Am 12. Mai, kaum mehr als einen Monat nachdem Trump massive Zölle auf China verhängt hatte, wurde ein Waffenstillstand im Handelskrieg zwischen den USA und China erklärt. Die lähmenden Zölle, die die Wirtschaften beider Länder mehr oder weniger voneinander abgeschottet haben, wurden für 90 Tage ausgesetzt.
Wie kam es so plötzlich dazu? Laut Trumps Team fanden die Verhandlungen in freundlicher und optimistischer Atmosphäre statt. Aber worüber wurde man sich wirklich einig? Was hat sich verändert, dass die Zölle gerade jetzt pausiert werden können? China und die USA konnten sich offenbar nur darüber einigen, dass die Gespräche weitergehen sollen.
Trump hat also den spektakulärsten Handelskrieg der Weltgeschichte begonnen, als Druckmittel, um China zu zwingen… mit ihm zu reden – wozu China ohnehin immer bereit war. Trotz der Rücknahme der enorm hohen Zölle hat China keinerlei Zugeständnisse gemacht. Es scheint, als wären wir wieder am Ausgangspunkt.
In Wahrheit hat sich die Situation aber verändert, weil diese kurze Konfrontation einiges offenbart hat. Sie hat gezeigt, dass China – im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern – bereit war, zurückzuschlagen und sehr hart zu verhandeln, und dafür offenbar belohnt wurde.
Ohne es zuvor mit Verhandlungen zu versuchen hatte Trump einen äusserst ambitionierten und aggressiven Handelskrieg mit China und der Welt begonnen. Jetzt hat er sich zurückgezogen, ohne seinem Hauptgegner China irgendetwas abgerungen zu haben. Damit hat er der Welt Amerikas Schwächen gezeigt, noch bevor Verhandlungen begannen. Es wurde offensichtlich, dass die US-Wirtschaft in einem Handelskrieg stark leiden würde und dass die Regierung Angst vor den Konsequenzen hat.
Das ist unglaublich bedeutsam, weil Trump, in fast allen Fällen, seine Zölle lediglich für 90 Tage pausiert hat. Das setzt seine Regierung unter enormen Druck, in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl an Handelsabkommen zu verhandeln. Handelsabkommen sind typischerweise sehr komplex und schwer abzuschliessen, da jedes Land Sonderinteressen (Autobauer, Reisbauern usw.) hat, die berücksichtigt werden müssen, sowie strategische Interessen, die zu verteidigen sind.
Indem er riesige Zölle verhängt um sie rasch wieder zurückziehen – wie er es schon mehrfach getan hat – ist er wie der Junge, der ständig vor dem Wolf warnt. Seine Drohungen wirken zunehmend unglaubwürdig, besonders nachdem China gezeigt hat, dass er zum Rückzug gezwungen werden kann.
Reuters schreibt dazu:
Japans oberster Handelsdiplomat, Ryosei Akazawa, sagte am Dienstag, es habe sich nichts an Tokios Haltung geändert, in bilateralen Handelsgesprächen eine Abschaffung der US-Zölle zu fordern. „Tokio wird nicht überstürzt ein Handelsabkommen abschliessen, wenn dies die Interessen des Landes gefährden würde“, sagte er. „Die Vielzahl an US-Zöllen, einschliesslich den „gegenseitigen Zöllen“ sowie solche auf Autos, Autoteile, Stahl und Aluminium, sind bedauerlich. Unsere Haltung bleibt unverändert: Wir fordern eine Überprüfung, das heisst eine Abschaffung dieser Zölle“, sagte Akazawa auf einer regulären Pressekonferenz.
Japan ist ein enger US-Verbündeter und stand Berichten zufolge „zuvorderst in der Warteschlange“ für ein Handelsabkommen, das es schnell abschliessen wollte. Nun scheint Japan weniger in Eile zu sein und beharrt auf seinen Forderungen. Es hat erkannt, dass Trump ein Abkommen dringender braucht als sie.
