Die revolutionären Massen von Bangladesch haben Sheikh Hasina gestürzt und damit ihre 16-jährige brutale Herrschaft beendet! Millionen strömten nach Dhaka und haben die Residenz der Premierministerin eingenommen. Sheikh Hasina floh mit Hilfe des Militärs ausser Land. Die Revolution in Bangladesch hat ihre ersten Siege errungen – aber sie ist noch nicht vollendet.
Anfang Juli begannen die Studenten zu protestieren, nachdem die Regierung ein faules Quotensystem für öffentliche Stellen eingeführt hat. Die Regierung schlug die friedlichen Proteste brutal nieder. Polizei und Paramilitärs schossen auf die Studenten. Hunderte wurden getötet, Tausende verletzt, Zehntausende verhaftet. Doch das befeuerte die Bewegung nur weiter. Sie hatte den Punkt erreicht, an dem die heroischen Studenten jede Angst verloren hatten! Jahrzehnte von Gewalt, Armut und Unterdrückung hatten sich angestaut. Die Studenten eskalierten die Bewegung. Sie forderten nun den Sturz des ganzen alten mörderischen Regimes. Sie haben sich in Komitees organisiert, um die Selbstverteidigung und Ausweitung der Bewegung zu organisieren und riefen die Massen dazu auf, es ihnen gleich zu tun.
Am wichtigsten: Die Studentenführer riefen die Arbeiter, insbesondere den mächtigen Sektor der Textilarbeiter, auf, sich den Protesten anzuschliessen und einen Generalstreik zu organisieren. Die Massen haben auf diese korrekten Aufrufe mit einer enormen Mobilisierung geantwortet, wie es sie seit der revolutionären Periode in den 1970er Jahren nicht mehr gegeben hat. Millionen marschierten nach Dhaka. Polizei und Militär konnten nichts tun, sie wurden schlicht überrollt!
Die streikenden Textilarbeiter gingen von Fabrik zu Fabrik, um ihre Kollegen aufzurufen, herauszukommen und sich der Revolution anzuschliessen. Die Studenten haben die Revolution ins Rollen gebracht und angeführt. Doch es war der Eintritt der Arbeiterklasse in den Kampf, der das Kräfteverhältnis komplett verändert hat. Beginnt die Arbeiterklasse aufzustehen, kann keine Staatsmacht sie aufhalten. Die Regierung fiel, Hasina floh ausser Landes!
Die Massen feierten euphorisch ihren Triumph. Die alte Regierung war gestürzt. Doch dies stellte die Frage: Was nun? Das Militär hat das Machtvakuum schnell gefüllt, indem es eine «Übergangsregierung» unter der Leitung von Dr. Muhammad Yunus bildete. Die Studentenführung sprach ihre Unterstützung für diese Regierung aus. Das war ein schwerwiegender Fehler!
Hasinas Regime wurde auf der Strasse gestürzt. Yunus spielte in diesen Kämpfen keine Rolle. Er geniesst eine gewisse Legitimität, weil er von der Regierungspartei Awami Liga verfolgt wurde. Aber dieser Mann ist ein Banker. Er steckt mit den westlichen Imperialisten unter einer Decke. Sein Kabinett enthält zwei weitere Banker, einen ehemaligen Generalstaatsanwalt, einen ehemaligen Aussenminister sowie Direktoren, CEOs usw. Sie alle stammen aus der kapitalistischen Klasse. Daneben haben sie zwei Studentenführer der Bewegung reingenommen. Ihre Rolle in dieser Regierung ist klar. Sie sollen der Regierung gegenüber den revolutionären Massen Legitimität geben und ihren Klassencharakter verschleiern.
Diese Übergangsregierung will nun die «Ordnung» wiederherstellen. Sie wollen ein «stabiles Bangladesch». Aber stabil für wen? Stabilität für die Kapitalisten! Sie wollen die revolutionäre Mobilisierung stoppen, die Massen wieder nach Hause und zurück an die Arbeit in die Fabriken schicken. Diese «Stabilität» wird überhaupt keine Stabilität für die Arbeiterklasse bedeuten. Es ist die Weiterführung von Armut, Inflation, Arbeitslosigkeit und brutalster Überausbeutung in den Textilfabriken durch die grossen multinationalen Konzerne.
