenden und GymnasiastInnen eine Minderheit, und umso weiter man in den Führungsebenen der Partei hinaufgeht, umso weniger Leute findet man, die eine Berufslehre gemacht haben. So ist in der nationalen Parteiführung derzeit niemand, der/die eine Lehre gemacht hat.
Von bürgerlicher Seite wurde sofort auf die Pläne der Juso reagiert. Das Ziel, Lernende politisch zu organisieren (angepeilt sind 500 neue Lernende in der Partei), sorgte bei den Jugendorganisationen der FDP und SVP für negative Reaktion. Die Vertreter der Jungbourgeoisie übten sich darin, die alten Lügen herunterzuleiern: Einmal mehr wurde die Kampagne als Bedrohung für das „Erfolgsmodell Schweiz“ dargestellt. Dass die Zöglinge des politischen Arms der KapitalistInnenklasse so scharf gegen unser Anliegen schiessen, zeigt, dass wir mit der Kampagne auf dem richtigen Weg sind. Der Weg, um die Lernenden zu erreichen, sollte an mehreren Kampagnenelementen festgemacht werden. Mit Hilfe von Aktionen und Events, sowie einer Lernendenumfrage und -petition, sollte die Partei an den Berufsschulen sichtbar werden. Das ist bisher nur an wenigen Orten geschehen.
Verglichen damit, was bei den Grossprojekten der jüngeren Juso-Geschichte nach 3 Monaten gelaufen ist, fällt das Fazit bei der Lernendenkampagne eher unbefriedigend aus. Sowohl bei der 1:12-Initiative als auch bei der Initiative zum Spekulationsstopp waren zu diesem Zeitpunkt die Kampagnen schon voll angelaufen. Die Sektionen waren auf den Strassen und sammelten ihre Quoten. Wenn die Quote nicht erreicht wurde, konnte schnell ein Anruf eines Mitglieds des dreiköpfigen Kampagnenteams folgen, das nachhakte, woran es haperte. Sektionen, welche die Kampagnen nicht durchführten, waren die absolute Ausnahme. Auf nationaler Ebene wurde zudem immer wieder für Medialität des Themas gesorgt.
Anders bei der Lernendenkampagne: Das Projekt wurde Ende April offiziell lanciert. Sie ist bislang aber nur regional in einigen wenigen Parteisektionen wirklich angelaufen. In diesen Sektionen kam es bisher zu regelmässigen Aktionen an Berufsschulen, vor Lehraufsichtsämtern oder in Fussgängerzonen, um auf die Kampagne aufmerksam zu machen. Fast wöchentlich machten sich dort AktivistInnen auf, um die Kampagne voranzutreiben. In Winterthur fand eine öffentliche Bildungsveranstaltung statt, an der ein Aktivist der 68er Lehrlingsbewegung referierte, im Thurgau verlieh die Juso dem Amt für Berufsbildung und Berufsberatung einen Schmähpreis fürs Wegsehen bei schlechten Lehrbedingungen und in Basel wurde in der Nähe einer Berufsschule an einem Mittag ein Grill aufgestellt und beim Essen mit den Lernenden geredet.
An vielen Orten kam die Petition sehr gut an. Besonders an Berufsschulen ist es kein Problem, Unterschriften zu sammeln. So konnten von drei sammelnden Personen an einer Berufsschule in Winterthur innerhalb von 40 Minuten 80 Unterschriften gesammelt werden. Leute, die sich partout weigern zu unterschreiben, gibt es kaum und selbst LehrerInnen der Berufsschulen unterschreiben immer wieder. Bei Gesprächen mit Lernenden wurde übrigens an vielen Orten klar, dass die Probleme, die die Juso mit der Kampagne anspricht, brandaktuell sind. Viele Lernende sind von prekären Arbeitsbedingungen betroffen und leiden unter berufsfremder Arbeit, Überzeiten, schlechten Löhnen, Mobbing und dem offenen Bruch des Berufsbildungsgesetzes. Von den verantwortlichen Ämtern in den Kantonen wird aber wenig getan, um mit den Missständen aufzuräumen. Dass sich jemand diesem Thema annimmt, wird von den Lernenden in aller Regel sehr positiv aufgenommen.
