Die Konflikte im Nahen Osten erfahren grosse Aufmerksamkeit in den bürgerlichen Medien des Westens. Der Bürgerkrieg in Syrien und der Konflikt mit dem Iran um sein Atomprogram stehen dabei im Mittelpunkt. Immer wieder wird von einer möglichen Intervention des Westens in Syrien oder von eventuellen Angriffen Israels oder der USA gegen den Iran gesprochen. Sowohl diese Mutmassungen als auch die Ereignisse in Libyen und anderen Länder des arabischen Frühlings haben die Diskussionen um den Charakter dieser Regime neu aufflammen lassen. Vor allem in der Linken sind vermehrt Stimmen zu vernehmen, welche den arabischen Frühling als eine vom CIA inszenierte Show darstellen, Position für die Terrorregime der Region ergreifen und sie als antiimperialistisch charakterisieren. Dieser Artikel soll mit Schwerpunkt auf die Situation im Iran und Syrien eingehen, dabei den wahren Charakter der Regime und die Rolle des westlichen Imperialismus offenlegen und eine Perspektive für einen unabhängigen Klassenstandpunkt und für die sozialistische Revolution in der Region aufzeigen.
Antiimperialismus als Propagandainstrument
Sowohl im Iran als auch in Syrien ist es in den letzten Jahren zu massiven Aufständen und Massendemonstrationen gekommen. Im Iran gingen 2009 Millionen von Menschen auf die Strasse, um gegen den Wahlbetrug zu protestieren, durch den Ahmadinejad wiedergewählt wurde. Trotz dem brutalen Vorgehen gegen die Massen auf den Strassen, hielten die Proteste über mehrere Monate an. Das Regime konnte sich letztendlich nur durch brutalste Repression und Einschüchterung an der Macht halten. Dass dies jedoch nicht auf Dauer möglich ist, haben die Ereignisse des arabischen Frühlings eindrücklich bewiesen. Es ist kein Zufall, dass seither das Säbelrasseln der iranischen Regierung in der Region, vor allem gegen Israel aber auch gegen die USA stark zugenommen hat. Mit antisemitischen und antiimperialistischen Parolen, versucht Ahmadinejad von den inneren Klassenunterschieden abzulenken und die Bevölkerung unter der äusseren Bedrohung durch die Sunniten (v.a. Saudi Arabien), den Zionismus und den amerikanischen Imperialismus zu einen. Diese Taktik ist bis zu einem gewissen Grad auch erfolgreich. Der Streit um das iranische Atomprogramm hat die Möglichkeit einer imperialistischen Intervention eröffnet und so den Nationalismus im Iran gestärkt. Ahmadinejad kann kein Interesse an einer militärischen Eskalation des Konfliktes haben, heizt ihn aber zu Propagandazwecken bewusst an.
Der Charakter der islamischen Republik
„Nichts eint so gut wie ein gemeinsamer Feind“. Genau diesem Zauber gehen auch viele sogenannte Linke auf den Leim, welche die Regime, aufgrund ihrer Differenzen mit dem westlichen Imperialismus, als Freunde verkennen. Um diese Illusion aufzulösen, muss man einen Blick in die bewegte Geschichte des Irans werfen. Schnell erkennt man, welche Rolle die Herrschaft der Ayatollahs gespielt hat und immer noch spielt.
