Am Dienstag, den 28. März, fand ein weiterer Aktionstag statt, gegen die faule und verkommene Macron-Regierung, die letzte Woche eine Erhöhung des Renteneintrittsalters durchgesetzt hatte. Unsere französischen Genossen von Révolution ziehen eine Bilanz (veröffentlicht am 29. März) der letzten Mobilisierung und weisen den Weg für die Zukunft.

Der gestrige Aktionstag gegen die Rentenreform war voller Lehren. Hier sind einige davon:

1.

Mit über 2 Millionen Menschen, die landesweit auf der Straße waren, ist die Mobilisierung immer noch sehr stark, vor allem wenn man bedenkt, dass es der zehnte Aktionstag seit dem 19. Januar war. Zum Vergleich: Die CGT (Französischer Gewerkschaftsbund) beanspruchte die gleiche Anzahl von Demonstranten während des 10. Aktionstags der sehr kraftvollen sozialen Bewegung im Herbst 2010.

Diese enormen Reserven an Wut und Kampfbereitschaft verängstigen die herrschende Klasse. Mit kämpferischerer Strategie und Slogans könnten die Führer der Gewerkschaftsbewegung diese Reserven voll mobilisieren und der Regierung eine bedeutende Niederlage beibringen, sie gar stürzen. Stattdessen beschränkt sich die „intersyndikale“ Koalition der Gewerkschaften darauf, für den 6. April, neun Tage nach dem 10. Aktionstag, einen weiteren auszurufen.

Diese Strategie ist offensichtlich kontraproduktiv. Welche Botschaft wird an die Arbeiter gesendet, die sich derzeit an unbefristeten Streiks beteiligen? Sollen sie bis zum 6. April im Streik bleiben? Die Pressemitteilung der Gewerkschaftskoalition geht mit keinem Wort auf die unbefristeten Streiks ein. Sie unterstützt lediglich „die Streiks, die seit Januar andauern“. Aber nur die Vertiefung und Ausweitung der unbefristeten Streiks kann die Regierung zum Einlenken zwingen.

Fakt ist, dass die Führer der Gewerkschaftskoaliton mindestens genauso verängstigt sind wie die herrschende Klasse. In ihrer Pressemitteilung vom 29.03. beklagen sie „eine Situation der Spannung im Land, die uns große Sorgen bereitet“, als ob die Verschärfung des Klassenkampfes irgendetwas anderes tun könnte, als „die Spannungen zu erhöhen“. In der gleichen Erklärung wird die „Gefahr einer sozialen Explosion“ befürchtet. Und während die Regierung brutal gegen Demonstrationen und Streikposten vorgeht, fordern die Gewerkschaften sie höflich auf, „die Sicherheit und die Achtung des Streik- und Demonstrationsrechts zu gewährleisten“. Das wäre lustig, wäre es nicht so ernst.

2.

Die Jugend war auf den Demonstrationen sehr präsent. Die Inanspruchnahme des Artikels 49.3 [Erzwingen der Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung] hat die Mobilisierung der bis dahin relativ passiven Studenten und Schüler deutlich gefördert. Das ist nur logisch: Die Jugend betrachtet den Artikel 49.3 zu Recht als eine Beleidigung der grundlegendsten, elementarsten demokratischen Prinzipien. Sie mobilisiert nicht nur gegen die Rentenreform, sondern gegen ein brutales, autoritäres und reaktionäres Regime. Sie kämpft für eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft.

Diese Mobilisierung der Jugend bestätigt, was wir seit Beginn der Bewegung erklärt haben: Wenn die Gewerkschaftsführungen das Ziel des Kampfes ausweiten würden, wenn sie die Menschen dazu aufrufen würden, gegen die Regierung insgesamt zu mobilisieren – und für ein Programm des Bruchs mit jeglicher Austeritätspolitik – würden sie neue Schichten von Jugendlichen und Arbeitern ermutigen, sich dem Kampf anzuschließen.

Diese Sichtweise wird von breiten Schichten der Bewegung geteilt. So haben die Aktivisten von Révolution auf der fakultätsübergreifenden Generalversammlung in Toulouse am 29.03. den folgenden Antrag verteidigt, der von den 800 anwesenden Studenten und Arbeitern angenommen wurde:

„Die fakultätsübergreifende Generalversammlung von Toulouse schließt sich den Arbeitern im aktuellen Kampf gegen die Rentenreform an. Der Einsatz des Artikels 49.3 markiert einen Wendepunkt im Verlauf dieses Kampfes. In den Köpfen einer wachsenden Zahl von Jugendlichen und Arbeitern ist der Kampf gegen die Reform nun eng mit einem Kampf gegen die Regierung Macrons und ihrer gesamten Politik verbunden. Um zum Erfolg der Bewegung beizutragen, darf sich die Führung der Gewerkschaftskoalition nicht länger damit begnügen, nur die Rücknahme der Reform zu fordern. Sie muss sich mit einem offensiven Programm ausstatten, das die Interessen der Arbeiter und die der Jugend verteidigt. Dies wird zur Entwicklung der Bewegung der verlängerbaren Streiks beitragen, die allein unseren Sieg garantieren kann.“

3.

