Forderungen können nicht einfach aus der Luft gegriffen werden. Allen voran müssen sie in ein gemeinsam erarbeitetes Programm eingebettet sein, doch diese Diskussion fand an der JV keinen Platz. Allerdings müssen auch Forderungen an sich gewisse Kriterien erfüllen, damit sie dem Zweck dienen können, den Kampf gegen den Kapitalismus voran-zutreiben. Die marxistische Strömung verfasste darum eine Resolution, die einen Vorschlag lieferte, wie diese Kriterien aussehen könnten. Nämlich, dass Forderungen kein Wunschkonzert darstellen, sondern sich an den realen Problemen der ArbeiterInnenklasse orientieren müssen, diese aktivieren sollen und ihnen im Kampf für Verbesserungen aufzeigen, dass der Kapitalismus ihre Bedürfnisse nicht befriedigen kann und folglich mit diesem gebrochen werden muss.
Die GL lehnte diesen Vorschlag ab, mit der Begründung, dass für eine solche Diskussion nicht genügend Zeit vorhanden sei. Doch diese Zeit wäre bitter nötig gewesen, denn die fehlende Diskussion führte zu einem Sammelsurium an pseudoradikalen Forderungen, die weit von der Realität der ArbeiterInnenklasse entfernt sind. Eine wirklich radikale, antikapitalistische Forderung misst sich an ihrem Inhalt, daran ob sie uns im Kampf gegen den Kapitalismus weiterbringt. Radikalität zeigt sich darin, dass sie den Menschen eben die Grenzen des Systems aufzeigt in dem sie leben und sie somit aktiv in den Kampf dagegen einbindet. Dass dies nicht das Ziel der GL war, sondern vielmehr, Aufmerksamkeit zu generieren, zeigte sich eindrücklich an einer Wortmeldung des Vizepräsidenten Lewin Lempert. Er forderte die Anwesenden zu Beginn der Diskussion dazu auf, sogenannten «Visionen» nachzueifern und für ein paar Stunden die Probleme der Realpolitik zu vergessen (sic!).
Die 9 Forderungen der marxistischen Strömung allerdings versuchten, eine Brücke zu schlagen zwischen der momentanen Situation und dem Sozialismus. Das fehlende Verständnis dafür führte dazu, dass die Forderungen der marxistischen Strömung als «zu reformistisch» bezeichnet wurden. Unsere Radi-kalität misst sich allerdings daran, dass wir ernsthafte Schritte in Richtung Sozialismus unternehmen wollen, egal ob uns die Medien dabei beachten oder nicht. Dies scheint aber nicht für alle Mitglieder der Partei oberste Priorität zu haben. Schlussendlich schaffte es keine dieser Forderungen in die abschliessende Liste der 9 Forderungen der JUSO Schweiz.
Während der Diskussion zur Studierenden-Resolution offenbarten sich ähnliche Unterschiede in unserer Herangehensweise. Wenn wir die Austerität tatsächlich bezwingen wollen, dann müssen wir dringend eine nationale Bewegung aufbauen. Die JUSO – mit ihren nationalen und gleichzeitig regionalen Strukturen – ist derzeit die einzige Organisation, welche dies tun kann.
Dass die Bewegung an den Unis nur 3 Monate nach der ursprünglichen Einreichung der Resolution für die DV vom Dezember so stark abgeflacht ist, zeigt wie dringend notwendig dies ist. Deshalb setzt sich der Funke dafür ein, dass die JUSO Schweiz in diese Bewegungen aktiv interveniert, darin Verantwortung übernimmt, für mehr Demokratie kämpft und die kämpfenden GenossInnen und Sektionen durch die Schaffung einer Verantwortung in der GL in ihren Aktivitäten unterstützt.
Wenn wir es ernst meinen mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, müssen wir die JUSO zu einem Anziehungspunkt für alle radikalisierten Jugend-lichen und Lohnabhängigen machen. Dies erreichen wir nur, wenn wir uns ernsthaft mit den Problemen der ArbeiterInnenklasse und der Studierenden auseinandersetzen und Seite an Seite mit ihnen gegen dieses ausbeuterische System ankämpfen. Reine Effekthascherei – ohne praktische Konsequenzen – genügt nicht. Wir müssen mit unserem politischen Programm intervenieren und versuchen, dieses in die Bewegungen hineinzutragen. Nur so kann die JUSO zur Partei der radikalisierten Jugend und der ArbeiterInnenklasse werden.
Kevin Wolf
Vorstand JUSO Stadt Bern
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