Die Zahl der Toten, welche der unerträglichen Hitzewelle und den Stromausfällen in Karachi und anderen Regionen Pakistans zum Opfer gefallen sind, steigt weiter an. Die mittlerweile 1116 Toten offenbaren einmal mehr den verrotteten Zustand der Infrastruktur in Pakistan. Dies vor allem im Energiesektor. In einem Land, in dem die Energieproduktionskapazität höher ist als die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung, ist diese Tragödie die direkte Schuld der Energiebarone, welche sich schamlos bereichern. Ihre brutalen und herzlosen Machenschaften werden vor allen entblösst. Es ist ein Verrat an 200 Millionen Menschen, deren politischen Führer und der Staat im Allgemeinen als Komplizen fungieren in diesem erbarmungslosen Akt der mutwilligen Auslöschung menschlichen Lebens im Zuge des Strebens nach Profit.
Pakistans Energieproduktionskapazität beträgt ungefähr 23000 Megawatt (MW). Sie übertrifft die momentane Nachfrage von 17000 MW bei weitem. Die effektiv produzierte Menge an Elektrizität beträgt jedoch nur 10000 MW. Die Kapazitätsauslastung ist bei weniger als 50%, vor allem weil die Produzenten nicht genügend Treibstoff kaufen und sie bewusst nur die Hälfte der möglichen Menge an Elektrizität produzieren. Dennoch streichen sie gewaltige Profite durch staatliche Subventionen ein. Mehr als ein Drittel der Energieproduktion ist in den Händen der Imperialisten und den lokalen kapitalistischen Independent Power Producers (IPP). Alle Verträge mit den IPPs seit den 80er Jahren garantieren diesen feste Zahlungen und Profite ohne Effizienz-Anforderungen zu stellen oder Produktionsziele festzulegen.
Die meisten privaten Investoren haben ölbetriebene Verbrennungskraftwerke gebaut, statt auf Wasserkraft zu setzen, da dies mit viel tieferen Investitionskosten, kürzeren Vorlaufzeiten und somit höheren Profiten verbunden ist. Resultat sind 18-20 Stunden engpassbedingte Stromausfälle täglich im ganzen Land. Dies obwohl sämtliche Regierungen die Profitgeier im Energiesektor mit Milliarden von Dollars an Subventionen überhäuft haben. Die Pakistanische Regierung hat 3.6 Milliarden private Schulden der Energieindustrie übernommen, obwohl nach offiziellen Angaben des Finanzministeriums bereits mindestens 7.4 Milliarden Dollar an Subventionen zu den IPPs geflossen sind. Der Staat kauft den Strom bei den privaten Produzenten zu einem Preis von RS 12.5 pro Kilowattstunde, während der Konsument durchschnittlich RS 9 bezahlt. Die Differenz, welche sich jährlich auf mehrere hundert Milliarden Rupien beläuft, wird aus der bereits massiv verschuldeten Staatskasse berappt. Sehr problematisch ist dabei, dass die Verträge mit den IPPs, welche diesen grosse Gewinne und lukrative Steuervergünstigungen einbringen, den Staat teurer zu stehen kommen, als wenn er die Kosten für die Energieproduktion direkt übernehmen würde.
Das globale IPP Business erhielt seinen Anstoss durch das ökonomische Modell Reagans und die Trickle Down Doktrin von Thatcher, welche sich in den Achtzigern verbreitete. Die imperialistische Institution der Weltbank trieb diese Entwicklung voran und Pakistan wurde das erste Versuchsland, gefolgt von 40 anderen Staaten einschliesslich China und Indien. General Zia hat die IPPs in Pakistan im Jahr 1985 eingeführt. Es ist aber eine Ironie der Geschichte, dass die darauffolgende demokratische Regierung unter Benazir Bhutto die Politik der Privatisierung weitergeführt hat und die Infrastruktur und die Ressourcen des Landes an private Investoren verschleudert hat. Damit hat sie die Politik ihres Vaters Zulfiqar Ali Bhutto, welche auf Verstaatlichung und sozialistischer Transformation beruhte, über den Haufen geworfen, obwohl dies ein Grundstein des Parteiprogrammes der PPP war. In ihrer zweiten Amtszeit verfolgte sie eine aggressive Politik der Privatisierung und Übergabe der Elektrizitätsproduktion an die IPPs.
