Zum ersten Mal luden wir heuer ins Falkencamp Döbriach (Kärnten). 80 TeilnehmerInnen aus acht Bundesländern und fünf Ländern folgten dem Ruf an den Millstättersee. Leider konnte eine Reihe von GenossInnen, die sich bereits angemeldet hatten, aufgrund von Krankheit oder Arbeitsverpflichtungen doch nicht teilnehmen. Der guten Stimmung vor Ort tat dies jedoch keinen Abbruch. Dafür gab es viele Gründe, aber besonders einen: Die Qualität der politischen Auseinandersetzung war heuer besonders hoch.
Im Anschluss an die Plenardiskussion zu den Perspektiven des globalen Klassenkampfes verabschiedeten wir einen „Offenen Brief“ an Alexis Tsipras, den Vorsitzenden der griechischen SYRIZA. Nachher gingen die Diskussionen in Arbeitsgruppen weiter, wo spezifische politische Aspekte (Geschichte der Klassenkämpfe in China, Griechenland, Effekte der Krise auf den einzelnen Menschen, die Rolle Deutschlands in Europa) behandelt wurden. Am zweiten Tag widmeten wir uns Fragen des revolutionären Programms. Wie kann ein Übergangsprogramm für Griechenland aussehen? Welche Antworten auf die Krise hat der Keynesianismus zu bieten und wie sieht die marxistische Kritik an diesen Konzepten aus? Zu guter Letzt diskutierten wir methodische Fragen, wie die Herausforderungen revolutionärer Betriebsarbeit oder die Funktion einer revolutionären Organisation.
Nicht nur die Inputs waren dieses Jahr von besonders hoher Qualität, sondern auch die Debattenbeiträge. Es ist offensichtlich, dass die Krise und der globale revolutionäre Prozess eine Reihe neuer Fragen aufwirft, deren Beantwortung eine neue Schärfe und Konkretisierung theoretischer Ansätze erfordert. Auf Basis gemeinsamer politischer Perspektiven gilt es eine richtige Strategie, ein richtiges Programm, korrekte Slogans und Kampfmethoden zu entwickeln. Klarerweise stand die Entwicklung in Griechenland im Mittelpunkt der Diskussion. Aber allen war bewusst, dass dies nur die erste Etappe eines revolutionären Prozesses ist, der ganz Europa erfassen wird.
Die Dringlichkeit der materiellen Stärkung der marxistischen Strömung in der Arbeiter- und Jugendbewegung war daher in allen Diskussionen präsent. Unterschiedliche Standpunkte und Ansätze wurden solidarisch ausdiskutiert. Was uns besonders freute sind die sehr positiven Reaktionen, die wir dabei von SeminarteilnehmerInnen, die in anderen revolutionären Strömungen aktiv sind, erhalten haben. Eine lautete: „Ich bin mit einer festen Überzeugung hergekommen und jetzt bin ich in einer politischen Krise, weil hier meine Annahmen ziemlich erschüttert wurden.“ Gemeinsame Diskussion und Praxis sind aus unserer Sicht der konkrete Weg, um die notwendige Einheit der revolutionären Linken herzustellen. Diplomatie und politische Unschärfe sind keine geeignete Methode den kommenden Herausforderungen gerecht zu werden. Was wir brauchen sind solidarische Diskussionen sowie die Offenheit eigene Traditionen, Ideen, Programme und auch Vorurteile zu hinterfragen. Diesen Anspruch haben wir an diesem Wochenende gelebt.
Die Teilnahme von GenossInnen unser Schwesterzeitungen in Deutschland und der Schweiz ist eine liebgewonnene Tradition, und auch Genossen vom Balkan waren heuer wieder präsent. Wir freuten uns das Wochenende mit Vertretern der Rde?i Radikali aus Slowenien und marxistischen Strömung Crvena Kritika in Ex-Jugoslawien zu teilen. Wir hoffen, dass sich dieser politische Austausch verdichtet und vertieft, und wir bald auch in Slowenien eine Gruppe der Internationalen Marxistischen Strömung (IMT) haben.
Aber auch die österreichische Delegation ist erwähnenswert. Noch nie waren GenossInnen und SympathisantInnen aus so vielen Bundesländern und verschiedenen Organisationen der Arbeiter- und Jugendbewegung präsent. Viele GenossInnen haben sich an diesem Pfingstseminar das erste Mal persönlich kennengelernt. Dabei treffen Menschen zusammen, die abseits geteilter politischer Überzeugungen, aufgrund des unterschiedlichen Alters oder ihrer sozialen Situation kaum Berührungspunkte miteinander hätten. Dies ermöglicht aber einen politisch und sozial sehr fruchtbaren Austausch. Das Pfingstseminar ist ein generationenübergreifendes Ereignis geworden.
Neben der Politik kamen auch Sport und Freizeit nicht zu kurz. Das traditionelle FuFuTu (Funke-Fußball-Turnier) zeichnete sich heuer durch ein ganz besonders solidarisches Miteinander aus. Dieses Prinzip und die aktive Mitarbeit aller ermöglicht es auch, dass wir trotz der großen TeilnehmerInnenzahl uns bei diesem Seminar selbst versorgen und eine gute Zeit miteinander verbringen können. Und nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Seminar auch heuer wieder nur durch Teilnahmebeiträge, Spenden und dem Verkauf von Pfingstseminar-Bausteinen selbstfinanziert war.
Am letzen Abend versammelten wir uns noch einmal zu einem Plenum in dem – resümierend – drei Dinge besonders angesprochen wurden:
Michi Peiner, der ehemalige Bezirksvorsitzende der SJ Bruck/Mur, der zur Zeit unter einem seit Monaten ruhenden Ausschlussverfahren in der SJ steht, appellierte an die TeilnehmerInnen sich mit dem Genossen Sebastian Seidlitz, der am 12. Juni aufgrund eines antikapitalistischen Gedichts neuerlich vor Gericht muss, solidarisch zu zeigen.
Flo Keller von der GPA-djp Studierenden Salzburg betonte die Wichtigkeit der kommenden Auseinandersetzung um den Metaller-Kollektivvertrag, in der wir mit ganzer Kraft politisch intervenieren wollen.
Jorge Martín von der IMT appellierte an die Dringlichkeit beim Aufbau der marxistischen Kräfte und die internationale Solidarität mit den griechischen MarxistInnen in der Syriza. Im Anschluss wurden 320 € an Spenden für Marxistiki Foni gesammelt. „Bildet euch, Agitiert, Organisiert“ – mit dem Leitspruch der International Workers of the World beendete Jorge das politische Programm des diesjährigen Pfingstseminars.
Die anschließende Feier wurde mit einem Arbeiterliedersingen eingeleitet. Wir feierten lang und mit der Sicherheit, dass dies nicht das Ende ist, sondern ein Auftakt. Auch nächstes Jahr heißt es wieder: Auf zum Internationalen Pfingstseminar!
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