Die versuchte Einführung eines De-facto-Abtreibungsverbots in Polen provozierte anhaltende Großproteste im ganzen Land.
Die national-konservative Partei PiS nutzte die Covid-19-Maßnahmen, um das durchzusetzen, wofür sie seit Jahren kämpft. Sie wandte sich mit einer Beschwerde an das Höchstgericht, das daraufhin am 22. Oktober die Abtreibung bei Fehlbildungen für verfassungswidrig erklärte. Doch Polens Abtreibungsgesetz war schon vorher eines der strengsten in ganz Europa. In den 1980er Jahren gab es bis zu 140.000 Abtreibungen pro Jahr. Nach Verschärfungen fanden 2019 nur mehr 1.100 statt. 97 Prozent davon wurden auf der Grundlage des nun gekippten Paragrafen vorgenommen. Bereits bis jetzt war es – auch bei medizinischer Indikation – schwierig, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, da ÄrztInnen den Eingriff aus Gewissensgründen verweigern konnten.
Nun werden Frauen gezwungen, Kinder mit schweren Krankheiten gegen ihren Willen zu gebären. Das ist institutionalisierte Gewalt gegen Frauen! Abtreibung darf nicht als Straftat definiert werden! Jede Frau soll selbst über ihren Körper bestimmen dürfen. Um sie in einer solchen Situation unterstützen zu können, muss es ein Recht auf einen sicheren und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch aus jeglichem Grund geben. Die derzeitige Lage führt dazu, dass Frauen teils illegale und lebensgefährliche Abtreibungen durchführen. Die weitere Einschränkung des Abtreibungsrechtes und die damit einhergehende Kontrolle über den Körper der Frau reihen sich in eine Vielzahl von Aspekten ein, die zeigen, dass Frauen im Kapitalismus nicht gleichberechtigt sind.
Die Proteste in Polen haben ein ungeahntes Ausmaß angenommen. Aus spontanen Kundgebungen in den Großstädten entwickelte sich eine Protestwelle, die bereits nach vier Tagen 226 Städte und Dörfer erfasste. Am 28. Oktober wurden 460 Demonstrationen von der Polizei bestätigt. 74 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Entscheidung des Gerichts. 56 Prozent unterstützen direkt die Protestbewegung. Auch kleine Städte erlebten große Demonstrationen. So waren in Trzebnica von 10.000 EinwohnerInnen 2.000 auf der Straße. Straßenbahn-, Bus- und TaxifahrerInnen organisierten Straßenblockaden, Männer wie Frauen beteiligen sich an Streiks. Der bisherige Höhepunkt war ein Protestzug mit etwa 100.000 TeilnehmerInnen am 30. Oktober in Warschau. Nach einem Aufruf Jaroslaw Kaczynskis, Parteichef der PiS und Vize-Ministerpräsident, das Land „um jeden Preis“ zu verteidigen, kam es zu gewalttätigen Angriffen von Bürgerwehren auf Protestierende. Doch die Bewegung lässt sich davon nicht einschüchtern. Man hört weiterhin ihren Slogan „Meine Gebärmutter ist keine Kapelle“. Die dahinterstehende Forderung nach einer stärkeren Trennung von Kirche und Staat ist in den letzten Jahren gewachsen.
Aber nicht nur durch den Einfluss der Kirche erschwert die Regierung das Leben der ArbeiterInnenklasse enorm. Räumungen wurden angeordnet, UnternehmerInnen, die keine Löhne ausbezahlten, geschützt und JournalistInnen, die versuchten, die Missstände anzuprangern, zum Verstummen gebracht. Zwar erreichten die Protestierenden, dass die Regierung zurückruderte und die Novelle des Abtreibungsgesetzes verschoben wird, doch der Ärger der Lohnabhängigen richtet sich gegen das gesamte System, das den Massen keine Zukunft bieten kann. Daher darf die Antwort der Linken nicht die Signalisierung von Gesprächsbereitschaft mit den Herrschenden oder der liberalen Opposition sein, die selbst den Sozialabbau vorantrieb, als sie in der Regierungsverantwortung war. Sie müssen stattdessen überregionale Streikkomitees bilden, die die ArbeiterInnen organisieren und die reaktionäre Regierung stürzen, damit eine sozialistische Alternative aufgebaut werden kann. Männer und Frauen müssen dabei gemeinsam als vereinte ArbeiterInnenklasse für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen, betont unsere polnische Schwesterorganisation Czerwony Front. Sie fordert:
Von Sarah Ziermann-Österreicher
Der Funke Österreich
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