In dieser Ausgabe von Flos Kolumne erklärt er uns die « Böhmermann-Affaire ».
Es ist so eine richtige Aschenputtel-Story: der Weg des türkischen Möchtegernsultans Recep Tayyip Erdogan vom abgefeimten Autokraten, der die kurdische Bewegung mit Armee und Polizei massakriert, und deshalb in der europäischen Presse den Buhmann gibt, zum Macker, nach dessen Pfeife in Europa die Mächtigsten tanzen.
Zwar ist an der Beliebtheit von Erdogan nichts besser geworden, er kann aber anders damit umgehen. Die Unterdrückung von Pressefreiheit hat der kleine Recep nämlich mittlerweile auch in die Bundesrepublik Deutschland exportiert, nachdem bereits in der Türkei regierungskritische Menschen die harte Hand der Staatsmacht zu spüren bekommen hatten. So lässt die bundesdeutsche Regierung eine Klage der türkischen Regierung gegen den Satiriker Jan Böhmermann zu, der in einem Schmähgedicht über Erdogan vom Leder zog. Tatsächlich kramten in der Folge die Lackschuhträger von der Staatsanwaltschaft einen Majestätsbeleidigungsparagrafen aus ihrer Mittelalterspielkiste und nahmen Ermittlungen auf.
Über Böhmermanns Gedicht mag man halten, was man will und es wäre nicht so, als würde man schlaue Satire verteidigen, wenn man sich hinter Böhmi stellt. Es ist auch ziemlich heuchlerisch, dass jetzt der Betroffenheitsporno in der deutschen Öffentlichkeit ausbricht, nachdem man so talentiert woanders hingestarrt hat, während Erdogan im eigenen Land gewütet hat – obwohl da hat’s ja schliesslich auch keinen Deutschen erwischt…
Dass aber ein mieser Schlächter wie Erdogan, der skrupellos mordet, die politische Opposition im eigenen Land unterdrückt und Pressefreiheit mit Füssen tritt, jetzt jämmerlich rumsabbelt, wie ein Kleinkind, das sich die Birne gestossen hat, ist einfach nur der Gipfel der dummdreisten Heuchelei. Der Witz an der Chose ist nämlich, dass Böhmermann ja genau wusste, dass sein Text unter die Kategorie „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts“ fällt. Womit er aber nicht gerechnet hatte, war dass die olle Merkel im Bündnisfall stramm die Hacken zusammen schlägt und ihrem autokratischen Kumpel in Ankara zur Seite springt.
Dabei ist der Umstand, dass die Deponierung der Klage bei der Bundesregierung zugelassen wird, gar nicht wirklich erstaunlich. Wenn halt sowas anstrengendes wie die Freiheit der Presse drunter kommt, wenn es denn gilt die unheilige Allianz von EU und Erdogan zu schützen, dann nimmt das Merkels Regierung gerne hin. Was man nämlich in den tonangebenden Regierungen der EU jetzt um jeden Preis verhindern will, ist, dass Flüchtlinge von den blutigen Spielplätzen imperialistischer Interessenspolitik in Syrien, die lebensrettende Flucht nach Europa packen.
Und bei diesem Vorhaben, das für so viele Flüchtlinge einen elenden Tod bedeuten wird, ist Erdogan der Kettenhund, der vor der Festung Europa die Zähne fletscht. Dass die Töle jetzt ins Wohnzimmer gestiefelt ist und einen stinkenden Haufen auf den Teppich geschissen hat, ist Mutti Merkel Wurst; lieber stellt sie dem Köter zur Belohnung nen Napf Mett hin.
Und nein, wir sollten wirklich nicht erstaunt tun. Ab dem Moment nämlich, als das Projekt zum Machtausbau der herrschenden Klasse nicht mehr mit demokratischen Grundrechten umzusetzen ist, werden diese das Klo runtergespült wie die Spargelsuppe vom Vormonat. Was im Moment in Europa passiert, ist der offene Ausdruck eines Systems, das uns nichts zu bieten hat und immer weniger auf die Reihe kriegt, seine inneren Widersprüche im Dunkeln zu halten – es ist die Fratze der Herrschaft des Kapitals.
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