Clausnitz, ein Ort in Sachsen. Bis zum 18.2. kannte wohl so gut wie niemand den Namen des Erzgebirgedorfs. Dann verbreiteten sich innert kürzester Zeit Videos im Netz, die Clausnitz zu einem Ort der Schande machen sollten. Ein grölender Mob ist zu sehen, der die Zufahrt zu einem Asylheim blockiert, in das an jenem Abend eine Gruppe Flüchtlinge einziehen soll. Mit Autos und Traktoren versperren sie, „wir sind das Volk» schreiend, den Zugang und versetzen die Geflohenen, die sich in einem Reisebus befinden, in Todesangst. Anstatt die Zusammenrottung aufzulösen, zerrt die Polizei Flüchtlingskinder gewaltsam aus dem Bus. In einer Pressekonferenz erklärt die Polizei Sachsen später, die Flüchtlinge hätten provoziert. Der Staat erklärt die Opfer zu Tätern. Drei Tage nach der Schande von Clausnitz brennt in Bautzen eine geplante Unterkunft für Flüchtlinge. Draussen stehen jubelnde Menschen. Es kommt zur Behinderung der Löscharbeiten. Bei Ermittlungen werden Spuren von Brandbeschleunigern im Gebäude festgestellt.
Diese beiden Beispiele erinnern auf erschütternde Weise an die Pogromstimmung, die nach dem Fall der Mauer über Deutschland geschwappt war. Auch damals kam es zu Angriffen, zu Brandstiftungen und rechter Gewalt. Auch damals, zum Beispiel in Rostock-Lichenhagen, wo Rechtsextreme 4 Tage lang eine Asylunterkunft belagert und mit Molotov Cocktails attackiert hatten, war da ein jubelnder und gröhlender Mob. Und auch damals stand die Polizei daneben und unternahm nichts, um denen zu helfen, die wirklich ihren Schutz gebraucht hätten.
Explosion rechter Gewalt
So schockierend die Ereignisse von Bautzen oder Clausnitz auch sein mögen, sie sind alles andere als Einzelfälle. In Deutschland kam es zu beinahe 1000 Fällen von Brandstiftung an Unterkünften für Flüchtlinge. Insgesamt 12‘650 rechte Straftaten haben die deutschen Behörden von Januar 2015 bis Ende November verzeichnet. Da viele Straftaten erst nachgemeldet werden, wird die absolute Zahl rechter Straftaten in der Bundesrepublik für das Jahr 2015 noch ein gutes Stück höher ausfallen.
Am stärksten ist die Zunahme bei rechten Gewaltdelikten. Deren Anzahl stieg um 40% gegenüber dem Vorjahr. In der Realität dürfte die Zahl noch höher sein, da das Vorgehen der deutschen Polizei im Sinne hat, die Bedrohung von Rechts möglichst kleinzureden. So wurde ein Angriff mit einer scharfen Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen als «nicht fremdenfeindlich» eingestuft. Der Grund hierfür war das Motiv des Angriffs: Konflikte zwischen örtlichen Sicherheitsdiensten. Dass ein Angriff mit Sprengstoff auf Flüchtlinge aber sehr wohl etwas darüber aussagt, wie viel wert den Angreifern das Leben eines «Fremden» ist, ignorierte die Polizei geflissentlich. Entsprechend der Haltung der Polizei ist die Aufklärungsquote miserabel: Trotz mehr als 12‘000 Delikten kam es zu gerade einmal 17 Festnahmen im Bereich rechter Kriminalität. Dass ein Staatswesen, das selbst eine mordende Nazibande, wie den NSU jahrelang ignorierte, nicht bei brennenden Asylzentren und gewalttätigen rechten Schlägertrupps aktiv wird, erstaunt wenig. Die Passivität ist aber auch Folge der Tatsache, dass Faschismus für das Staatswesen in Deutschland keine reele Gefahr darstellt. Für Linke und Migranten hingegen schon und ohne Gegenmassnahmen wird der braune Terror kein Ende finden.
Antifa in die Offensive!
Doch woher kommt dieser massive Anstieg rechter Straftaten? Ein Aspekt sind sicherlich die schwindenden Perspektiven, die im Deutschland der Krise den Massen bleiben. Diese Atmosphäre von materieller Unsicherheit nutzen rechte Seilschaften, um vermehrt aktiv zu werden. Zynisch wird die Flüchtlingskrise genutzt, um einen Keil zwischen die Unterdrückten mit deutscher Staatsbürgerschaft und jene ohne bundesdeutschen Pass zu treiben.
All das geschieht im besten Interesse der KapitalistInnenklasse. Politischer Ausdruck dieser Entwicklungen ist der Erfolg politischer Formationen, wie der AfD oder der PEGIDA. Beide Gruppierungen stehen für eine Generation von Rechten, die vordergründig Bomberjacke und Springerstiefel an den Nagel gehängt haben, um auf der Strasse besorgte Bürger zu spielen und dabei mit einer stramm wirtschaftsliberalen Linie die besten Interessen des Kapitals zu vertreten. Wes Geistes Kind viele in solchen Formationen sind, wird aber deutlich, wenn man sich die Parolen und Forderungen ansieht, welche beispielsweise die nach aussen hin bieder-bürgerliche AfD formuliert. Beispielsweise verlangte die AfD-Chefin Storch auf ihrem Facebook-Profil, dass Flüchtlinge, die nach Deutschland einzureisen versuchen, mit tödlicher Waffengewalt an der Einreise gehindert werden sollen – selbst Kinder nimmt sie von der Forderung nicht aus. Mit ihrer Rhetorik werden die AfD und die PEGIDA zum Anzugspunkt für neue und alte FaschistInnen.
Noch sind die rechten Seilschaften hauptsächlich regional ein Problem, das es aber entschlossen zu bekämpfen gilt. Der Kampf gegen rechte Gewalt in der Politik und auf der Strasse muss aber auf mehreren Ebenen geführt werden. Uns MarxistInnen ist klar, dass die Welle braunen Terrors klar Ausdruck eines Systems ist, das den Massen nichts zu bieten hat. Der Kampf gegen diese Perspektivenlosigkeit und damit gegen den Kapitalismus muss daher immer Bestandteil umfassenden antifaschistischen Kampfs sein. Doch auch gegen die Rechten selber muss in die Offensive gegangen werden. Wo rechte Aufmärsche stattfinden, müssen Blockaden und Gegendemos organisiert werden, wo rechte Gewalt herrscht, muss sich antifaschistischer Selbstschutz formieren und wo noch keine antifaschistischen Formationen bestehen, müssen diese aufgebaut werden. Mit Organisationen, die im Sinne der ArbeiterInnenklasse handeln, müssen Einheitsfronten gegen Faschismus und rechte Hetze gebildet werden. Für die rechten Brandstifter ist das Verständnis im Sinne einer schweigenden Mehrheit zu agieren elementar. Mit Organisierung und Widerstand können wir zeigen, dass dem nicht so ist, und der braune Mob mit seiner Gewalt gegen die Schwächsten einzig im Sinne einer Gruppe agiert: im Sinne der Herrschenden.
Florian Sieber
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