Es muss aber gesagt werden, dass es grosse Unterschiede zwischen den Branchen gibt. Während das Sammeln an Berufsschulen, an denen Berufe aus dem Sozialwesen, der Gesundheit oder dem Detailhandel unterrichtet werden, extrem gut von der Hand geht, ist die Resonanz bei vielen technischen Berufen nicht ganz so gut (auch wenn dort das Unterschriftensammeln immer noch erfolgreicher ist als in Fussgängerzonen). Allgemein kann man sagen, dass Leute der Kampagne positiver gegenüberstehen, die in Branchen arbeiten, in denen prekäre Arbeitsbedingungen üblicher sind.
Neben der Erfahrung, dass lokal und in den Branchen grosse Unterschiede bestehen, wurde eine weitere Erfahrung gemacht, die von enormer Wichtigkeit ist: Auch wenn die Lernenden sehr positiv reagieren, wenn das Eis erst einmal gebrochen ist, muss man eingestehen, dass sie nicht darauf gewartet haben, dass die Juso sich einmal an den Berufsschulen blicken lässt. Zwar meldeten sich bei Aktionen schon Lernende und meinten, sie wollten aktiv werden, oder dass man an ihrer Schule mal etwas machen sollte, da es viele gäbe, die von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind. Doch gab es keinen Ansturm von Lernenden, die in die Juso wollen, nur weil wir einmal kurz an einer Berufsschule waren. Davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Es muss uns klar sein, dass es illusorisch wäre zu erwarten, dass die Kampagne in diesem Sinne ein Selbstläufer wird. Dass unter den Lernenden Potenzial für eine Bewegung da ist, die zum Ziel hat, den Stand junger ArbeiterInnen zu verbessern, konnten wir bei unseren bisherigen Besuchen an den Berufsschulen klar sehen. Die Hemmschwelle, politisch aktiv zu werden, ist für viele Lernende aber eine andere, als bei GymnasiastInnen oder Studis. Wir sprechen die Lernenden in ihrem Arbeitsumfeld an, wo sie die Angst, ihre Stelle zu verlieren oder später keine zu finden begleitet. Wenn beispielsweise im Betrieb bekannt wird, dass einE LernendeR sich für bessere Lehrbedingungen einsetzt, kann das unangenehme Folgen für den/die StiftIn haben.
Wir dürfen diese Kampagne allerdings nicht als eine kurzfristige Angelegenheit verstehen, bei der es nur um das Sammeln der Unterschriften für die Lernendenpetition geht. Wir müssen uns von der in der Partei festgefahrenen Vorstellung lösen, dass sich der Erfolg einer solchen Kampagne mit der Anzahl Unterschrift messen lässt, die für eine Petition gesammelt werden. Vielmehr ist sie ein Startschuss für die langfristige Reorientierung der Juso auf die junge ArbeiterInnenklasse und die Lernenden im Besonderen. Die momentane Lernendenkampagne muss daher vor allem als ein Mittel verstanden werden, sich einen Wiedererkennungswert, erste Kontakte und letztendlich auch neue GenossInnen an den Berufsschulen zu verschaffen. Hier ist es wichtig, dass wir durch eine regelmässige Präsenz an den Berufsschulen das Vertrauen der Lernenden gewinnen.
