Alle Augen waren auf das Schiff Madleen gerichtet. Zwölf Zivilisten waren nach Gaza aufgebrochen, um die israelische Blockade zu durchbrechen. Nachdem das Schiff von der israelischen Armee gekapert und die Aktivisten zurückgeschickt worden waren, kam es weltweit zu Solidaritätskundgebungen. Nach Monaten voller Bilder und Videos von Bombardierungen und hungernden Palästinensern spitzt sich die Lage weiter zu.

In den vergangenen Monaten haben wir massive Proteste, Universitätsbesetzungen und Einzelaktionen – wie die Selbstverbrennung von Aaron Bushnell – erlebt. Doch die westlichen Regierungen haben die Bewegung für Palästina schlicht ignoriert oder unterdrückt.

Inzwischen beginnen einige europäische Staats- und Regierungschefs, sich von Netanjahu zu distanzieren. Präsident Macron spricht von einer «inakzeptablen humanitären Tragödie», Grossbritannien und vier weitere Länder haben Sanktionen gegen israelische Minister wegen der Gewalt im Westjordanland verhängt. Selbst in Deutschland, wo weiterhin hart gegen die Palästina-Solidarität vorgegangen wird, hat Kanzler Merz begonnen, Netanjahu für sein Vorgehen in Gaza zu kritisieren.

Doch diese neue Empörung ist nicht das Ergebnis eines plötzlichen moralischen Erwachens. Die westlichen Regierungen und ihre Verbündeten in Washington sind nicht gerade zur Einsicht gekommen, dass Israels Vorgehen «eigentlich wirklich schlimm» ist. Vielmehr wächst ihre Frustration über Netanjahu – nicht wegen des Genozids, sondern wegen der zunehmenden globalen Wut. Während der israelische Premierminister aus Eigeninteresse den Genozid immer weiter eskaliert, wächst im Westen und in den arabischen Staaten die Sorge vor der Empörung der Bevölkerung über Israels Brutalität – und über das Schweigen oder die Komplizenschaft ihrer eigenen Regierungen. Diese Wut kündigt eine soziale Explosion an.

Zynisch und heuchlerisch versuchen die reaktionären Regierungen nun, die Bevölkerung mit Krokodilstränen und leeren Versprechungen zu beschwichtigen. Doch ohne ihre Unterstützung wäre dieser seit 20 Monaten andauernde Genozid gar nicht möglich gewesen. Ein veränderter Tonfall ändert nichts daran, dass der Westen Israel weiterhin mit Geld, Waffen und Rückendeckung versorgt. Oder daran, dass fast alle westlich orientierten arabischen Regime in der Region die Blockade des Gazastreifens mitgetragen haben. Immer mehr Menschen durchschauen diese Heuchelei. Deshalb setzen sie mehr Hoffnung in ein kleines Boot mit zwölf Menschen als in ihre eigenen Regierungen.

Die Schweizer Regierung fällt in dieser Situation besonders negativ auf. In einem Interview weigerte sich Bundesrat Cassis, Israels Vorgehen klar zu verurteilen – stattdessen verwendet er weiterhin die Rechtfertigung der «Gewalt auf beiden Seiten». Seit dem 7. Oktober hat sich die Position der Schweiz keinen Millimeter bewegt. Cassis bestand sogar darauf, dass die Hamas Geiseln freilassen müsse, um die Gewalt zu beenden – obwohl es Netanjahu war, der den Waffenstillstand beendet und die Gewalt wieder aufflammen lassen hatte. Netanjahu kümmert sich weder um die Leben der Geiseln noch der Palästinenser. Und für Cassis gilt dasselbe.

Der Bundesrat verteidigt die Neutralität der Schweiz – die in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet, als ungestört Geschäfte mit allen reaktionären Regimen der Welt machen zu können. Ihre Interessen sind nicht unsere. Die sogenannte «humanitäre Schweiz» bedeutet seit jeher: Profit auf Kosten von Krieg und Tod im Ausland – und Unterdrückung, Sparmassnahmen und Ausbeutung der Arbeiterklasse im Inland.

Die einzigen Verbündeten der Palästinenser sind die Arbeiter weltweit. Um diesem andauernden Genozid ein Ende zu setzen und Palästina zu befreien, brauchen wir eine Revolution gegen die kriegstreiberischen Kapitalisten und ihre reaktionären Regierungen – angefangen bei unserer eigenen.