Foto: President Donald J. Trump and First Lady Melania Trump arrive in China | November 8, 2017 (Official White House Photo by Shealah Craighead)
Trump liebt es hoch zu pokern, wenn er verhandelt. Er geht bis an den Rand eines schweren Konflikts, bevor er zurückweicht und einen Vertrag unterzeichnet. Er hat das (unter vier Augen) mit Russland im Syrien-Konflikt und im Streit mit Nordkorea so gemacht. Der jüngste diplomatische Konflikt drehte sich um Stahl- und Aluminiumzölle. Nachdem er wichtigen Verbündeten der USA mit Zöllen gedroht hatte, machte er – zumindest vorerst – einen Rückzieher. Die EU hat jetzt angeboten, Trump in einer gemeinsamen Anstrengung gegen China beizustehen.
America First
Jetzt befindet sich China fest in Trumps Fadenkreuz. Der Präsident versucht, das Handelsdefizit mit China zu reduzieren und er wird bei diesem Vorhaben sowohl von den Republikanern als auch den Demokraten unterstützt. Die Angelegenheit hat, anders als die Zölle auf Stahl (die USA importieren kaum Stahl aus China), viel tiefere Wurzeln als Trumps „America-First“- Programm. Denn schon Trumps Vorgänger Obama hatte ebenso wie die EU und Kanada in den vergangenen Jahren Massnahmen gegen China ergriffen.
Die herrschenden Klassen in Europa und den USA werden wegen der chinesischen Konkurrenz immer besorgter. Es ist die eine Sache, wenn China Textilien oder Möbel herstellt oder Elektronische Geräte zusammenbaut, aber eine ganz andere, wenn China in die zukunftweisenden Hightech-Industrien einsteigt. Schon jetzt sind die chinesischen Konzerne in der Lage Züge und Telekommunikationsgüter, die weltweite Massstäbe erfüllen, herzustellen. Das geschieht teilweise durch die Kopie und den Diebstahl der Technologien westlicher Konzerne. Dies hat seitens der USA und Europas bei angestrebten Betriebsübernahmen zu Verboten aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ geführt. Jetzt sind die Chinesen bestrebt auf weitere Märkte vorzudringen.
Made in China 2025
In einem Dokument namens „Made in China 2025“, das im letzten Jahr erstellt wurde, richten sich die Chinesen auf die Herstellung von Fahrzeugen und Geräten mit neuem Antriebsformen, Hightech-Schiffskomponenten, Industrierobotern, medizinischen Geräten, Landmaschinen, Mikrochips für Mobiltelefone und Flugzeugen aus. Sie interessieren sich auch für die künstliche Intelligenz und die Biotechnologie. Die Politik versucht ausdrücklich diese Industrien zu entwickeln, bei denen China bisher von Importen abhängig war. Das ist ein Versuch auf Märkte vorzudringen, auf denen China bisher schwächer war und auf denen die am meisten entwickelten Länder einen deutlichen Vorsprung haben.
Die anderen grossen imperialistischen Mächte haben kein Interesse daran, diesen Vorsprung zu verlieren. Sie stehen bereits in einer ganzen Reihe von Industriesparten unter dem Druck Chinas. Chinas vergleichsweise billigen Arbeitskräfte sind bisher noch nicht entsprechend produktiv gewesen, aber das Land ist dabei dies durch die Automatisierung zu verändern. Das ist eine ernsthafte Bedrohung für die europäischen und US-Unternehmen.
Eine Anzahl von Übernahmen sind bereits verboten worden, zuletzt die von der Chipfirma Qualcomm durch Broadcom, die von Trump aus nationalen Sicherheitsgründen unterbunden wurde. Chinesische Konzerne haben sehr aggressiv kleinere europäische und US-amerikanische Unternehmen gekauft, um an deren Technologien zu kommen. ChemChina hat das schweizerische Agrarunternehmen Syngenta (Saatgut und Pflanzenschutzmittel) erworben, Geely hat den schwedischen Autohersteller Volvo gekauft. Zoomlion erwarb den Baumaschinenhersteller Terex Corp. Die Häufung der ausländischen Übernahmen hat sich aber verlangsamt, nachdem Bedenken wegen der zu starken Verschuldung der Unternehmen aufkamen.
Die USA beschuldigen China des Diebstahls von Geheimnissen durch Spionage und Hackerangriffe, was wahrscheinlich der Wahrheit entspricht. Auch hat die chinesische Regierung ausländische Unternehmen, die in China investieren wollten, lange Zeit dazu gezwungen, Technologie mit chinesischen Partnerfirmen zu teilen.
Die Folge davon ist, dass China auf dem technologischen Gebiet aufholt, obwohl z. B. der durchschnittliche Einsatz von Robotern wesentlich niedriger ist als im Westen. Die USA setzen 189 Roboter auf 10.000 Beschäftigte in der verarbeitenden Industrie ein, China nur 68. Südkorea, dass viele Teile herstellt, die in China zusammengebaut werden, setzt 631 Roboter auf 10.000 Beschäftigte ein, Japan 303. Das bedeutet, dass China noch einen weiten Weg vor sich hat.
Die Geschlossenheit, die Trump bei dieser besonderen Massnahme erreicht hat, ist erstaunlich. Demokraten, Republikaner und die EU haben sich alle zu dieser aggressiveren Haltung gegenüber China verpflichtet. Das liegt kaum an Trumps diplomatischen Fähigkeiten, sondern eher daran, dass sich eine gemeinsame Front entwickelt. China hat über Jahre westliche Technologien kopiert und die herrschenden Klassen in Europa und den USA haben sie lange gewähren lassen. Die Beziehungen waren zu Beginn der Krise von 2008 sogar ziemlich annehmbar, weil die Kapitalistenklasse weltweit hoffte, dass China den Absatzmarkt bieten könnte, der im Westen fehlte, um somit Europa und die USA aus der Krise zu ziehen. Es wurde jedoch deutlich, dass trotz Chinas Schritten in Richtung steigender Verschuldung und Ausgaben, diese Massnahmen nicht die Krise lösen werden. Stattdessen sind die herrschenden Klassen in den USA und Europa darüber beunruhigt, dass China in einige ihrer schrumpfenden Märkte eindringen wird.
Die chinesische Regierung ist ihrerseits unter enormen Druck aufgrund einer unruhigen ArbeiterInnenklasse, der ungelösten nationalen Frage im Westen des Landes und einer drohenden Wirtschaftskrise. Sie versucht etwas von dem sozialen Druck zu mindern, indem sie die Produktivität erhöht, was ihr mehr Handlungsspielraum gibt und ihr ermöglicht, neue Industrien zu entwickeln. Sie versucht einen grösseren Anteil am Weltmarkt zu erlangen und genau das wollen die anderen Mächte unbedingt verhindern.
Die Krise treibt die Grossmächte in wachsende Widersprüche. Trump spielt ein riskantes Spiel. Ein Handelskrieg hätte katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft. Selbst wenn es den Hauptakteuren gelingen sollte, dieses Mal ein Abkommen zusammenzuschustern, ist es nur eine Frage der Zeit, bevor das Problem wieder auftaucht.
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