Genau hier hapert es jedoch. Sektionen, in denen die Juso wirklich regelmässig an den Berufsschulen präsent ist, gibt es kaum. Wo sie es ist, wird die Kampagne oft von Mitgliedern der marxistischen Strömung, Mitgliedern kantonaler Lernenden AG’s und/oder einzelnen AktivistInnen getragen. Dass Sektionen ihren politischen Schwerpunkt vollständig auf den Kampf für Lernendenrechte verlegen, ist die Ausnahme und in manchen Sektionen wurden sogar kantonale Langzeitprojekte lanciert, die nichts mit der Lernendenkampagne zu tun haben.
Auch auf nationaler Ebene ist jedoch nicht viel geschehen, um die Kampagne zu stützen. Die Arbeit beschränkte sich vor Allem auf die Erstellung von Merchandising-Artikeln und dem grafischen Auftritt im Rahmen der Kampagne. In geringerem Ausmass war auch die Ausarbeitung eines nationalen Workshops als Grundlage der Kampagne ein Thema. Zu Beginn krankte dieser noch an unsauberer Recherche. Für die Endfassung des Workshops wurde letztlich auf eine gekürzte Fassung eines veröffentlichten Schulungsdokuments der marxistischen Strömung zurückgegriffen. Im zweiten Teil des Workshops wird darauf erklärt, wie genau eine Berufslehre abläuft. Im parteiinternen Bildungsprogramm wird nicht darauf eingegangen, warum wir die Kampagne führen, wieso Lernende Ausbeutung und Prekarisierung besonders stark ausgesetzt sind und warum die Ausbeutung während einer Krise zunimmt. Dies ist eine vergebene Chance, den GenossInnen die politische Grundlage zur Aktivität an den Berufsschulen und unter den Lernenden zu vermitteln. Daneben bestand die nationale Kampagne aus dem Festlegen von Aktionstagen, an denen die Sektionen Aktivitäten entwickeln sollten. Gerade, dass an Material wenig Inhaltliches kam, ist für die Kampagne nicht ideal. Bis auf den Kampagnenflyer gibt es keine inhaltlichen Materialien, die für Berufsschulbesuche verwendet werden können. Wollen wir Lernende davon überzeugen, dass wir die politische Vertretung der jungen ArbeiterInnen sind, brauchen wir mehr als Stifte, Jutesäcke oder Notizbücher mit dem „Fight for your rights“-Logo. Wir brauchen gute, „anmächelig“ aufbereitete Argumente. Um diese Lücke zumindest teilweise zu schliessen, haben wir von der marxistischen Strömung begonnen, Material wie Flyer, eine Lernendenbroschüre, ein Schulungsdokument und eine Lernendenzeitung zu erstellen, die wir selbstverständlich allen interessierten AktivistInnen zur Verfügung stellen.
Dass die Kampagne nicht optimal läuft, dürfte uns allen klar sein. Sie ist bisher an zu wenigen Orten wirklich angelaufen. In vielen Sektionen ist es bisher zu keinerlei Aktivitäten an den Berufsschulen gekommen. An anderen Orten wird die Kampagne eher pro forma geführt, indem mit der Petition, die unsere „Eintrittskarte“ an die Berufsschulen sein sollte, in Fussgängerzonen Unterschriften gesammelt wird. Wir können die Kampagne nicht gleich umsetzen wie damals die 1:12- und die Spekulationsstopp-Initiative. Wir stehen einer neuen Projektform gegenüber, mit der die aktuelle Juso-Generation auf nationaler Ebene bislang kaum Erfahrung hat. Während wir diese Erfahrungen machen, wird es zwangsläufig auch zu Fehlern kommen. Es genügt einfach nicht, die Quoten für die Petition zu schaffen und zu denken, dass wir so die Lernenden schon erreichen werden. Ohne dass die GenossInnen den politischen Dialog mit den Lernenden suchen und eine Präsenz an den Berufsschulen aufbauen, wird das Ziel, 500 Lernende in die Partei zu holen, von Beginn weg zum Scheitern verurteilt sein.
