Handelskrieg gegen Mexiko, Grönland-Annexion oder NATO-Ausstieg: Trump macht klar, dass niemand vor ihm sicher ist. In wenigen Wochen hat er die bereits fragile Weltordnung massiv zerrüttet und damit eine neue Ära des Chaos eingeläutet.

Genau darum hatte das liberale Establishment alles versucht, um sein Comeback zu verhindern. Doch die Medienhetze und die Gerichtsprozesse gegen Trump haben ihn nicht geschwächt, sondern gestärkt. Trump hat klarer gewonnen als 2016. 

Entsprechend panisch sind die Liberalen, die mit ihrer Hoffnungslosigkeit auch die sogenannte Linke anstecken. So findet es SP-Präsident Wermuth «zum Verzweifeln, dass man diesen Leuten immer wieder glaubt». Als Empiriker sehen diese Leute nur die Oberfläche und sind blind für die Prozesse darunter.

Trump ist ein widersprüchliches Symptom eines kranken Systems. Um Trump zu beseitigen, müssen wir die tieferen Prozesse und Verschiebungen verstehen, die ihn hervorgebracht haben. 

Wer ist hier dumm?

Die allermeisten Trump-Unterstützer sind nicht einfach dumm. Im Gegenteil, sie haben mit einer gezogenen Schlussfolgerung mehr verstanden als all die sogenannten Linken zusammen. Nämlich, dass der Status quo für sie nicht länger duldbar ist.

Seit Jahren wird das Leben härter. Unter Biden bis zum Punkt, an dem heute 78 % von «paycheck to paycheck» (ohne Ersparnisse) leben. Gleichzeitig sind die 100 Reichsten nochmals 1,5 Billionen Dollar reicher geworden. Eine winzige Minderheit schwimmt im Überfluss, während die Mehrheit jeden Monat ums Überleben kämpft. 

So überrascht es weder, dass 41 % der jungen Erwachsenen mit CEO-Killer Luigi Mangione sympathisieren, noch dass 88 % der Bevölkerung das US-Politiksystem als «kaputt» bezeichnen. Tiefe ökonomische Unzufriedenheit, eine Portion gesunder Klassenhass und eine überwältigende Ablehnung des ganzen politischen Establishments – das ist die wahre Stimmung, die zunehmend reift.

An diese knüpfte Trump an – im Gegensatz zu den Demokraten. Trump redete als einziger von der Arbeiterklasse, versprach gute Jobs und bessere Löhne. Harris stand für den Status quo, Trump für Veränderung. Harris verteidigte das verhasste Establishment, Trump erklärte diesem den Krieg. 

Natürlich ist er ein Demagoge: Trump ist selbst Milliardär und vertritt seine Klasse. Aber es ist ein kluger Demagoge. Er nutzte die Tatsache, dass Millionen Arbeiter eine radikale Alternative brauchen, für seine eigenen Zwecke aus. 

Das «kleinere Übel» ist gescheitert

Dass die einzige angebotene Alternative rechts zu finden war, daran sind die Linken selbst schuld. Bernie Sanders, selbsternannter Sozialist, stand im Vorfeld der Wahlen 2016 «für eine politische Revolution gegen die Klasse der Milliardäre» und schürte damit riesigen Enthusiasmus. Er hätte Trump besiegen können, hätte er mit den Demokraten gebrochen. Stattdessen ordnete er sich zuerst Clinton und dann Biden unter. Diese seien «das kleinere Übel» und würden Trump verhindern. 

Eine völlig falsche Prognose. Was wir Marxisten stets betonen, hat sich einmal mehr bewahrheitet: Die Liberalen verhindern den Aufstieg der Rechten nicht, sie verursachen ihn! Sie sind die traditionellen Verteidiger und Rechtfertiger des Kapitalismus. Weil dieser nur noch Krisen und Kriege zu bieten hat, bedeutet Liberalismus: harte Angriffe gegen die Arbeiterklasse fahren und diese vertuschen und schönreden. Damit wendest du rechte Demagogen nicht ab, du rollst ihnen den roten Teppich aus. 

Genau das haben die Demokraten seit 2008 während zwölf Jahren an der Macht getan. Unter Friedensnobelpreisträger Obama gab es zehnmal mehr Drohnenangriffe als unter Bush. Bidens wundersame Wirtschaftserholung («Bidenomics») bedeutete dreimal mehr Inflation als unter Trump. Und um von der Krise abzulenken, hat die «diverse» Harris mehr Migranten rausgekickt als Trump in dessen erster Amtszeit.

