Zur Erleichterung der herrschenden Klasse wurde Rishi Sunak zum neuen Premierminister Grossbritanniens ernannt. Der neue Vorsitzende der Tories versprach ‚Stabilität‘ auf der Basis einer strengen Austeritätspolitik. Viel eher stehen uns jedoch revolutionäre Explosionen bevor. Original auf Englisch (socialist.net).
Im britischen Regierungssitz wechseln die Bewohner schnell. Heute ist bereits der dritte Bewohner in weniger als drei Monaten eingezogen. Und der Fünfte in etwas mehr als sechs Jahren. Sunak löst Liz Truss ab, welche in die Geschichtsbücher eingeht als die am kürzesten lebende Premierministerin Grossbritanniens.
Die herrschende Klasse und die Bosse werden erleichtert aufatmen. Nachdem sie jahrelang mit unzuverlässigen, egoistischen Phrasendreschern wie Boris Johnson und Liz Truss zu kämpfen hatten, haben sie nun endlich ihren Mann in Nummer 10. Es eine Regierung der Reichen, für die Reichen und durch die Reichen sein.
Rishi Sunak steht nun vor der Herausforderung, das Unmögliche zu schaffen: eine zutiefst zerstrittene Partei zu vereinen und zu retten. Gleichzeitig muss er das unpopulärste Wirtschaftsprogramm seit Jahrzehnten durchzusetzen, um die finanzielle Glaubwürdigkeit Grossbritanniens wiederherzustellen.
Dank der chaotischen Handlungen seiner Vorgängerin ist das Schlamassel nun aber um einiges grösser als bei Truss’ Amtsantritt vor wenigen Wochen. Sie hatte Panik auf den Märkten ausgelöst, was das britische Pfund abstürzen und die Kreditkosten der Regierung in die Höhe schnellen liess. Nun klafft in den öffentlichen Finanzen ein Loch von schätzungsweise 40 Milliarden Pfund.
Rishi Sunak und Jeremy Hunt, welcher sehr wahrscheinlich Finanzminister bleiben wird, haben bereits angedeutet, dass sie die Bücher mit harten Sparmassnahmen und Angriffen ausgleichen wollen. Die Ausgaben werden auf breiter Front gekürzt.
Hunt hat bereits bestätigt, dass das Energiepaket der Regierung zurückgefahren wird. Sozialhilfeempfänger werden wahrscheinlich die Nächsten in der Schusslinie sein, indem die Leistungen nur im Einklang mit den Löhnen steigen soll, nicht mit den Lebenshaltungskosten. Und selbst die heiligen Kühe, wie die automatische Erhöhung der Renten mit der Teuerung, sind angesichts der Härte der Sparmassnahmen nicht mehr sicher.
Die Folgen werden schwerwiegend und tödlich sein. Das britische Gesundheitssystem steht bereits kurz vor dem Zusammenbruch. Es gibt eine lange Warteliste mit Millionen von Menschen darauf. Und Beschäftigte im gesamten öffentlichen Sektor laufen nach jahrelangen Lohnkürzungen scharenweise davon – was durch die ungezügelte Inflation und steigende Rechnungen noch schlimmer wird.
All dies wird Millionen in ganz Grossbritannien unerträglichen Schmerz und Elend bereiten. Nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch Mittelschichten werden unter Druck gesetzt, da die Zinssätze steigen, was die Rückzahlung von Hypotheken für Hausbesitzer in die Höhe treibt und verschuldete Kleinunternehmen in den Bankrott treibt.
Diese stellten einst eine verlässliche Wählerbasis für die Tories dar. Nun schneidet die Partei in den Umfragen schlecht ab. Einige Umfragen beziffern den Abstand zwischen Labour und den Tories auf bis zu 39 Prozentpunkte.
Angesichts des drohenden Misserfolgs bei den Wahlen und dem Bestreben, ihre eigene Haut zu retten, werden viele Tory-Abgeordnete wahrscheinlich gegen die von Sunak vorgeschlagenen Sparmassnahmen rebellieren.
Ein grosser Teil der Tories ist bereits gegen Sunak. Die Perspektive einer härteren Budgetdisziplin und Einsparungen wird die rebellischen Stimmungen und Spaltungen innerhalb der Partei nur noch verstärken.
Die herrschende Klasse wird daher von nicht die gewünschte Stabilität erhalten. Stattdessen ist der britische Kapitalismus auf dem besten Weg in noch gefährlichere Gewässer einzudringen.
Alle Versuche, das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, werden zu Funken für weitere politische und soziale Explosionen – nicht nur innerhalb der Tories, sondern vor allem in der Arbeiterbewegung.
Sunaks Sparprogramm folgt auf zwölf Jahre von Angriffen auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen; dies zu einer Zeit, in der die Gewerkschaften bereits mobil machen, die Arbeiterklasse erwacht und ihre Muskeln spielen lässt. In den letzten Monaten gab es eine wachsende Welle industrieller Militanz – am bemerkenswertesten mit den Eisenbahn- und Poststreiks der RMT bzw. der CWU.
Es ist bereits zu einer Verbindung der Kämpfe gekommen. Am 1. Oktober sahen wir gemeinsame Proteste und Streikposten. Und am jüngsten Gewerkschaftskongress wurde zu weiteren gemeinsamen Streiks und Kämpfen aufgerufen.
Die Bühne ist also bereit für einen Winter der Unzufriedenheit; eine scharfe Konfrontation zwischen dieser jüngsten Tory-Regierung und der Arbeiterklasse.
Grossbritannien steuert auf eine revolutionäre Epoche zu. Die Ideen von Klassenkampf und Sozialismus stehen wieder auf der Tagesordnung. Was wir brauchen, ist eine Massenkampagne, um alle Tories rauszuschmeissen – mit dem gesamten verfaulten kapitalistischen System, welches sie verteidigen.
Alle Bedingungen für eine Revolution reifen heran. Die herrschende Klasse ist gespalten. Die Mittelklassen sind in Gärung. Die Arbeiterklasse ist in Bewegung und sucht nach einem Weg aus der Sackgasse des Kapitalismus.
Was fehlt, ist der vierte – und entscheidendste – Faktor: der einer revolutionären Führung, welche den Arbeitenden und Jugendlichen den Weg nach vorn weisen kann.
Die Aufgabe, eine solche Führung aufzubauen, liegt bei uns. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Socialist Appeal, Britische Sektion der IMT, 25.10.2022
Quelle Bild: https://www.flickr.com/photos/number10gov/51860103006
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