1979 wurde der Shah von Persien von den ArbeiterInnen Irans gestürzt. Der Shah war ein enger Verbündeter des Westens, welcher während der Invasion der Alliierten in den Iran eingesetzt wurde. Während über 30 Jahren, war er ein Garant der Sicherheit für Investitionen in das ölreiche Land und ein Hort der Stabilität in einer strategisch wichtigen Region. Mit einer starken, vom Westen finanzierten Armee, einem gefürchteten Geheimdienst und Polizeiapparat und einem erbarmungslosen Vorgehen gegen politische Gegner sorgte er dafür, dass sich das Regime 38 Jahre an der Macht halten konnte. Während dieser Zeit wurde das Land stark industrialisiert. Dies führte dazu, dass sich im Iran ein mächtiges Proletariat heranbildete. Diese Millionen von Arbeitern radikalisierten sich, angesichts der unhaltbaren Lebensbedingungen zusehends. Obwohl keine revolutionäre Partei da war, welche die Führung der Arbeiterbewegung einnehmen konnte, war der Organisationsgrad der Arbeiter sehr weit fortgeschritten. Die Macht im Land lag letztendlich in den Händen der Arbeitersowjets und die mächtige Armee des Shahs löste sich auf. In dieser Situation, stellten sich die islamischen Geistlichen an die Spitze der Bewegung. Sie waren zuvor mit dem weltlichen Regime in Konflikt geraten, weil ihr Land von der Regierung enteignet wurde. Mit dem Segen, der stalinistischen Tudeh-Partei, übernahmen nun diese islamistischen Geistlichen, die Führung der iranischen Revolution. Anfangs setzten sie, dem Druck der revolutionären Arbeitermassen ausgesetzt, eine Reihe fortschrittlicher Reformen um. Je sicherer sich das Regime jedoch fühlte und je mehr es seine Macht etablierte, desto klarer zeigte es sein wahres Gesicht. So begann, unter dem Deckmantel „der Verteidigung der Revolution“, die brutale Konterrevolution der Ayatollahs. Die Tudeh-Partei und die Gewerkschaften wurden verboten, zehntausende von KommunistInnen, GewerkschafterInnen und politisierten ArbeiterInnen und Jugendlichen wurden gefoltert und hingerichtet. Die vielversprechende Revolution der ArbeiteiterInnen Irans wurde von den fundamentalistischen Mullahs instrumentalisiert und in ihr Gegenteil verkehrt, in ein zutiefst religiöses, reaktionäres und rückständiges Regime. Dieses Regime zu verteidigen, wäre also nicht nur ein politischer Fehler, sondern eine offene Parteiergreifung für die Schlächter der iranischen Revolution von 1979 und die Mörder an ehrlichen ArbeiterInnen in den Protesten von 2009.
Syrien: Arabischer Sozialismus und CIA Verschwörung?
Im Zuge des Arabischen Frühlings, kam es auch in Syrien zu Massendemonstrationen. Mit äusserster Brutalität versuchte das Regime die Proteste zu unterdrücken. Diese halten jedoch bis heute an und mündeten mittlerweile in einen offenen Bürgerkrieg. Ähnlich wie in Libyen sehen diese Pseudolinken eine CIA-Verschwörung hinter den Aufständen, welche zum Ziel hat, das unliebsame Regime zu stürzen. Diese absurde Position ist Verrat an den tapferen und ehrlichen syrischen RevolutionärInnen, welche grosse Opfer bringen um sich von einem brutalen Regime zu befreien. Dies soll nicht heissen, dass die CIA, der Mossad, wie auch Saudische und Iranische Agenten mit allen Mitteln versuchen, den Ausgang der Ereignisse auf beiden Seiten zu beeinflussen.
Sowohl bei Syrien als auch bei Libyen rührt die Idee, dass es sich bei den Regimen um Antii-mperialistische verbündete der Arbeiter- bewegung handelt bzw. handelte nicht von der antiimperialistischen Rhetorik her, im Gegenteil: Gaddafi und Assad waren beide Verbündete der USA im Krieg gegen den Terror und waren, ähnlich wie Ägypten, sehr gerne bei Folterungen etc. behilflich. Das Argument bei diesen Ländern hängt vielmehr mit der grösstenteils verstaatlichten Wirtschaft und dem relativ hohen Lebensstandard zusammen. In Syrien ist die Baath-Partei seit 1963 an der Macht und seit 1970 in den Händen der Assads. Im Namen des Arabischen Sozialismus wurde der Kapitalismus zwar abgeschafft, die Wirtschaft wurde verstaatlicht, aber es gab von Anfang an keinerlei Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Arbeiterklasse. Es wurde ein Einparteiensystem, nach dem Vorbild der Sowjetunion errichtet, welches vollständig unter der Kontrolle des Assad-Clans war. Anfangs führte die Planwirtschaft zu einem signifikanten Wirtschaftswachstum und der Lebensstandard der Bevölkerung stieg merklich an. Nach dem Niedergang der Sowjetunion, schlug Syrien den „chinesischen“ Weg ein, öffnete das Land für ausländische Investitionen und leitete Privatisierungen ein. Dies hatte zur Folge, dass die sozialen Unterschiede im Land massiv anstiegen, die Armut sich auf breite Bevölkerungsschichten ausbreitete und einige wenige vor allem aus dem Umfeld Assads sich extrem Bereichern konnten. Vor diesem Hintergrund sind die Proteste zu sehen, welche seit über einem Jahr das Land erschüttern.
