Suka* (29), Studentin und Palästina-Aktivistin an der Uni Basel

Du bist seit Monaten für Palästina auf der Strasse und Teil der Bewegung «Uni Basel for Palestine». Warum?

Weil Netanjahus Regime das palästinensische Volk vernichtet und ich dabei nicht zuschauen kann. Zunächst war ich auf Social Media am Weinen. Drei Wochen lang, jeden Tag. Die Zeitungen hier im Westen sprachen im Chor von «Israels Recht auf Selbstverteidigung». Was «Selbstverteidigung»? Ein Unterdrückerstaat begeht einen Völkermord! Dagegen zu protestieren, ist nur vernünftig. Doch die Demos wurden immer kleiner. Darum war ich richtig begeistert, als die Besetzung losging. Endlich nahmen wir es in die Hand. 

Waren Kolonialismus und Imperialismus schon vorher wichtige Themen für dich?

Ja. Auch weil ich länger in Südafrika war. Die modernen Quartiere von Kapstadt sind ein Paradies für Kapitalisten, während sie Millionen Schwarze in elenden Townships zusammenpferchen. Die regierende ANC redet von «Townships aufwerten». Was soll das? Townships dürfen nicht existieren, fertig. Ich hab dort zwei Dinge gelernt. Erstens, ich bin immer auf der Seite der Unterdrückten. Nie werde ich die Gewalt von Township-Bewohnern verurteilen! Zweitens, der Kampf der Unterdrückten muss das ganze System stürzen. 

Bedingungslos auf der Seite der Unterdrückten – das war nach dem 7. Oktober nicht gerade Konsens unter «Linken» …

Ich war sowas von wütend und enttäuscht. Monatelang kam entweder kein Statement oder eines, das «beide Seiten» verurteilte. Und das von Leuten, die sich ständig als «Anti-Imperialisten» rühmen und grosse Reden über «das Leid auf der Welt» schwingen. Wenn’s drauf ankommt, verkriechen sie sich alle ins Loch. Ich hab alle abgecheckt. Gegenüber dem Funke (heute RKP, Anm. d. R.) hatte ich Vorurteile. Aber beim Lesen eures Statements vom 9. Oktober habe ich gedacht: Krass, ihr nehmt als einzige die korrekte Haltung ein: Der Staat Israel und seine westlichen Verbündeten sind zu 100 Prozent schuld.

Aber du bist nicht sofort den Kommunisten in die Arme gesprungen, richtig?

Im Gegenteil. Noch im Winter hab ich einem RKP-Mitglied gesagt, dass ich nie beitreten werde (lacht). Schau, ich hatte einfach grosses Misstrauen gegenüber allen Parteien. Black Lives Matter, Klimastreik, Frauenstreik – es ist immer das Gleiche: Die Leute sind ready auf der Strasse, aber keine Organisation schlägt Inhalte vor, um die Bewegungen voranzutreiben. Entweder sind sie nicht mal da oder sie lenken die Bewegungen ins Parlament. Die geben sich feministisch und anti-kolonial usw. aber helfen den Kämpfen nie wirklich. Im Gegenteil. Auch bei der RKP hatte ich Skepsis: Meinen die es wirklich ernst? 

Woran hast du während der Uni-Besetzung dann gemerkt, dass wir es ernst meinen?

RKP-Mitglieder haben die Bewegung mit inhaltlichen Vorschlägen weitergebracht. Ich war meistens einverstanden. Es begann bei der ersten Vollversammlung. Ein RKP-Mitglied machte den Punkt, dass wir eine politische Diskussion brauchen – für was stehen wir (Forderungen, Slogans), gegen wen kämpfen wir. Der Genosse beharrte darauf – und wir gewannen eine Mehrheit. Zum Glück! Denn du hattest da auch liberale Positionen, die direkt mit der Uni-Leitung einen Deal aushandeln wollten. Das hätte die Bewegung sofort zerstört. Denn die Uni-Leitung ist nicht auf unserer Seite. Sie hat ein paar Tage später Dutzende Polizisten mit Tränengas auf uns losgehetzt, Studenten mit Strafen bedroht etc. Warum? Auch hier haben die RKP-Genossen überzeugend die Verbindung zum Schweizer Imperialismus und dessen Rolle im NATO-Lager aufgezeigt. Viele waren eingeschüchtert durch die Medienhetze. Ein Genosse erklärte sehr treffend: Für ein freies Palästina zu sein, hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Die Rassisten in diesem Land sitzen in oder hinter der SVP. Diese inhaltliche Klarheit ist entscheidend. Sonst kannst du die Slogans «Free Palestine» oder «Intifada bis zum Sieg» nicht erklären.

Die inhaltlichen Positionen haben dich also überzeugt?

Ja, hauptsächlich – aber nicht nur. Für mich war es wichtig zu sehen, dass die RKP-Mitglieder nicht nur gut reden. Zum Beispiel beim Punkt der demokratischen Strukturen: keine ungewählten Führungen und technischen Arbeitsgruppen, sondern politische Vollversammlungen und ein gewähltes Komitee. RKP-Mitglieder haben den Vorschlag gemacht und dann Verantwortung im Komitee übernommen. Wichtig! Weil schau, wenn du etwas Wichtiges zu sagen hast, kannst du nicht einfach einmal die Hand heben und dann verunsichert sein, wenn du abgeklemmt wirst. Es reicht nicht, zu behaupten, dass du recht hast. Du musst das beweisen in deinen Antworten und Aktionen. 

Wann hast du entschieden, der RKP beizutreten?

Da waren lange Gespräche nötig. Nicht nur über Palästina – sondern über die Perspektive der Weltrevolution, die Rolle des Staates, über Philosophie, die Rolle der Arbeiterklasse, Stalinismus etc. Ich liess mich nicht abspeisen mit Phrasen wie «Kommunismus ist die Lösung» – und die Genossen begnügten sich nie mit solchen platten Antworten. Eines Tages meinte einer: «Suka, die Partei braucht nicht nur dich – du brauchst sie auch.» Ich dachte nach – und kam zum Schluss: Ja! Einerseits brauche ich die Theorie. Das Wissen und die Vorschläge der Genossen fallen nicht vom Himmel – sie kommen aus dem Verständnis des Marxismus. Andererseits bin ich alleine als loser Teil von Bewegungen machtlos. Unser Feind hat einen Staat, Polizei, Medien etc. zur Verfügung. Wir müssen sehr gut organisiert sein, um zu gewinnen.

Der Genozid geht weiter, das Semester beginnt – was ist deine Botschaft an die Studenten?

Wenn du wie ich auch rasend wütend bist, dass 186’000 unschuldige Menschen getötet wurden, dann bist du nicht alleine. Wenn du aktiv werden willst, dann traue dich! Mach mit bei unserer Kampagne gegen den Genozid in Palästina und gegen Imperialismus! 

* Name geändert