Die Arbeiterklasse Sri Lankas kämpft heroisch gegen die bürgerliche Regierung und gewalttätige Reaktion. Was für einen erfolgreichen Kampf um die Macht aber fehlt, ist eine revolutionäre Führung.
In Sri Lanka ist eine Massenbewegung entbrannt, die bereits das gesamte Kabinett und sogar den Premierminister aus dem Amt gejagt hat. Millionen von StudentInnen und ArbeiterInnen sind auf der Strasse, um die unmenschlichen Lebensbedingungen im Land zu bekämpfen. Diese haben sich in den vergangenen Monaten massiv verschärft: Sri Lanka steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise der jüngeren Geschichte – Stromausfälle dauern stundenlang an, die Inflation raubt den ArbeiterInnen den Lohn und ein Mangel an Medizin und Essen macht das blanke Überleben zum Kampf.
Die Bewegung hält schon seit knapp zwei Monaten an und die herrschende Klasse hat alles versucht, um ihre Haut zu retten: Erste Massnahme war eine Regierungsumbildung, die aber nichts gebracht hat, weil die Massen keiner Partei vertrauen. Anschliessend wurden Scheinzugeständnisse gemacht. Dies entspricht der typischen Methode der Herrschenden: Mit Reformen von oben soll eine Revolution von unten verhindert werden.
Das zeigt: Keine der Parteien vertritt die Interessen der Arbeiterklasse. Alle wollen Ruhe, um einen Deal mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auszuhandeln, da sonst ein Staatsbankrott droht. Der IWF fordert im Gegenzug bessere Profitbedingungen. Das heisst: Egal wer an der Macht ist, im Kapitalismus drohen der Arbeiterklasse weitere Sparmassnahmen – weitere Angriffe auf den jetzt schon miserablen Lebensstandard. Die Massen wissen das: An den Demonstrationen fordern sie den Rücktritt aller Abgeordneten – sie vertrauen keiner einzigen Partei oder Person im Parlament.
Jetzt wurde die Strategie – auf Initiative des Premierministers – gewechselt. Sie setzt auf pure Gewalt, um die Bewegung niederzuschlagen. Grund dafür ist zum einen, dass die bisherigen Massnahmen nicht gewirkt haben, und zum anderen, dass sie erhofft hatten, dass die Bewegung bereits abflaut, und nicht zurückkämpfen würde. Der Plan ging nach hinten los: Die Konterrevolution der Herrschenden peitschte die Massen weiter an, wie wir das bei unzähligen anderen revolutionären Bewegungen schon beobachten konnten.
Die Gewerkschaftsführungen im Land haben sich geweigert, die Energie dieser spontanen Bewegung in einen unbefristeten Generalstreik zu lenken. Und damit der Bewegung eine proletarische Führung zu geben. Damit haben sie Mittelschichten Tür und Tor geöffnet, in dieses Vakuum zu drängen und die Führung zu übernehmen. Diese Mittelschichten schrecken nun zurück vor der Gewalt, die aus der Selbstverteidigung der Massen gegen die staatliche Repression resultierte. Sie kapitulieren vor den Kapitalisten und überlassen mit der Forderung von Neuwahlen in sechs Monaten die Macht der herrschenden Klasse.
Angesichts der brutalen Gewalt der herrschenden Klasse und der unglaublichen Energie der Massen hätte die Bewegung grosses Potenzial gehabt, die Regierung zu stürzen. Um das Elend der Arbeiterklasse endgültig zu beenden, müssen Komitees für Kampf und Selbstverteidigung gegen die Reaktion aufgebaut werden. Das setzt aber eine Führung mit konsequentem politischen Programm voraus. Und genau das fehlt.
Ob die Bewegung nun weiter voranschreitet oder aufgrund der Verwirrung, die einige verängstigte Führer aus der Mittelschicht gestiftet haben, vorübergehend ins Stocken gerät, wird sich zeigen. Klar ist: Ein Wendepunkt wurde erreicht. Der erste ernsthafte Test der Bewegung hat ihre Schwächen aufgedeckt: das Fehlen eines Programms und einer Organisation sowie die Unzulänglichkeit ihrer selbsternannten «Führung».
Sollte eine neue Regierung den Weg für einen IWF-Bailout freimachen, werden die Massen eine weitere bittere Lektion über die wahre Natur der “Rettung” durch Imperialisten erhalten.
Es ist an der Zeit, dass die revolutionären Elemente mit dem grössten Klassenbewusstsein in der Bewegung diese Lektion lernen und sich auf die nächste grosse Prüfung vorbereiten. Diese Lektion ist vor allem folgende: Die dringendste Aufgabe ist die Bildung einer revolutionären Partei mit einem klaren sozialistischen Programm. In der gegenwärtigen Situation würde eine solche Partei rasch wachsen, da ihre Prognosen durch die Ereignisse bestätigt werden und die Massen selbst merken, dass es unmöglich ist, ihre Probleme innerhalb des Kapitalismus zu lösen. Im Gegenzug würde eine revolutionäre Partei die derzeitige Verwirrung in der Bewegung durchbrechen und den Weg bereiten für den Kampf der sri-lankischen Arbeiterklasse um die Macht.
Jelena B., Unia Zentralschweiz
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