Es gibt vor Allem zwei Gründe dafür, wieso wir mit den Berufsschulbesuchen in manchen Regionen noch nicht annähernd dort sind, wo wir sein sollten,: Zum einen sind da vollkommen nachvollziehbare Hemmungen. Da Lernende an den Zeiten, wo die Kampagne laufen müsste, also zum Beispiel in den Mittagspausen an den Berufsschulen, oft beruflich absorbiert sind, müssen in dieser Phase des Projekts auch in der Juso aktive Studierende eine wichtige Rolle spielen. Bei diesen Mitgliedern ist eine gewisse Unsicherheit zu beobachten gewesen, wie man an den Berufsschulen aufzutreten habe. Ist der Schritt an die Berufsschule erst einmal gemacht, ist jedoch die grösste Hürde geschafft. Viel schwerer für die Kampagne wiegt der offensichtliche Mangel an politischem Willen, das Projekt auch umzusetzen. Dieser ist auf zwei Ebenen kritisch: in den Sektionsvorständen sowie in der nationalen Parteileitung.
Dass in manchen Sektionen der Kampf für Lernendenrechte und für eine Juso der jungen ArbeiterInnen alles andere als prioritär ist, konnte man immer dann sehen, wenn auf Ebene der Sektionsvorstände andere Projekte lanciert wurden, anstatt den Gang an die Berufsschulen zu wagen. Es kam auch zu Fällen, in denen von Seiten des kantonalen Vorstands die Parteielemente zurückgebunden wurden, welche die Kampagne am aktivsten führten. So strengte der Vorstand der Juso Kanton Zürich einen Basisentscheid an, um zu verhindern, dass die AG Lernende des Kantons Zürich eigenes Material für ihre Berufsschulbesuche herstellt. Als Gründe dafür wurden unter anderem angeführt, dass juristisch die Bildrechte bei der Juso Schweiz seien und man keine Flyer wolle, auf denen neben dem Juso-Logo auch Logos des Funke oder der Unia-Jugend zu sehen seien, auch wenn sich diese an den Druckkosten beteiligt hatten. Die Diskussion ging so weit ins Absurde, dass auf eine angebliche Verletzung von Bildrechten eine Klage der Juso Schweiz folgen könnte.
In solchen Situationen wird offenbar, dass es Kräfte in der Partei gibt, die das Projekt einer Juso, die für Lernende einsteht, lieber zurückstellen möchten, wenn sie glauben, auf diesem Wege Fraktionskämpfe führen zu können. Anstatt diese jedoch auf politischer Ebene auszuführen, entschied man sich jedoch für rein formalistische Argumente. Die Parteibasis in der Juso Kanton Zürich goutierten die bürokratischen Manöver nicht und votierten für die Gegenvorschläge der AG Lernende.
Es gab auch schon in der Vergangenheit Sektionen, die bei einer Kampagne nicht voll mitzogen. Diese Sorgensektionen versuchte man damals aber aus der Parteiführung und der Kampagnenleitung heraus zu aktivieren. Für die Geschäftsleitung war damals der Druck, die Kampagne erfolgreich zum Abschluss zu bringen grösser, war sie doch direkt für die Projekte verantwortlich. Dieses Mal ist der Druck in dieser Form nicht vorhanden, da nicht das Projekt der Geschäftsleitung von der Partei gewählt wurde, sondern eines aus dem linken Flügel der Partei. Doch nicht nur wegen der grösseren direkten Verantwortung wurde bei bisherigen Projekten ein deutlicherer Effort seitens der Parteiführung geleistet: Die Chance auf politisches Prestige. Die Namen der bisherigen Präsidenten der jüngeren Juso-Geschichte waren und sind beide mit den Kampagnen verbunden, die sie angestossen haben. Ebenso wie der Name Cédric Wermuth mit 1:12 verbunden wird, wird auch David Roth beim Abstimmungskampf zur Spekulationsstoppinitiative durch die Medien tingeln. Die Delegiertenversammlung in Schaffhausen erteilte der Vorstellung eine Absage, dass mit jedem neuen Präsidenten automatisch ein neues Projekt einhergeht, mit welchen sich dieser seinen Weg in aussichtsreiche Ämter vorspurt. Da man sich aber einen Namen machen muss, wenn man nach seiner Zeit an der Spitze der Partei auch Chancen auf gute Posten haben will, musste ein anderes Prestigeprojekt her. Diese Projekte verwaisten aber wie zum Beispiel die Mediengeschichte um die Erneuerung des Zimmerwalder Manifests. Das nächste derartige Projekt ist schon aufgegleist. Für das Referendum zum Büpf wurde bereits eine 40%-Stelle geschaffen.
