Nach neun spannenden Workshops an der diesjährigen Herbstschule von Der Funke war die Begeisterung spürbar – eine mehrminütige Standing Ovation und ein überfülltes Twint-Spendenkonto zeigen: Die revolutionäre Philosophie des Marxismus und die daraus fliessenden Schlussfolgerungen sind aktueller und notwendiger denn je!
Mit 130 Anwesenden und fast 7000 CHF Spende war die marxistische Herbstschule – Revolution2021 – vom 13. Und 14. November in Bern ein Meilenstein für den Aufbau der revolutionären Kräfte in der Schweiz und weltweit. Zum ersten Mal seit zwei Jahren konnten wir wieder physisch einen Anlass durchführen – den grössten in der Geschichte der Schweizer Sektion der International Marxist Tendency. Spannende Referate und Diskussionen unter Genossen sowie mit Interessierten und Sympathisanten haben Revolution2021 zu einem unglaublich inspirierenden und motivierenden Anlass gemacht.
Der asoziale Umgang mit der Coronakrise, die weltweite Wirtschaftskrise, das zerbröckeln der Legitimität der bürgerlichen Parteien und Politiker machen eine revolutionäre Organisation mit konsequent revolutionärem Programm notwendiger denn je. Immer mehr Junge erkennen das – suchen regelrecht nach revolutionären Antworten – und sind deshalb an den grössten marxistischen Bildungsanlass der Schweiz gekommen.
Viele Angemeldete gaben an, über social media posts auf den Event aufmerksam geworden zu sein. Das grosse Interesse zeigt sich auch daran, dass so viele Leute den Weg nach Bern auf sich genommen haben, um mehr über den Marxismus zu lernen. Über das ganze Wochenende waren bei der deutschsprachigen Ausgabe 130 Interessierte anwesend. Gemeinsam mit der französischen Ausgabe des Events, die vor drei Wochen stattgefunden hatte, kamen über 170 Teilnehmer zusammen.
Philosophie ist die Basis der revolutionären Arbeit
Dass wir trotz des wütenden Coronavirus einen Anlass in diesem Ausmass mit sicheren Rahmenbedingungen durchführen konnten, war nur dank dem grossen Aufwand von zahlreichen Aktivisten des Funke möglich. In einer Zeit wo tausende Pfleger und Pflegerinnen überarbeitet und ungeschützt in die nächste Welle geschickt werden, wo der Bundesrat rücksichtslos die Interessen der Kapitalisten verteidigt und wo die Schweizer Arbeiterinnen seit bald zwei Jahren unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden, ist die kollektive Organisation in einer marxistischen Strömung unser wichtigstes Gut. Die Aufgabe von uns Marxisten, ist es, der Wut und Unsicherheit innerhalb der Arbeiterklasse einen bewussten, zielgerichteten und kämpferischen Ausdruck zu geben. Dafür braucht es klare Ideen: die Ideen des Marxismus. Denn wie Lenin gesagt hat: «ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben.»
Aus diesem Grund haben wir in verschiedenen Workshops unsere Kenntnisse der marxistischen Philosophie vertieft. Denn nur dieses Verständnis ermöglicht es uns, die aktuelle Situation im Kontext der grösseren historischen Entwicklung zu verstehen. Pandemie-Elend, Energie-Chaos, Mangel an Esswaren: Bei all den dringendsten Problemen, die aus der anarchischen Produktionsweise des Kapitalismus fliessen, schimmert die Lösung durch. Die sozialistische Planwirtschaft ist heute nötiger und möglicher denn je. Dies hat Francesco von der International Marxist Tendency in seinem Referat zur Weltperspektive eindrücklich aufgezeigt. Wir müssen das «Big Picture» im allgemeinen Chaos erkennen, um korrekte Positionen auszuarbeiten und so die revolutionäre Organisation weiter aufzubauen.
Ein zentraler Punkt der marxistischen Philosophie ist, dass Fortschritt in der Geschichte der Menschheit möglich ist. Wie im Workshop zu diesem Thema diskutiert, ist dies nicht eine moralische Beurteilung gewisser Entdeckungen oder Entwicklungen. Als Marxisten definieren wir Fortschritt als zunehmende Beherrschung der Natur durch den Menschen. Oft wird dies von Postmodernisten kritisiert, weil Fortschritte wie etwa die Entdeckung der Dampfmaschine oder der modernen Medizin auch negative Folgen haben. Wir entgegnen dem jedoch, dass der Fortschritt widersprüchlich ist – Fortschritt hat in der Klassengesellschaft notwendigerweise auch zur Beherrschung und Ausbeutung von Menschen durch Menschen geführt. Das bedeutet aber nicht etwa, dass es keinen Fortschritt gibt, sondern nur, dass Fortschritt ohne Widersprüche nur in einer klassenlosen Gesellschaft möglich ist. Deshalb ist es für die Weiterentwicklung der Gesellschaft absolut notwendig gegen die Klassengesellschaft – also heute gegen den Kapitalismus – zu kämpfen.
Viele Aktivisten sind heute im Gegensatz zwischen isolierter Verzweiflung und kopflosem Aktivismus gefangen – marxistische Philosophie gibt uns die Basis, um diesen Gegensatz zu überwinden. Im Workshop zur Rolle des Individuums in der Geschichte waren die wichtigsten Punkte deshalb, dass wir als Individuen aktiv die Welt verändern können. Aber wir auch beschränkt durch die Eigenheiten der Gesellschaft sind. Das heisst, dass wir diese Faktoren anerkennen müssen und darauf hinarbeiten müssen, eine Organisation aufzubauen, welche gross genug ist, um tatsächlich einen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben zu können.