Ein erst kürzlich erschienener Artikel in der Financial Times von einem Cambridge Professor streicht die IPP-freundliche Politik dieser Zeit hervor: „Die Privatisierung des Energiesektors im Jahr 1994 bot den Investoren grosszügige Gewinne und schaffte teure Überkapazitäten. Das Geschäft war für die Investoren zu gut, um wahr zu sein. Die Regierung erlaubte ihnen, viel zu viel Strom herzustellen und garantierte dessen Abnahme zu einem fixen Preis unabhängig davon, ob er genutzt wurde oder nicht. Das hatte teure Folgen, welche die tatsächliche Ursache für die heutige Energiekrise ist. In Bezug auf Wertschöpfung für das Volk und den pakistanischen Staat, stellte sich dieses Model als untauglich heraus. Selbst in einer Situation von Wirtschaftswachstum und effizienter Energieproduktion, wäre es schwierig, diesen Plan zu finanzieren. Da aber beides nicht der Fall ist, ist es fast unmöglich die private Energie zu zahlen. Wenn dieses Problem nicht angegangen wird, gibt es kein Licht am Ende des Energietunnels. “
Pakistan kann die Abwärtsspirale der Verschuldung nicht in den Griff kriegen. Genauso wenig wird es aus den Verträgen mit den privaten Energieproduzenten aussteigen können. Das Land ist gefangen in einem Teufelskreis, den zu durchbrechen im kapitalistischen System nicht möglich ist. Alle Politiker stellen sich hinter dieselbe Wirtschaftsdoktrin, die von der amtierenden, rechten Sharif Regierung verfolgt wird. Alle grossen Parteien haben diese neoliberale Politik verfolgt und sich am Staat bereichert. Die Mainstream-Intellektuellen schieben die Schuld für die Stromausfälle auf die ArbeiterInnen im Energiesektor und auf die KonsumentInnen, während die Eliten sich hinter Tricks und falschen Warnungen vor Protestbewegungen verstecken.
Solange die Grossunternehmer die Elektrizitätsproduktion kontrollieren, werden die Massen weiterhin unter den Folgen der Stromausfälle und steigenden Energiepreise leiden. Die Politiker und die bürgerlichen Medien werden das Massensterben durch fehlende Elektrizität schnell in Vergessenheit geraten lassen. Alle drei ausländischen Hauptinvestoren in die pakistanischen IPPs, International Power PLC (UK), AES Power (USA) und Walters Power (USA), haben ihre Investitionen vervielfacht und in den letzten 15 Jahren Milliarden von Dollars Profit aus Pakistan abgezogen. Ihre Partner bei dieser Plünderung sind pakistanische Milliardäre, welche das politische Geschehen in Islamabad unter kapitalistischen Bedingungen kontrollieren und die Führungen der grossen Parteien in ihrer Tasche haben. Die Garantien der Weltbank im Wert von mehreren Milliarden Dollar an die ursprünglichen Investoren bestehen ebenfalls noch bis zum heutigen Tag. Sogar die Banken bereichern sich an diesem Geschäft.
Die Situation ist klar: ohne die Enteignung der IPPs unter ArbeiterInnenmanagement und demokratischer Kontrolle, kann dieses Problem nicht gelöst werden. Pakistan hat unzählige Flüsse, Bergbäche und Rohstoffe um Energie produzieren zu können. Aber diese können unter kapitalistischen Bedingungen nicht dazu genutzt werden billige Energie zu produzieren, denn der einzige Antrieb zur Produktion sind persönliche Bereicherung und obszöne Profite. Die herrschende Elite hat keine Absicht, die Aufgaben der industriellen Revolution und der bürgerlichen Demokratisierung anzugehen. Der Kapitalismus in Pakistan ist so verfault und korrupt, dass die reaktionäre Bourgeoisie den Staat und die Gesellschaft geplündert, die Korruption institutionalisiert und die ArbeiterInnenklasse ausgebeutet hat, um ihre gewaltigen Profite zu generieren. Ohne die Enteignung dieses obszönen Reichtums, kann die Gesellschaft nicht zum Wohle aller organisiert werden. Nur durch eine derartige sozio-ökonomische Revolution, kann die Gesellschaft einen Sprung nach vorne machen und Elend, Mangel und Armut eliminieren.
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