Diese Übergangsregierung ist nur eine neue Fratze der gleichen, hässlichen kapitalistischen Bestie. Sie hat keine gemeinsamen Interessen mit den Studenten und der Arbeiterklasse. Sie wird kein Problem lösen können.
Hasina ist weg, doch ihr System bleibt bestehen. Löhne bleiben seit Monaten unbezahlt, die Preise steigen weiter. Die wirtschaftliche Lage bleibt düster, geprägt von Schulden, Arbeitslosigkeit und prekärstem Alltag. Die Massen haben sich dem undemokratischen Regime von Hasina entledigt, aber in jeder Fabrik herrscht noch eine kleine Hasina.
Genau das merken die Arbeiter. Sie wollen die Früchte ihrer Revolution ernten. Wenige Wochen nach dem Sturz von Hasina eröffnen die Arbeiter ein neues Kapitel des Klassenkampfes und der Revolution. Sie verlangen bezahlte und höhere Löhne, gute Arbeitsbedingungen, Zugang zu Lebensmittel, Gesundheitsversorgung und Bildung.
Sie haben die kollektiven, militanten Methoden und Slogans der Studenten übernommen und auf ihren Kampf gegen die Bosse angepasst. Arbeitslose Textilarbeiter haben Autobahnen und Zugänge zu Fabriken besetzt, um Jobs und gleiche Löhne für Frauen und Männer zu fordern. An verschiedenen Orten haben die Arbeiter die Fabriken selbst besetzt. Die nationalen Bahnarbeiter besetzten ihre Büros und stellten eine einzige Forderung auf: Die Verstaatlichung ihrer Arbeitsplätze, die ausgelagert wurden.
Während die Kapitalisten und ihre Handlanger gelähmt sind, organisieren sich die Arbeiter und nehmen ihren Kampf in die eigenen Hände. Das zeigt, wie mächtig die Arbeiterklasse ist.
Die Forderungen der Massen stehen den Profitinteressen der Kapitalisten diametral entgegen, bei denen die wirkliche Macht liegt. Die Rolle der Übergangsregierung ist es, genau diese Kapitalistenklasse zu schützen, die Blut an den Händen hat. Die Massen dürfen der Yunus-Regierung nicht vertrauen. In ihrem Kampf darf sich die Arbeiterklasse nur auf die eigene Kraft verlassen. Sie muss die Macht in ihre eigenen Hände nehmen!
Die Studenten haben den Weg vorwärts gezeigt. Ihre Komitees haben die Skizze einer alternativen Macht des Volkes erschaffen. Während der kapitalistische Staat paralysiert war, haben die Studenten sich organisiert und teilweise Staatsfunktionen selbst übernommen. Sie gründeten beispielsweise Komitees zum Schutz vor kommunaler Gewalt, um konterrevolutionäre Elemente daran zu hindern, religiösen Hass zu schüren. Muslimische Studenten stellten sich schützend vor Hindutempel. Sie zeigten, dass wir keine Kapitalisten, Landbesitzer oder ihren bürokratischen Staat brauchen, um die Gesellschaft zu verwalten.
Solche Komitees braucht es jetzt in jeder Fabrik. Wenn sich diese Komitees verbinden und die gesamte Arbeiterklasse in den Kampf ziehen, wird die Bewegung eine unbesiegbare Kraft entwickeln. Das würde in jeder Fabrik und in der gesamten Gesellschaft die Frage aufwerfen: Wer herrscht? Die Kapitalisten oder die Arbeiter? Die Arbeiter aller Fabriken könnten sich helfen, ihre Bosse rauszuschmeissen und die Macht in die eigenen Hände zu nehmen.
Die Studenten können darin eine entscheidende Rolle spielen. Sie können die Erfahrung ihrer Komitees in die Arbeiterklasse tragen und darauf hinarbeiten, sie in einem nationalen Kongress aller Studenten- und Arbeiterkomitees zu verbinden. Dafür muss sich der revolutionärste Flügel der Studenten in einer Revolutionären Kommunistischen Partei organisieren. Denn in der Bewegung gibt es noch viel Verwirrung und falsche Ideen, insbesondere das Vertrauen in die kapitalistische Übergangsregierung.
