Über 270 Todesopfer des Gruben“unglücks“ in der westtürkischen Provinz Manisa sind offiziell bereits zu beklagen. Hunderte Kumpel sind noch in der Mine eingesperrt oder verschüttet. Insgesamt 787 Bergleute befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion und anschließendem Brandausbruchs unter Tage. Die Hoffnung, noch Überlebende retten zu können schwindet mehr und mehr.
Entgegen den medialen Berichterstattungen wie der verschleiernden Wortwahl von Premier Recep Tayyip Erdogans bis zum Bergwerksbetreiber Soma Komur eines „tragischen Unfalls“, spricht der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes DISK, Kani Beko, zu recht vielmehr von einem „Massaker“. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbands, Uygur, spricht sogar von „Massenmord“. In der Türkei kommt es aufgrund beständiger Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen, dem vielfachen Einsatz veralteten Arbeitsgeräts und der Privatisierung zahlreicher ehemals staatlicher Bergbaufirmen zur privatkapitalistisch-forcierten Profitmaximierung, immer wieder zu tödlichen Arbeitsunfällen. In Gruben wie jener von Soma sind zudem ganze Ketten von Subunternehmen sowie Leiharbeitsfirmen am Werk, die kaum kontrolliert werden und permanent Sicherheitsstandards mißachten. „Es geht nur um den Gewinn“, so nochmals Kani Beko.
Eine vom AKP-Regime maßgeblich mit entfesselte und gestützte Profitorientierung, die über Leichen geht. So schmetterte die AKP Ende April gerade einen parlamentarischen Antrag zurück, frühere Arbeitsunfälle in Soma durch eine Parlamentskommission untersuchen zu lassen. Dass sich die Erdogan-Regierung einer solchen Untersuchung der vorangegangen Vorkommnisse und Tragödien verweigerte, ist, wie auch bürgerliche Medien zu konstatieren gezwungen sind, „schon deshalb bemerkenswert, weil sich in der Provinz immer wieder Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang ereigneten“. Letzten Oktober etwa gab es in Folge eines Feuers in einer Kohlengrube 21 Verletzte und einen Toten zu beklagen. Nur wenige Monate zuvor, im Juli 2013, kam in der Provinz ebenfalls ein Arbeiter bei einer Explosion unter Tage zu Tode. Und wiederum nur wenige Monate zuvor, im Februar 2013, kam in Soma ein Arbeiter ums Leben, als ein Teil der Grube einstürzte. Allein 2013 ist es im Umfeld der Mine zu fast 5.000 Arbeitsunfällen gekommen. Oder, wie sich Konzern-Chef Alp Gürkan in einem Interview des Vorjahres noch zur Reduktion der Produktionskosten einer Tonne Kohle von 130 auf 24 US-Dollar rühmte: „Wir setzen den Arbeitsstil der Privatwirtschaft um.“
Einer Studie der Universität Kirikkale zufolge kommen in der Türkei „Jahr für Jahr fast 1150 Arbeiter ums Leben“, 41% davon in den Sicherheitsbestimmungen und -kontrollen Hohn spottenden Bergwerken, Steinbrüchen, der Metallindustrie und dem Bauwesen. Und der rigorose Abbau von Arbeiter- und Gewerkschaftsrechten unter Erdogan tat noch das seinige dazu.
Die Türkei hat die ILO-Arbeitsnormen (International Labour Organisation) zwar ratifiziert, aber immer noch nicht umgesetzt. Dazu gehören das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen, auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, auf Kollektivvertragsverhandlungen und dass Vereinigungs- und damit das Gewerkschaftsrecht.
Wohl auch der Grund, warum die AKP-Regierung in Soma gerade die internationalen Bergehilfsangebote abgeschlagen hat – ergäbe sich den internationalen Rettungskräften dabei doch ein Bild der desaströsen Lage.
Ein Bild, das sich, um nur den Blutzoll in den Minen während der Regierungszeit des „neuen Sultans von Ankara“ im Einzelnen fort zu ergänzen, als Profitmaximierung über Leichen nachzeichnen lässt:
- 22.11. 2003: Karaman-Ermenek Gasexplosion: 10 Arbeiter starben.
- 8. 9. 2004: Kastamonu- Küre: 19 Arbeiter starben.
- 2. 6. 2006: Bal?kesir-Dursunbey Gasexplosion: 17 Arbeiter starben.
- 10. 12. 2009: Bursa-Mustafakemalpa?a Gasexplosion: 19 Arbeiter starben.
- 17. 5. 2010: Zonguldak Gasexplosion: 30 Arbeiter starben.
- 8. 1. 2013: Kozlu Gasexplosion: 8 Arbeiter starben….
Die dahingehende „Gesamtbilanz“ der 12jährigen AKP-Regierungszeit: über 14.000 ArbeiterInnen, die bei Arbeitsunfällen zu Tode kamen.
Mit der Grubenkatastrophe im Kohlebergwerk von Soma mündet diese nunmehr im schwersten Gruben-„Massaker“ der türkischen Geschichte.
Die nun zur Schau gestellten Krokodilstränen des Soma-Holding Eigentümers Alp Gürkan wie Regierungschef Recep Tayyip Erdogans, der Bergwerksgesellschaft wie des Energieministeriums, vermögen uns über die wahren Gründe dieses kapitalistischen Blutzolls ebenso wenig hinwegzutäuschen, wie die heuchlerische, verhängte dreitägige Staatstrauer.
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