Bloomberg bringt es auf den Punkt: „Chinas harte Haltung bei den Verhandlungen über einen Zoll-Waffenstillstand mit den USA hat einige Länder überzeugt, in ihren eigenen Handelsgesprächen mit der Trump-Regierung eine härtere Linie zu fahren… Viele Länder werden das Ergebnis der Genfer Verhandlungen [mit China] betrachten und zu dem Schluss kommen, dass Trump langsam erkennt, dass er den Bogen überspannt hat.“
Interessanterweise kündigte Trumps Regierung zwischenzeitlich noch einen 50-Prozent-Zoll auf EU-Waren an und behauptete, die EU ziehe die Verhandlungen in die Länge. Doch auch dieser Zoll wurde – wie alle anderen – nach wenigen Tagen pausiert. Der Grund für die Pause scheint ein „sehr nettes Telefonat“ mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gewesen zu sein. Zugeständnisse der EU scheinen keine erreicht worden zu sein.
Wie Bloomberg feststellt, hat China Trumps Bluff aufgedeckt und die Entschlossenheit anderer Länder gestärkt. Darüber hinaus verschwendet China keine Zeit und nutzt alle sich dadurch bietenden handels-, diplomatischen und politischen Möglichkeiten. Trumps Handelskrieg hat Xi Jinping die Gelegenheit gegeben, sich als vernünftig, als Inbegriff von Stabilität und Fairness in zutiefst instabilen Zeiten zu präsentieren.
Offensichtlich ist die Epoche der von den USA geförderten „Globalisierung“ ist endgültig vorbei. Doch der globale Handel wird nicht verschwinden oder in den Zustand von vor 35 Jahren zurückkehren. Das wird beweisen durch Trumps Unfähigkeit, seine eigenen Zölle zu ertragen. Die Weltwirtschaft ist zu stark integriert und voneinander abhängig.
Die Schlussfolgerung, die viele Länder ziehen werden, ist daher, ihre Risiken zu reduzieren und sich teilweise von den USA abzuwenden. Überall auf der Welt kommen Unternehmen zu diesem Schluss – sie müssen diversifizieren, der US-Markt ist nicht mehr sicher.
Neben dem selbstverschuldeten Druck, innerhalb von 90 Tagen Dutzende Handelsabkommen abzuschliessen, steht Trump auch im Inland unter erheblichem Druck. Die US-Regierung sitzt auf einem kolossalen Schuldenberg, dessen Tragfähigkeit davon abhängt, dass der US-Dollar die Weltreservewährung bleibt. Neben dem Umstand, dass sein Handelskrieg die Märkte verunsichert und das Vertrauen in den Dollar untergräbt, hat der Kongress gerade seinen „Big Beautiful Bill“ mit Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen verabschiedet, der die Staatsschulden Schätzungen zufolge um weitere 5,2 Billionen Dollar erhöhen wird! Kein Wunder, dass der Dollar weiter an Wert verliert und es für die USA plötzlich teurer wird, sich Geld zu leihen.
China ist zwar in diesem Handelskrieg die stärkere Partei, hat aber viele eigene Probleme. Es ist weiterhin stark von der US-Wirtschaft abhängig, nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch für Importe bestimmter Schlüsseltechnologien und -chemikalien. Seine Charmeoffensive gegenüber dem Rest der Welt hängt davon ab, den Zugang zum US-Markt zu behalten. Wenn China diesen verliert, müsste es diese Exporte auf andere Märkte umlenken, was dort für Chaos sorgen würde, da sie mit billigen chinesischen Waren überschwemmt würden – und so würde Chinas mühsam aufgebaute Einflussnahme untergraben.
Trumps erratisches Verhalten in diesem Handelskrieg spiegelt auf besondere Weise die Krise wider, in der sich der Weltkapitalismus befindet. Der Kuchen beginnt zu schrumpfen, und jeder kämpft verzweifelt darum, sein eigenes Stück zu behalten – auf Kosten aller anderen. Das ganze System steckt in einer Sackgasse.
Es könnte nicht klarer sein: Der Kapitalismus hat nichts zu bieten ausser Wirtschaftskrisen und weiteren Kriegen – sowohl echten als auch wirtschaftlichen.
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