Wir haben es schon oft gesagt: Die Bourgeoisie ist schockiert über die Macht dieser Bewegung. Aber sie ist nicht weniger entschlossen, diese Konterreform (und viele weitere) durchzusetzen, weil die Wettbewerbsfähigkeit des französischen Kapitalismus auf dem Spiel steht, d.h. das, was der Großbourgeoisie wichtiger ist als alles andere auf der Welt: ihre Profite.

In den letzten Tagen haben sich daher die politischen Manöver vervielfacht – sowohl auf Seiten der Regierung als auch auf Seiten der Gewerkschaftsführer – um zu versuchen, den Ausbruch des sozialen Vulkans noch aufzuhalten. Das Ganze nimmt die Form eines sehr schlechten Theaterstücks an. Macron hat den Führern der Gewerkschaftskoalition vorgeschlagen, sich zu treffen und über alles zu sprechen, was sie wollen – außer der Rentenreform. Die Führer der Gewerkschaftskoalition haben ihrerseits vorgeschlagen, einen „Vermittler“ – zwischen ihnen und der Regierung – zu ernennen, um über die Rentenreform zu sprechen. Die Regierung erwiderte darauf, dass es keine „Vermittlung“ brauche um miteinander über egal was zu reden (außer über die Rentenreform). Gleichzeitig kündigte die Gewerkschaftskoaliton an, dass sie Macron erneut „schreiben“ werde. Die Premierministerin Elisabeth Borne ihrerseits schrieb an die Vorsitzenden der Gewerkschaftskoalition, um ihnen ein „Gespräch“ anzubieten. Laurent Berger (Vorsitzender des eher konservativen Gewerkschaftsbundes CFDT) sagte, er werde sich auf den Weg machen, um mit der Premierministerin zu sprechen – über das, was sie nicht hören will.

All dies zielt darauf ab, die Arbeiter zu demobilisieren und den so genannten „sozialen Dialog“ zu erneuern – d.h. die „Aushandlung“ von Konterreformen durch die Gewerkschaftsführungen. Die Jugend und die Arbeiter können nichts Gutes von diesen Gesprächen zwischen der Regierung und den Gewerkschaftsführern erwarten, die nur dazu da sind Kompromisse zu suchen. Sie dürfen sich nur auf ihre eigene Kraft und die demokratische Organisation des Kampfes verlassen.

4.

Die seit Jahren festgefahrene Strategie der nationalen Gewerkschaftsführungen begann sich am Eröffnungstag des Nationalkongresses des Gewerkschaftsbundes CGT spektakulär und äußerst bedeutend zu zeigen. Der „Tätigkeitsbericht“ [eine Bilanz der Aktivitäten der Gewerkschaft] der scheidenden Führung wurde von 50,3 Prozent der Delegierten abgelehnt. Dies ist ein großer, noch nie dagewesener Rückschlag für Generalsekretär Philippe Martinez und die abtretende Führung im Allgemeinen. Die interne Polarisierung innerhalb der CGT hat offiziell eine neue Schwelle überschritten.

Dieses Erdbeben wird mit Sicherheit starke Nachbeben nach sich ziehen. Révolution bekräftigt seine Unterstützung für die linke Fraktion der CGT (Unité CGT) und ihren Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs, Olivier Mateu.

Wir werden noch ausführlicher auf diesen CGT-Kongress zurückkommen, der eine Zäsur in der Entwicklung dieses Gewerkschaftsbundes darstellt. Abschließend möchten wir einen Auszug aus der Erklärung der Unité CGT vom 19. März zitieren, die im Gegensatz zu der extremen Mäßigung der Führer der Gewerkschaft steht:

„Wir sind an einem Kipppunkt angelangt. Indem sie zu sehr am Seil gezogen haben, haben sie [Macron und seine Regierung] es zerrissen. Sagen wir es also offen: Jetzt geht es nicht nur um die Ablehnung des neuen Rentenantrittsalters von 64 Jahren. Es geht um die Rückkehr zur Rente mit 60 Jahren. Um einen SMIC [berufsübergreifender Mindestlohn] von 2.000 Euro. Um die Renationalisierung/Enteignung der Autobahnen, der Industrien und des geplünderten Volkseigentums. Es geht um die Aufhebung der Arbeitslosendekrete, es geht um das Ende der Subventionen für Unternehmen, es ist die Antwort auf alle unsere sozialen Bedürfnisse. Es geht um einen Regimewechsel. Diese soziale Ordnung hat zu lange gedauert.“

Dem stimmen wir absolut zu!