Allgemein wird anhand der auf nationaler Ebene eingesetzten Ressourcen ersichtlich, dass die Priorität der Lernendenkampagne nicht besonders hoch ist. Mit 20% ist die Kampagnenstelle nur halb so gross wie die für das Büpf-Referendum geschaffene Stelle und darüber hinaus 5 mal kleiner als die 3 Stellen, die sowohl für die 1:12-Initiative und die Spekulationsstopp-Initiative geschaffen worden waren und insgesamt 100 Stellenprozent ausmachten. Der Kampagnenleitung fehlen ganz offensichtlich die Ressourcen, um die nötige Kampagnenarbeit auszuführen, um tatsächlich eine schlagkräftige Organizing-Kampagne aufzuziehen. Wie bereits angesprochen, wurde neben einigen Merchandising-Artikeln bisher kaum Kampagnenmaterial produziert. Mit einer Petition und einigen Veranstaltungen alleine werden Lernende noch nicht von unseren Ideen überzeugt. Wir brauchen Material, das den Lernenden unsere politische Linie mit Schwerpunkt auf Berufsbildungspolitik wiedergibt. Eine zumindest für die Dauer der Kampagne regelmässig erscheinende Zeitung wäre diesbezüglich ein wirksames Mittel. Aber auch auf anderen Ebenen der nationalen Kampagnenführung wurde kaum Arbeit betrieben. Auf die unzähligen Artikel, in denen Lernende von selbsternannten Psychologen oder einmal mehr von Lügen-Bigler immer und immer wieder gebasht werden, wurde nicht reagiert. Genauso wenig bei direkten Angriffen auf Lernende in den Betrieben, wie etwa bei der Entlassung von 12 Lernenden im Hotel Walhalla in St.Gallen,. Auch sonst wurde mithilfe der Kampagne kaum Medienarbeit betrieben. Der im Kampagnenkonzept geforderte Lehrstellenpranger existiert nach wie vor nicht, und der Reiter „deine Erfahrungen“ auf der Kampagnen-Website kann hier beim besten Willen nicht als Ersatz dienen. Diese genannten Fälle zeugen zum Einen vom offensichtlich mangelnden politischen Willen, und zum Anderen, was mit Ersterem natürlich stark verknüpft ist, von den unterdurchschnittlich eingesetzten Ressourcen. Für diejenigen, die sich im Verlauf der Kampagne engagieren und das Ziel haben, etwas zu bewegen, bleibt das aber ein schwacher Trost. Denn das Gefühl, dass wir alle zusammen an diesem Projekt arbeiten, um die Lebensrealitäten von Lernenden weniger prekär zu gestalten und sie dadurch zu aktivieren, will einfach nicht aufkommen, wenn nur einige Sektionen (und auch dort nur Teile der Sektion) wirklich für dieses Anliegen kämpfen.