Vom Klassenkampf zum Hahnenkampf
Die Syrische Bevölkerung legt bei diesen Aufständen eine grosse Tapferkeit an den Tag. Trotz täglichen Ermordungen von Demonstranten, kämpfen sie weiter.
Mittlerweile ist der Konflikt jedoch immer mehr zu einem Bürgerkrieg geworden. Bewaffnete Gruppen des Regimes und Saudische Söldner verrichten auf beiden Seiten Massaker an der Zivilbevölkerung und Spalten Syrien entlang konfessioneller Grenzen. Der Konflikt entwickelt sich je länger je mehr zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den regionalen Grossmächten Saudi Arabien und Iran. Dass der Westen und Israel dabei auf Saudischer Seite stehen, muss nicht weiter erläutert werden.
Sich in dieser Situation auf die eine oder andere Seite zu schlagen, kommt aus marxistischer Perspektive nicht in Frage. Weder ergreifen wir Partei für irgendeine der herrschenden Klassen der Region, noch für die heuchlerische Politik des westlichen Imperialismus, der mit Menschenrechtsgebrabbel und Intrigen versucht seine Interessen in der Region durchzusetzten. Unsere Solidarität gilt allein der unterdrückten Bevölkerung der Region, welche sich in einem stetigen Kampf für Freiheit und soziale Sicherheit befindet. Dabei machen wir keinen Unterschied zwischen den Aufständen in Iran, Syrien oder Israel, welche allesamt die Unzufriedenheit der Menschen mit den herrschenden Klassen und den Lebensbedingungen, die ihnen der Kapitalismus aufbürdet, wiederspiegeln.
Die Verräterische Position einiger sogenannter Linken
In dieser Situation Partei für die Schreckensregime der Region einzunehmen führt zu grossen Verwirrungen in den Massen. Gerade dann, wenn sich die Bevölkerung erhebt und sich mit aller Kraft zu befreien versucht, fallen diese selbsternannten „Antiimperialisten“ ihr in den Rücken und stützen genau das Regime gegen das die Massen kämpfen. Gerade dann, wenn es von zentraler Bedeutung ist, die sozialistischen Ideen unter den Revolutionären zu verbreiten und die Menschen in ihrem Kampf zu unterstützen, werfen sie ihnen vor, Teil einer imperialistischen Verschwörung zu sein. Diese Haltung ist ein offener Verrat am proletarischen Internationalismus und muss aufs schärfste verurteilt werden. Durch den Schulterschluss vieler sogenannter Kommunisten mit den brutalen Regimen Syriens und dem Iran, entsteht ein ernsthafter Schaden für die Autorität sozialistischer Ideen in der Bevölkerung. Wer eine solche Position einnimmt stellt sich offen in den Dienst der nationalen Bourgeoisien. Dies ist mit dem marxistischen Grundsatz der Internationalen Solidarität unvereinbar.
Für einen unabhängigen Klassenstandpunkt
Die aussichtslos scheinende Situation im Nahen Osten ist im Rahmen des Kapitalismus nicht zu lösen. Nur wenn die Bevölkerung den konsequenten Kampf gegen die herrschende Klasse in ihren Ländern aufnimmt und sich Länderübergreifend gegen die Kriegstreiber und Ausbeuter verbrüdert, kann das unnötige Leid beseitigt werden und der Nahe Osten sich befreien.
So ist die genuine marxistische Position im Nahen Osten, die der Verbrüderung der Unterdrückten zum Sturz der Bourgeoisie und zur Errichtung einer sozialistischen arabischen Föderation.
Dass dabei eine Imperialistische Intervention des Westens keine Hilfe ist muss nochmals klar betont werden. Ein Eingreifen Israels oder der NATO würde nur dazu dienen die Revolutionen zu stoppen und eine Marionetten-Regierung des Westens einzusetzen. Eine Solche wäre keine Befreiung sondern eine Unterjochung der Menschen unter die Ausbeutung des westlichen Imperialismus, und hätte fatale Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung.
Die Marxistische Parole ist deshalb:
Nein zu einer imperialistischen Intervention im Nahen Osten!
Nieder mit den Schreckensregimen!
Für die Vereinigte Sozialistische Föderation des Nahen Osten!
Florian Eschmann, JUSO Basel-Stadt
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