Kehrseite von Trump: Krise des Liberalismus

Die Politik der Liberalen hat sich in den letzten Jahren zunehmend als das entblösst, was sie ist: eine Maske für die blutige Interessens-Verteidigung des US-Imperialismus. Die Wiederwahl Trumps ist ein Mittelfinger an die Demokraten für ihre verlogene Symbolpolitik.

Um von ihrer eigenen Blamage abzulenken, jammern die Liberalen über einen «Rechtsrutsch». Trump betreibt zwar Kulturkampf von rechts, doch dieser war nicht ausschlaggebend. Nur 26 % seiner Wähler mögen sein «persönliches Verhalten». 91 % hingegen erhoffen sich «gute wirtschaftspolitische Entscheide». Die Wahl Trumps zeigt nicht, dass die Leute tief chauvinistisch und verloren sind, wie selbsternannte Linke meinen. Im Gegenteil: Sie zeigt, dass immer mehr Leute wirkliche Verbesserungen brauchen und die Lügen der Liberalen immer weniger glauben. 

Trumps Aufstieg spiegelt die Krise des Liberalismus. Diese wiederum reflektiert die Krise des Kapitalismus und den relativen Niedergang des US-Imperialismus. 

Die Logik hinter «America First»

Die USA sind nach wie vor die stärkste imperialistische Macht der Welt. Doch der Vorsprung schmilzt. Die Rivalen China, Russland und regionale Mächte steigen auf. Trump will diesen relativen Niedergang abwenden und die Vorherrschaft der USA absichern. Seine einzelnen Massnahmen scheinen verrückt, aber übers ganze Bild betrachtet lässt sich eine Logik erkennen: ein Bruch mit der Strategie des US-Imperialismus seit der Nachkriegszeit. 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren die USA die alleinige Supermacht. Die US-Aussenpolitik seither bestand darin, diesen Status um jeden Preis aufrechtzuerhalten – als Weltpolizist alle Regionen kontrollieren und dominieren. Biden hielt an diesem Kurs fest, obwohl die USA nicht mehr in der Lage dazu waren. Er überstrapazierte die geschwächten Kräfte des US-Imperialismus.

Trump steht für den Versuch, die US-Aussenpolitik der realen Stellung der USA anzupassen. Er verteidigt genauso die Interessen des US-Imperialismus, aber durch einen radikalen Kurswechsel: weg vom Weltpolizisten, zurück zu «America First». Die Kräfte sollen so gebündelt werden, dass die USA gegen Hauptrivalen China besser aufgestellt sind. Das bedeutet Rückzug aus Verlust bringenden Gebieten (v. a. Europa) und Stärkung näher gelegener Einflussgebiete (Grönland bis Panama). 

Die Interessen des Stärksten will Trump mit Zöllen und Handelskriegen auf Kosten aller anderen durchboxen. Protektionismus nahm schon vor Trump zu. Doch das Ausmass und die Art und Weise sind neu und verschärfen die weltweite Instabilität: Selbst seinen wichtigsten Handelspartnern droht Trump mit Zöllen von bis zu 30 %. Und er erpresst nicht wie üblich bei Imperialisten zuerst mit Diplomatie, sondern auch direkt mit militärischen Drohgebärden. 

Isolationismus? Boomerang!

Was Trump erreichen will und was er erreichen wird, ist nicht das Gleiche. Der Kapitalismus steckt in der Krise, befindet sich im Niedergang. Trump selbst ist Ausdruck davon. Er kann die Zeit nicht zurückdrehen zu wachsenden Absatzmärkten und gesundem Wachstum. Es gibt nur einen Weg, die Krise zu lösen: Grosskonzerne enteignen und eine weltweite Planwirtschaft aufbauen, die für Bedürfnisse statt Profite produziert. Doch das steht nicht auf Trumps Agenda. 