Kritik, also offene, transparente, ehrliche und konstruktive Kritik, ist notwendig, wenn sich eine politische Bewegung weiterentwickeln soll. Im vorhergehenden Teil des Artikels haben wir Fehler angesprochen. Es geht dabei nicht darum, irgendjemandem die Schuld zuzuweisen. Wir müssen jedoch begangene Fehler erkennen und die Kampagne nun so weiterführen, damit wir die nötige politische Durchschlagskraft erreichen, um zu zeigen, dass wir die politische Kraft von und für Lernende sind. Dafür muss die Partei die Kampagne breit führen. Es wäre wichtig, neu über die national für das Projekt aufgewendeten Mittel zu befinden. Die Begründung, dass die Kampagne halt nicht so viel zu tun gebe wie ein Initiativprojekt lassen wir hier nicht gelten. Ein solches langfristiges Engagement macht genau so viel Arbeit, wie man bereit ist, hineinzustecken. Dass gegenwärtig zu wenig gemacht wird, ist unübersehbar. Die Parteibasis hat mit dem harten Auswahlverfahren nicht beschlossen, dass mit der Lernendenkampagne irgendein Nebenprojekt gefahren wird, sondern hat das bestimmende und zentrale Thema für die kommende Zeit festgelegt. Es kann nicht angehen, dass dieses Projekt mit Gleichgültigkeit behandelt wird, wenn man es nicht gerade medienwirksam als Wahlkampfvehikel mit einer einzelnen Aktion aus dem Hut zaubern kann. Ebenso wenig darf es sein, dass die Kampagne weniger prioritär behandelt wird, weil man sich in der Führung ein anderes Projekt gewünscht hat.
Wollen wir erfolgreich sein, wollen wir für die Lernenden zu natürlichen Wahl werden, dann müssen wir aktiv und präsent sein. Wir müssen regelmässig an unterschiedlichen Wochentagen an den Berufsschulen unterwegs sein, dort für die Petition sammeln und mit den Leuten reden. Wir müssen Veranstaltungen organisieren, die sich an die Lernenden richten und wir müssen Berufsschulgruppen aufbauen, wo wir Lernende haben. Die Forderung nach Berufsschulgruppen wurde an der Jahresversammlung seitens der Geschäftsleitung noch damit quittiert, dass wir vom Funke uns offensichtlich nicht entscheiden könnten, ob wir jetzt 500 Lernende organisieren wollen oder Berufsschulgruppen aufmachen. Selbstverständlich wollen wir 500 Lernende in die Partei holen. Wir wollen sie aber nicht in die Partei holen, damit sie in den Datenbanken versauern und als Karteileichen enden, sondern damit sie aktiv gegen die Ungerechtigkeiten vorgehen, denen sie in diesem System ausgesetzt werden.
Diese Ungerechtigkeiten entstehen nicht zufällig, sondern sind Folge des Zwangs zu Akkumulation im Kapitalismus. EinE LernendeR ist für UnternehmerInnen eine günstige Gelegenheit, um sich eine billigste Arbeitskraft zu verschaffen. Dass in vielen Buden nicht die Ausbildung, sondern die Möglichkeit, die Ausbeutungsrate zu erhöhen im Vordergrund steht, ist ein Missstand, der mit dem verstärkten Konkurrenzdruck und dem Fall der Profitrate in einer Krise noch weiter wachsen wird. Um solche Fragen und nicht darum, dass die LAP jetzt QV heisst, sollte sich auch das nationale Bildungsprogramm drehen: Warum werden Lernende besonders stark ausgebeutet? Wieso ist das in der Krise besonders stark der Fall? Was sind die Rechte von Lernenden? Wie können wir sie umsetzen und warum führen wir diese Kampagne? Auch wurde Eigeninitiative mit statuarischen Diskussionen ausgebremst, wie es im Kanton Zürich geschah. Wenn wir uns in unseren Sitzungszimmern stundenlang über Corporate Design streiten oder FunktionsträgerInnen in der Partei ihren Sektionen verbieten, an Parteianlässe zu gehen, weil dort jemand vom Funke über die Kampagne referiert, dann scheint es so, als wäre manchen der sterile Grabenkampf lieber als das Engagement an den Berufsschulen. Eigentinitiative, egal aus welchen Teilen der Partei heraus, sollte nicht abgewürgt werden. Grundsätzlich müsste sogar das genaue Gegenteil geschehen: Kommt es aus der Basis der Partei zu neuen Anstössen oder zu Bewegung, müssten diese von der Führung unterstützt werden. Dies wird den Erfolg der Kampagne vervielfachen und das ermöglichen, was wir uns immer wieder in der Vergangenheit zum Ziel gesetzt haben und uns auch in dieser Kampagne zum Ziel setzen müssen – eine breite Basiskampagne von uns JungsozialistInnen. Denjenigen, die sich gerne in der Kampagne engagieren möchten aber nicht wissen wie, Hemmungen haben, den Schritt an die Berufsschulen zu machen, Bildungsmaterialen benötigen oder befürchten, dass sie in ihrer Sektion die einzigen sind, welche die Kampagne führen möchten, wollen wir hier an dieser Stelle gerne unsere Unterstützung zusichern.