Internationaler Sozialismus statt NGO-Spenden
Im Workshop zur Arbeiterklasse diskutierten wir über die Existenz dieser zentralen Einheit der marxistischen Theorie. Wichtigste Schlussfolgerung ist: Es gibt eine Arbeiterklasse in der Schweiz. Sie als privilegiert zu bezeichnen ist falsch und vor allem kontraproduktiv. Deshalb wäre es auch falsch, von den Schweizer Arbeitern zu verlangen, dass sie ihre Stellung mit Spenden an NGOs «kompensieren». Die Arbeiter aller Länder haben ein Interesse daran, zusammen zu kämpfen, denn die Ursache der Unterdrückung ist der Imperialismus der Kapitalisten. Wir müssen zusammen mit den Arbeitern aller Länder eine Organisation aufbauen, die den Kampf gegen die internationalen Konzerne in der Schweiz und in Pakistan oder Nigeria führt. Wie es im Kommunistischen Manifest heisst: «In dem Masse, wie die Ausbeutung des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Ausbeutung einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.»
Im Workshop zur Frage der Rolle des Staats in der Wirtschaft, waren insbesondere die riesigen Staatsinterventionen der vergangenen Jahre Thema. Klar ist aus marxistischer Perspektive: Diese lösen die Krise nicht. Die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise wird von solchen Massnahmen nicht gelöst, nur temporär ein bisschen abgeschwächt. Die Interventionen werfen schliesslich insbesondere die Frage auf, wer am Ende bezahlt. Die Kapitalisten oder die Arbeiterklasse? Klar ist dabei: Wir müssen uns organisieren, um zu verhindern, dass die Arbeiterklasse für die Krise der Kapitalisten blutet.
Revolutionäre Theorie ersetzt nicht die praktische Arbeit
Schliesslich möchten wir aber nicht nur unsere theoretischen Kenntnisse verbessern, sondern diese auch in der realen Welt anwenden, um die sozialistische Revolution voranzutreiben. Genau darum ging es im Workshop «Marxismus vs. Identitätspolitik: Wie organisieren wir die Revolution?» Wir haben dabei diskutiert, inwiefern die Philosophie des Marxismus absolut notwendig ist, um eine schlagkräftige revolutionäre Organisation aufzubauen: Wir müssen die verschiedenen Kämpfe gegen Frauenunterdrückung, Rassismus, Homophobie und so weiter verbinden und auf unser gemeinsames Ziel – den Sozialismus – ausrichten!
Was zeigt, dass wir uns nicht einfach unabhängig von der realen Welt theoretisch bilden, war der Input zum Streik der Arbeiter bei «Smood» – einem Essenslieferdienst (Interview mit Gewerkschaftssekretär). In fast allen grösseren Städten der Romandie – Yverdon, Neuenburg, Nyon, Lausanne, Sion und Martigny – haben bereits Streiks stattgefunden, um die absolut unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir vom Funke stehen in voller Solidarität hinter den Forderungen der Arbeiter. Diese Unterstützung ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass der Marxismus nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen existiert. Jede selbständige Aktivität von Arbeitern gegen ihre Bosse oder gegen das kapitalistischen System als Ganzes zeigt, dass unsere Ideen des Klassenkampfs absolut aktuell sind. Wichtig ist für uns aber auch, dass die Kämpfe gegen das Kapital nur erfolgreich geführt werden können, wenn es eine Organisation gibt, welche konsequent die Lehren aus vergangenen Kämpfen gezogen hat und deshalb jetzt das Bewusstsein weitertreiben kann. In anderen Worten: Diese Kämpfe zeigen die Notwendigkeit einer marxistischen Organisation!
Werde jetzt aktiv!
Die Zahlen der Anmeldungen, des Bücherverkaufs (über 100 verkaufte Bücher und Broschüren für über 1400 Franken) und der Spendensammlung sind bereits ein gutes Zeugnis des Enthusiasmus, der während der ganzen Schule in den Workshops herrschte. Grund dafür war aber auch das politisch sehr hohe Niveau der Debatten, mit spannenden Interventionen von sehr vielen verschiedenen Teilnehmern aus der ganzen Deutschschweiz.
Mit Revolution2021 haben wir bewiesen, dass Der Funke fähig ist, trotz den widrigen Umständen einen grossen und qualitativ hochwertigen Event auf die Beine zu stellen. Wir sind zwar noch nicht so gross. Aber wir sind eine seriöse Organisation und unsere Ideen geben uns ein Fundament, auf dem wir auch in – oder gerade wegen – der heutigen Situation kräftig an Zuwachs gewinnen werden. Die vielen neuen Gesichter in den Sälen bezeugten dies. Der Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der Schweiz ist dringend notwendig. Niemand wird diese Krise für uns lösen. Leisten wir keinen Widerstand, werden die Kapitalisten uns den vollen Preis der Krise bezahlen lassen.
Unsere Aufgabe ist es, in der sich zuspitzenden Situation die revolutionären Positionen des Marxismus zu verteidigen und einer wachsenden Schicht an interessierten AktivistInnen und KämpferInnen zugänglich zu machen. Dazu haben wir die Revolution2021 organisiert. Doch unsere Arbeit hört hier nicht auf. Der erste Workshop kann hier und die anderen in bälde auf Youtube noch nachgehört werden. Falls dich diese Ideen überzeugen und du sie mit uns diskutieren möchtest, dann nimm jetzt mit uns Kontakt auf und werde Teil des Funke und der International Marxist Tendency.
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024