Im April wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt. Heute ist noch nicht einmal klar, welche Kandidaten sich für die zweite Runde qualifizieren werden. Diese Unsicherheit ist ein Ausdruck der tiefen Krise der bürgerlichen Demokratie in Frankreich.
Jahrzehntelang war die Auswahl des französischen Präsidenten klar: entweder ein Kandidat der traditionellen rechten Parteien (wie UMP) oder ein Kandidat der Sozialistischen Partei (PS). Diese Parteien haben sich jede Amtszeit abgewechselt – und haben abwechselnd Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse ausgeführt. Denn die Hauptaufgabe der Regierungen in Frankreich ist es, die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs zu verbessern. Dies lässt sich in der allgemeinen Krise des Kapitalismus im Falle Frankreich aber nur durch direkte Angriffe auf die Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen durchführen. Chirac und Sarkozy führten Konterreformen, Sparmassnahmen und Privatisierungen durch. Hollande setzte den Kurs ihrer Vorgänger fort, wobei vor allem das erste Arbeitsgesetz (2016) einen wichtigen Schritt in der Offensive gegen die Arbeitsbedingungen darstellt. Macron legte nochmals eine Schippe drauf.
Diese Angriffe wurden von der Arbeiterklasse natürlich nicht einfach akzeptiert. Angesichts von Streiks und Demonstrationen (wie auch die Gilets Jaunes) mussten einige Angriffe zurückgenommen werden. Diese wurden jedoch einfach zu einen späteren Zeitpunkt wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Ob Hollande (PS) oder Macron, beide Regierungen haben fette Angriffe ausgeführt. Darum wenden sich Teile der Arbeiterklasse genau von diesen traditionellen Parteien ab und suchen Alternativen. Die zwei traditionellen Parteien brachen schon 2017 völlig ein.
Doch heute steht die Polarisierung nochmals einen Schritt weiter vorne. Dies zeigt sich einerseits an den mickrigen Aussichten für die Kandidatin der PS, welche um die drei % schwirrt. Aber es zeigt sich auch durch den Erfolg von rechtsextremen Kandidaten wie Le Pen (auch schon in 2017) und heute neu Zemmour. Diese ziehen mit ihrer Hetze gegen die Muslimen die reaktionärsten Schichten der Bevölkerung hinter sich und scheinen eine Alternative zum Status quo zu sein. Der jetzige Präsident Macron steht bei den Umfragen bis jetzt noch klar vorne. Jedoch holen andere rechte Kandidaten auf. Und sehr zum Unmut der französischen Bourgeoisie gefährden diese nur weiter die Stabilität des französischen Regimes. Die Zersplitterung der rechten Parteien ist ein Ausdruck der tiefen Krise der bürgerlichen Demokratie in Frankreich.
Der Wahlkampf scheint sich hauptsächlich auf der rechten Seite abzuspielen. Die linken Kandidaten zusammen sind bei knapp einem Viertel aller Stimmen in den aktuellen Umfragen. Doch wir dürfen uns nicht von den oberflächlichen Phänomenen täuschen lassen. Das ist in erster Linie ein Ausdruck der Tatsache, dass auf der linken Seite keine überzeugende Alternative angeboten wird. Ein sehr grosser Teil der Bevölkerung hat sich noch nicht entschieden, für wen sie stimmen werden – noch mehr als in 2017. Und diese Teile fallen entweder nicht auf die grossen Klappen der Rechtsextremen rein, oder sie haben kein Vertrauen in die traditionellen Kandidaten, ihre Bedingungen verbessern zu können.
Der einzige Kandidat in Frankreich, welcher heute in der Position wäre, die Rechte zu schlagen, ist Jean-Luc Mélenchon. Dies weil sich die Polarisierung eben auch auf linker Seite abspielt. Die Jugend und die Arbeiterklasse haben keine Lust auf Lauwarmes wie die PS oder die Grünen. Und Mélenchons France Insoumise stellt den Bruch mit dieser PS-Politik dar. Ihr Programm ist klar linker als jenes der PS und der Grünen. Schon 2017 konnte Mélenchon Erfolge erzielen, weil seine Kandidatur bei einer grossen Schicht Hoffnung auf einen Bruch mit dem Establishment geschaffen hat.
Heute wäre das Potential dafür objektiv noch grösser als in 2017, weil der Unmut mit den traditionellen Parteien und der bürgerlichen Politik noch mehr gewachsen ist. Dieses Potential zu nützen, hängt aber von der Kampagne ab. Und bei dieser ist Mélenchon klar in die falsche Richtung gegangen. Er setzt auf moderateren Diskurs und Allianzen mit der PS und den Grünen bei Lokalwahlen. Dies hat breite Schichten der Jugend und der Arbeiterklasse enttäuscht, welche sich einen Bruch mit dem Status Quo wünschen und nicht mehr vom gleichen Quark. Dies zeigt sich auch darin, dass es die jungen Menschen und Wähler sind, welche am nächsten bei France Insoumise sind, die sich enthalten. Wobei 80% angeben, dass es nicht an Desinteresse liegt, sondern weil sie die Auswahl ungenügend finden.
Wir unterstützen Mélenchons Kandidatur gegen die reaktionäre Rechte und alles, was im Programm der France Insoumise in die richtige Richtung geht. Doch wir sagen ganz klar: Nur mit einem Programm, welches konsequent mit dem Kapitalismus bricht, können diese Schichten gewonnen werden. Nur so können wir konsequent die Rechten besiegen und die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse verbessern.
Sereina Weber
VPOD Genf
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