Es liegt uns viel daran, dass dieses Projekt zu einem vollen Erfolg für die Lernenden und für unsere Partei wird. Daher wollen wir von der Funke-Strömung, dass alle in der Partei von den Erfahrungen und der Arbeit, die wir bisher gemacht haben, auch profitieren können. Die Kampagne, die wir jetzt führen, sollte nicht einfach nach den Nationalratswahlen ihr Ende finden. Gerade in Hinblick darauf, dass wir versuchen, etwas Langfristiges – eine Verankerung bei Lernenden und jungen ArbeiterInnen – aufzubauen, sollten wir der Kampagne zeitlich gleich viel Platz einräumen, wie wir auch unseren Initiativprojekten eingeräumt haben. Diese waren 12 Monate in der Sammelphase und damit noch nicht abgeschlossen, da zusätzlich für 1:12 drei Monate Abstimmungskampf geführt wurde, ebenso wie man für die Spekulationsstopp-Initiative Abstimmungskampf führen wird.
Fakt ist, dass wir viel zu tun haben, wenn wir mit der Lernendenkampagne unsere Ziele erreichen wollen und diese zu erreichen ist nötig. Lernende werden in vielen Buden wie Dreck behandelt. Sie müssen oftmals Arbeiten erledigen, zu denen man sie von Gesetzes wegen nicht zwingen darf, kriegen einen miesen Lohn und sind Opfer von schlechter Behandlung.
Als SozialistInnen sind wir ihnen schuldig, dass wir uns endlich mit unserer ganzen Kraft dafür engagieren, dass Rechte ausgebaut und bestehende Gesetze umgesetzt werden. 73% der Jugendlichen machen heute eine Lehre. Nur wenn wir mit vollem Einsatz in den politischen Ring steigen, können wir es schaffen, die grosse gesellschaftliche Gruppe der Lernenden und jungen ArbeiterInnen in die Partei zu holen und aus der Juso, die momentan vor allem eine Partei von Studierenden und GymnasiastInnen ist, die politische Bewegung zu machen, die für junge Werktätige die natürliche Wahl ist. Doch der Kampf für eine starke Linke, die sich wieder klar auf die arbeitende Klasse orientiert, darf nicht nur in der Juso stattfinden. Wir müssen über unseren Tellerrand hinausblicken. In Anbetracht der historischen Notwendigkeit des Wiederaufbaus einer starken ArbeiterInnenbewegung müssen wir an alle traditionellen Massenorganisationen der ArbeiterInnen, allen voran die SP und die Gewerkschaften, appellieren, diese Kampagne mitzutragen. Besonders die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsjugenden in der Lernendenfrage ist für diese Kampagne zentral, um die Verbindung von gewerkschaftlicher und politischer Agitation zu ermöglichen.
Kämpfen wir also gemeinsam für die Rechte der Lernenden!
Kämpfen wir für eine Juso, die sich als Partei der ArbeiterInnen versteht!
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