PODEMOS hatte am 31. Januar zu einer Demonstration in Madrid als Auftakt einer Kampagne für einen Sieg bei der Wahl in Spanien Ende des Jahres aufgerufen und hunderttausende folgten diesem Aufruf. Die Massendemonstration fand direkt nach dem Sieg der SYRIZA in Griechenland statt und spiegelt sowohl die tiefe Wut von Millionen von arbeitenden Menschen gegen die kapitalistische Kürzungspolitik als auch die Hoffnung, dass diese beendet werden kann, wider.
Die TeilnehmerInnen kamen mit Bussen, Fahrgemeinschaften und öffentlichen Verkehrsmitteln aus allen Teilen Spaniens, um ihre Unterstützung für die erst ein Jahr alte Partei und die Ablehnung der von der regierenden rechten Volkspartei PP (und davor von der sozialdemokratischen PSOE) betriebenen brutalen Kürzungspolitik zu bekunden.
Nach Angaben der Polizei nahmen 100.000 Menschen an der Demonstration teil, die OrganisatorInnen sprachen von 300.000. Wie auch immer die genauen Zahlen waren, es handelte sich um eine riesige Menschenmenge. Die gesamte Demonstrationsstrecke (von Cibeles bis zum symbolträchtigen Puerta del Sol) war schon voller Menschen als der Marsch sich in Bewegung setzte.
An der Spitze des „Marsches für Veränderung“ befand sich ein Banner, das nicht von den PODEMOS-Führern getragen wurde, sondern von unbekannten TeilnehmerInnen, auf dem stand: „Jetzt ist die Zeit“. Obwohl die OrganisatorInnen sich entschlossen hatten, keine besondere Parolen oder Forderungen vorzugeben, brachten die Menschen ihre eigenen mit. Die gesamten Kämpfe der letzten Zeit fanden sich in ihnen wieder: gegen die Kürzungen im Bildungsbereich, gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens, die Kampagne gegen die Zwangsräumungen usw. Hepatitis-C-PatientInnen, die für das Recht auf Behandlung mit den neuesten Medikamenten, von denen die Regierung sagt sie seien „zu teuer“, kämpfen, waren ebenfalls anwesend.
SYRIZAS Sieg in Griechenland hat einen deutlichen Einfluss auf Spanien, weil die Menschen diesen hier als Möglichkeit sehen, um mit der brutalen kapitalistischen Sparpolitik der letzten Jahre zu brechen. Dies zeigte sich auch an den vielen griechischen Flaggen, welche die DemonstrantInnen mit sich führten.
Auch die grosse Zahl der republikanischen Flaggen war bedeutungsvoll. Die PODEMOS-Führung ist in der Frage der Abschaffung der Monarchie bisher stets sehr vorsichtig gewesen und hat sich darauf beschränkt, zu erklären, dass ein neuer verfassungsgebender Prozess die Frage des Staatsoberhaupts entscheiden solle. Aber es ist klar, dass die Ablehnung aller Institutionen der bürgerlichen Demokratie, die am Ende der Franco-Diktatur errichtet wurden, auch die Monarchie betrifft, deren Ansehen durch die Korruptionsskandale, in die sie momentan verwickelt ist, stark beschädigt wurde. Wenn wir die Stimmung unter den DemonstrantInnen bewerten, dann ist das vorsichtige Herangehen der PODEMOS-Führer unbegründet.
Ein alter spanischer Genosse, der am revolutionären Kampf gegen die Franco-Diktatur teilnahm, beschreibt die Stimmung so: “ Heute morgen hat die riesige Menschenmenge, die dem Aufruf von PODEMOS folgte, Madrid übernommen. Transparente aus dem ganzen Land mit verschiedenen Forderungen und Parolen, hunderte von republikanischen Fahnen, ganze Familien, ein Gefühl sich mit den Zielen der DemonstrantInnen, die T-Shirts, Aufkleber usw. tragen, zu identifizieren. Das dominierende Gefühl ist das der Hoffnung und des Vertrauens in unsere eigene Stärke, zusammengefasst in der Parole ‚Ja, wir können es‘. Dies war die heutige Stimmung in Madrid.
Die Ereignisse, deren Zeuge wir jetzt werden, sind wirklich beeindruckend. Es gibt einen deutlichen Stimmungswandel. 300.000 Menschen sollen teilgenommen haben. Trotz der Vorgehensweise der Führung, hatten die Forderungen und Parolen der Teilnehmer einen klaren Klassenstandpunkt. Die traditionellen Kampflieder unserer Klasse werden wieder zum Leben erweckt. Das war bewegend.“
Das war keine Bewegung allein der Jugend, sondern eine riesige Demonstration der Stärke von normalen arbeitenden Menschen, welche die Nase voll hatten. Die Demonstration war auch eine Antwort auf die hysterischen Angriffskampagnen der kapitalistischen Medien gegen PODEMOS und deren Führung. Monatelang wurden sie beschuldigt, Verbindung zum ETA-Terrorismus zu haben, „Castro-Chavistas“ oder durch den Iran finanziert worden zu sein. Eine ganze Serie falscher Beschuldigungen, eine schlimmer als die andere, wurden gegen die Bewegung lanciert.
Keine war jedoch wirkungsvoll und PODEMOS führt momentan bei den Meinungsumfragen. PODEMOS-Führer Íñigo Errejón sagte: „Dieser Marsch beginnt in Cibeles und endet in La Mocloa“ (dem offiziellen Sitz des Premierministers). Die Stimmung ist gegenwärtig, dass die Menschen einen Wahlsieg von PODEMOS nicht nur als Beendigung der Kürzungspolitik, sondern als die des gesamten Regimes von 1978 betrachten. Viele trugen Schilder, auf denen “tick-tack” zu lesen war, um das Ende der PP-Regierung einzuläuten.
Der spanische Premierminister Rajoy ist durch den Einfluss der Ereignisse in Griechenland gewiss beunruhigt. Spanien ist der stärkste Gegner jeglicher EU-Zugeständnisse an die griechische Regierung. Jeder Hinweis darauf, dass eine andere Politik als die der brutalen Kürzungen möglich wäre, würde jegliche bestehende Legitimität, die Rajoy noch hätte, zerstören und könnte sogar den Sturz seiner Regierung herbeiführen.
Dies war der Beginn eines Jahres voller Wahlen in Spanien. Im März gibt es Kommunalwahlen in Andalusien, wo die PSOE in einer diskreditierten Koalition mit der Vereinten Linken (IU) regiert, die auch gleichermassen verantwortlich für die Kürzungen gemacht wird. Im Mai folgen weitere Kommunal- und Regionalwahlen. Der Volkspartei und anderen rechten BürgermeisterInnen in den wichtigsten Städten und Regionen drohen Niederlagen, in einigen Fällen von einer breiten Koalition aus Linken und Kritikern der Sparpolitik. Im September kommt es in Katalonien zu vorgezogenen Wahlen. Und schliesslich werden spätestens im November landesweite Wahlen stattfinden.
Die riesige Demonstration am 31. Januar in Madrid offenbart nicht nur die tief sitzende Massenopposition gegen die Kürzungspolitik, sondern auch deren Ende durch die Niederlage der PP bei den Wahlen. Die Massen haben gesagt: „Genug“. Durch ihre eigen Erfahrungen im Kampf und bei den Wahlen werden sie schrittweise verstehen, dass es einen Widerspruch zwischen ihren grundlegenden Sehnsüchten (nach Bildung, Gesundheitsfürsorge, Wohnungen, Arbeit) und der Weiterführung des krisengeschüttelten Kapitalismus gibt.
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