Auf dieser steht vor allem eins: Zölle. Mit diesen versucht Trump, die Krise zu exportieren. Das kann kurzfristig Fabriken, Profite und Jobs in die USA bringen. Doch letzten Endes diktieren nicht Politiker, sondern Marktgesetze den Kapitalismus. Es setzt sich durch, wer am günstigsten und somit profitabelsten produziert. So hat der chinesische E-Auto-Hersteller BYD den US-Konkurrenten Tesla überholt, obwohl die USA letztes Jahr Zölle auf E-Autos aus China vervierfacht haben. Zölle machen fehlende Produktivität nicht wett. Sie lösen die Probleme nicht. Im Gegenteil: Sie machen die Produktion ineffizienter und Importe teurer, was die Inflation ankurbelt. 

Gleichzeitig verschärfen sie die globalen Widersprüche. Trump wirft mit seiner Zollpolitik eine Handgranate in eine eng verflochtene Weltwirtschaft. Was genau rauskommt, ist unklar. Klar ist: Ökonomische Verwerfungen werden zunehmen. Kein Nationalstaat nimmt Zölle wehrlos hin. Protektionismus in der Krise ist eine Abwärtsspirale. In den 1930ern war es eine solche, die zur Grossen Depression führte. 

Trump will zurück zum Isolationismus. Doch vor den Konsequenzen der ökonomischen Verwerfungen und Wirtschaftskriege, die er selbst beschleunigt, wird sich die US-Wirtschaft nicht isolieren können. «America First» wird den Abstieg der USA nicht aufhalten, sondern sich wie ein Boomerang gegen sie wenden. 

Trump wird enttäuschen und entblössen

Das stellt die Weichen für die Entwicklung des Klassenkampfes. Denn in der Krise hat eine Regierung genau zwei Optionen: Entweder sie verteidigt die Interessen der Bourgeoisie und greift die Arbeiterklasse an – oder umgekehrt. Beides geht nicht. 

Es steht ausser Frage, auf welcher Seite Trump steht. Er verteidigt die Interessen seiner eigenen Klasse. So hat er bereits Steuersenkungen für Grosskonzerne und gleichzeitig heftige Kürzungen bei Gesundheitsausgaben (Medicaid) und im öffentlichen Dienst angekündigt. 

Er hat der Arbeiterklasse zu viel versprochen und wird zu wenig liefern. An diesem Widerspruch wird Trump zerbrechen: Millionen Anhänger werden sich enttäuscht von ihm abwenden. Sie werden offen sein für eine wahre Alternative zum Establishment: eine, die nicht gegen Migranten, sondern gegen das ganze System schiesst. 

Trump selbst drängt zu dieser Einsicht. Er regiert nicht im Namen der «Demokratie» und plündert nicht für «Menschenrechte» – wie die Liberalen – sondern er regiert im Namen von Musk, Bezos und Co. für Rohstoffe, Handelsrouten und Marktanteile. Er reisst den kapitalistischen Institutionen den Schleier runter. 

Gefragt: Spezialisten, keine Quacksalber

Weder die Demokraten noch Trump, was für eine Alternative dann? Eine, die konsequent die Interessen der Arbeiterklasse verteidigt. Eine, die nicht nur von Sozialismus redet wie Sanders, sondern tatsächlich ein sozialistisches Programm verteidigt und Klassenkampf-Massnahmen vorschlägt, um es zu verwirklichen. 

Schon heute existiert ein grosses Verlangen nach dieser Alternative. Die meisten kennen in ihrem Umfeld Leute, die mit Luigi Mangione oder Aaron Bushnell sympathisieren. Speziell in der Jugend herrscht eine explosive Stimmung, in der Trumps Provokationen (gegen Transpersonen, Migranten, Palästinenser etc.) jederzeit Massenproteste entfachen können. 

In dieser Situation können wir heute das Fundament jener Partei aufbauen, nach der die Arbeiterklasse suchen wird. Entscheidend ist, dass wir die richtigen Schlüsse aus dem Aufstieg Trumps, dem Scheitern des Liberalismus und des «kleineren Übels» ziehen. Gefragt sind Spezialisten der revolutionären Politik, keine Quacksalber wie Sanders. Diese verwalten das System, statt mit ihm zu brechen. 

Am Rockzipfel der Liberalen hängend schauen sie panisch und hilflos zu Trump. Völlig zu Recht, denn Trump beschleunigt den Niedergang ihrer Weltordnung. Lassen wir die Liberalen zittern und trauern. Unsere Klasse hat nichts zu verlieren, ausser ihre Ketten. Wir haben eine Welt zu gewinnen.