In Deutschland wird im Herbst der Bundestag neu gewählt. Dabei stellt sich die grosse Frage, wer aus der Krise herausführen soll. Die alten komfortablen Mehrheiten gehören jedoch der Vergangenheit an.

Zu Beginn der Pandemie galt Deutschland als Musterschüler. Die Umfragewerte der regierenden CDU schnellten in die Höhe. Doch mittlerweile hat die zweite und dritte Welle hart eingeschlagen und der Wind hat sich gedreht. Die aktuelle deutsche Coronapolitik ist das reinste Chaos. Zudem wird das Vertrauen in die Regierung durch Korruptionsskandale rund um die Beschaffung der Masken erschüttert.

Die Stabilität ist Vergangenheit

Seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 galt Deutschland als relativer Hort der politischen Stabilität. Über Jahrzehnte konnte sich die herrschende Klasse auf ihre traditionellen bürgerlichen Parteien verlassen. Die CDU galt lange als die grösste, stabilste und einflussreichste Partei Europas. Möglich war dies dank dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit und der Integration der Arbeiterbewegung in den Staat und das System.
In den vergangen dreissig Jahren wurde in Deutschland jedoch der grösste Niedriglohnsektor Europas geschaffen. Im gleichen Masse, wie sich die Kapitalisten bereicherten, wuchs die Armut und das Elend der Arbeiterklasse. Diese erduldete einen Angriff nach dem andern, während unter der Oberfläche ihr Unmut wuchs. Spätestens bei den Bundestagswahlen von 2017 kam dieser zum Vorschein, als die Wähleranteile der CDU/CSU (32,9%) und SPD (20,5%) negative Rekorde verzeichneten.
Die Coronapandemie traf dann als zusätzlicher Schock auf. Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession (BIP -5%), ein lang anhaltender Aufschwung ist ausgeschlossen und ein nur zaghaftes Wirtschaftswachstum wird kein Problem lösen. Einkommensverluste durch Kurzarbeit, Arbeitsplatzverlust, Nullrunden oder Lohnsenkungen bringen die Massen an den Rand der Verzweiflung.

Im Vorfeld der Wahlen

Im Hinblick auf die Bundestagswahlen im Herbst versuchen die Parteien das Blaue vom Himmel zu versprechen, um kein Öl ins Feuer zu giessen. Doch in der CDU wird darüber heftig gestritten. Am Parteitag im Januar scheiterte der reaktionäre Hardliner Merz, welcher bis vor kurzem Verwaltungsratspräsident von Blackrock Deutschland war, in der Wahl für den Parteivorsitz nur knapp. Er steht für einen harten und offenen Angriff auf die Arbeiterklasse und will mit konservativer Polemik verlorene Wähleranteile zurückgewinnen. Der neue Vorsitzende Laschet will Merkels Stil fortführen und die Interessen des Kapitals subtiler befriedigen. Die Kapitalisten versuchen aber verzweifelt ihre Profite zu retten und pochen auf Kürzungen der Sozialleistungen und auf harte Angriffe auf die Arbeitsbedingungen.
Eine wirkliche Opposition dagegen ist nicht vorhanden. Die SPD, einst der grosse Stolz der internationalen Arbeiterbewegung, kann die Massen schon lange nicht mehr mobilisieren. Viel zu sehr biederte sie sich als Juniorpartner der CDU in der Regierung an oder setzte, wie mit der Regierung Schröder, die Angriffe gleich selbst um. Die Partei DIE LINKE hat es nie geschafft, vom Niedergang der SPD wirklich zu profitieren und kopiert konstant deren Fehler.
Einzig die Grünen konnten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewinnen. Sie profitieren von der Klimabewegung. Aber hinter dem grünen Mantel versteckt sich eine vollauf bürgerliche, liberale Partei. Wenn die Grünen sich aber an einer Regierungskoalition beteiligen, werden sie die Massen schwer enttäuschen.

Turbulente Zeiten stehen an

Bei den Bundestagswahlen wird es keine komfortablen Mehrheiten geben und die Regierungsbildung wird sich wohl noch schwieriger gestalten als schon 2017. Doch welche Koalition auch immer entstehen wird, auf ihrem Programm werden harte Sparmassnahmen und Angriffe auf die Arbeiterklasse stehen. Die Situation der lohnabhängigen Massen wird sich dadurch verschlimmern und die Stimmung weiter anheizen. Früher oder später wird ihre Wut einen politischen Ausdruck finden und die politische Landschaft erschüttern.
Für die Arbeiterklasse wird es nicht leicht, mit alten Gewohnheiten und reformistischen Illusionen zu brechen. Sie wird aber eine Krise im Dauerzustand erleben. Schlussendlich bestimmt das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein. In solchen stürmischen Zeiten kann und wird das Bewusstsein grosse Sprünge machen. Frische, unerfahrene Schichten der Arbeiterklasse werden in den Kampf treten. Sie werden zu kollektiver Gegenwehr und zum Kampf gezwungen sein und an die Traditionen grosser Klassenkämpfe vor einem Jahrhundert anknüpfen.

Jan F.
Syndicom Basel
01.06.2021

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