Deshalb ist eine revolutionäre Partei entscheidend, die die Forderungen der Studenten, Arbeiter und Bauern nach Lohn, Arbeit, Brot und Bildung aufgreift und aufzeigt, dass die Revolution nur siegen kann, wenn die gesamte Macht der Kapitalisten zerstört wird und die Arbeiter die Macht selbst übernehmen.
Die Arbeiter der Textilindustrie produzieren für H&M, Zara und andere multinationale Konzerne. Diese pressen Milliarden an Profiten aus ihnen und verschieben sie ins Ausland. Wir sagen: Enteignung all der Kapitalisten, die mit dem alten Regime verbunden sind! Verstaatlichung der zentralen Industrien, der Banken, der Fabriken, des Transport- und Gesundheitswesens usw. unter der demokratischen Arbeiterkontrolle! Unsere Revolutionäre Kommunistische Internationale gibt ihre volle Unterstützung für den Aufbau dieser notwendigen Partei.
Die Revolution in Bangladesch ist noch nicht beendet, das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dieser lebendige Prozess muss bis zur erfolgreichen sozialistischen Revolution getrieben werden. Dann, wenn die gesamte parasitäre herrschende Clique endlich gestürzt ist, wird die Macht in den Händen derjenigen liegen, die wirklich den Reichtum in der Gesellschaft schaffen: den Arbeitern und Studenten. Das wäre die Vollendung dieser glorreichen revolutionären Bewegung. Es würde Bangladesch zu einem strahlenden Beispiel machen für die unterdrückten Massen des gesamten indischen Subkontinents und der ganzen Welt.
Die Imperialisten bluten die Armen aus, und die Armen kämpfen zurück
Die Krise des Kapitalismus trifft die armen Länder hart. Die Verschuldung ist eines der Mittel, mit denen das Finanzkapital die ärmeren Länder ausblutet und sie in einem Zustand der Unterentwicklung und Knechtschaft hält. In 77 Ländern beliefen sich die Schuldenzahlungen im Jahr 2023 auf mehr als 20 Prozent der Staatseinnahmen. Darunter Bangladesch, Kenia, Argentinien, Libanon, Mali, Burkina Faso, Niger, Pakistan, Sri Lanka, Uganda, Kamerun und Sierra Leone.
Aber jetzt wird eine Schmerzgrenze erreicht. In allen genannten Ländern kam es in den letzten Jahren zu bedeutenden Protestbewegungen, von denen einige revolutionäre Dimensionen annahmen. Die Armen kämpfen zurück!
https://www.marxist.com/the-imperialists-are-bleeding-the-poor-and-the-poor-are-fighting-back.htm
Bangladeschs unvollendete Revolution 1971
Die Massen in Bangladesch entdecken eine reiche revolutionäre Tradition wieder, die Jahrzehnte zurückreicht. Die Aufgabe der heutigen Revolution ist die unvollendete Aufgabe der Revolution in den 1970er Jahren: der Sturz des Kapitalismus. In den 1970er Jahren kämpften die Massen in Bangladesch für die Unabhängigkeit vom pakistanischen Kolonialismus. Die revolutionären Massen machten die Revolution, doch sie schafften es nicht, die Macht selbst zu übernehmen. Die Führer der Unabhängigkeitsbewegung kooperierten mit der herrschenden Klasse. Das Resultat war ein grässlicher Genozid. Bangladesch wurde formell unabhängig, aber die Massen verharrten im Elend von Jahrzehnten von kapitalistischer Überausbeutung. Heute droht der Revolution die genau gleiche Gefahr, wenn sie die Kapitalisten nicht stürzt. Wir müssen aus der Geschichte der Revolutionen lernen!
https://derfunke.at/22544-der-befreiungskrieg-von-1971-und-bangladeschs-unvollendete-revolution
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024
Imperialismus, Kolonialismus & Nationale Frage — von Jorge Martín, April 2024 — 03. 10. 2024